Die Vorbereitung
Der scheinbar locker vorgetragene, souveräne Vortrag bezieht 90 Prozent seines Erfolgs aus der richtigen Vorbereitung. Je besser Sie Ihren nächsten Vortrag planen, desto gelassener können Sie Ihrem eigentlichen Auftritt entgegensehen. Alle großen Redner bereiten sich wochenlang auf ihre nur scheinbar spontanen und geschliffenen Wortmeldungen vor. Was den Zuhörern als Inspiration des Augenblicks erscheint, ist in Wahrheit mit viel Recherche und mit Liebe zum Detail ausgearbeitet worden. Das kostet Zeit – aber diese Investition ist sinnvoll. Wenn Sie am Podium stehen und das Publikum begeistert applaudiert, dann werden Sie wissen: Ihre Mühe hat sich gelohnt.
Bevor Sie sich an die Arbeit machen, empfehle ich Ihnen, noch einige Überlegungen anzustellen. Zuallererst könnte es nützlich sein, zu wissen, warum Sie überhaupt den Vortrag halten.
Angenommen, Sie sind eingeladen worden, einen Vortrag zu halten. Die Gründe dafür können vielfältig sein.
•Sie sind ein anerkannter Experte oder eine Fachfrau auf einem bestimmten Gebiet, über das die Zuhörer oder Veranstalter etwas wissen möchten.
•Sie sind zwar als Experte eingeladen worden, aber den Veranstaltern ist das Thema nicht so wichtig, sie wollen hauptsächlich Ihren Namen auf dem Programm haben.
•Sie sind mit dem Veranstalter befreundet, im selben Club oder gehen oft gemeinsam golfen und werden aus persönlichen Gründen eingeladen.
•Sie sind in Vertretung Ihrer Institution geschickt worden, weil Ihr Vorgesetzter keine Zeit hat.
•Sie möchten sich als Experte oder Expertin profilieren.
Fünf völlig verschiedene Situationen, die für Sie ganz unterschiedliche Motive darstellen, aufzutreten! Je nachdem, welcher dieser Gründe für Sie zutrifft, werden Sie sich anders verhalten, anders vorbereiten. Wenn das Erstere für Sie zutrifft, Sie also schon als Experte auf einem speziellen Gebiet bekannt sind, überspringen Sie dieses Kapitel. Wenn Sie noch nicht auf dem Gipfel, sondern noch auf dem Weg zum Ruhm sind, lesen Sie bitte weiter.
Expertentum ist gefragt
Angenommen, Sie sind Läuferin und haben Probleme mit Ihrem linken Knie. Die anhaltenden Schmerzen zwingen Sie, einen Arzt aufzusuchen. Welchen wählen Sie? Gehen Sie zu dem Herzspezialisten, der in Ihrer Lieblingszeitung jeden Samstag die Kolumne „Das gesunde Herz“ schreibt? Wohl kaum. Was Sie in dieser Situation wollen, ist ein Experte gerade für dieses spezielle Problem. Das bedeutet in Ihrem Fall, Sie werden nicht nur irgendeinen Orthopäden aufsuchen, sondern einen orthopädischen Facharzt, der viel Erfahrung mit Läuferknien hat, idealerweise selber regelmäßig joggt.
Ebenso ist es, wenn Sie eingeladen werden, eine Rede zu halten. Ihr Publikum und der Veranstalter wollen einen Experten. Je ungewöhnlicher Ihr Spezialgebiet ist, desto gefragter werden Sie als Vortragende sein!
Fragen Sie sich also: Auf welchem Gebiet bin ich Experte? Oder: In welchem Spezialgebiet strebe ich Expertentum an?
Ihr Background stützt Ihr Expertentum
Angenommen, Sie haben Slawistik studiert mit Schwerpunkt Handelswissenschaften. Danach arbeiteten Sie in einer Import-Export-Firma in Moskau. Nach Ihrer Rückkehr nach Deutschland haben Sie einige Jahre in einer Unternehmensberatung Firmen unterstützt, in Russland Geschäfte abzuwickeln. Wenn Sie dann über das Thema sprechen: „Wie Sie russische Geschäftsleute am besten zu einem Verhandlungsabschluss bringen“, werden Sie für jeden glaubwürdig sein.
Ihr Thema sollte eine zwingende Verbindung mit Ihrer Persönlichkeit, mit Ihren Fähigkeiten und mit Ihrer beruflichen Geschichte haben. Albert Bloch war jahrzehntelang interner Weiterbildungstrainer in Firmen der Autoindustrie. Seine spezielle Fähigkeit war es, das mittlere Management in Mitarbeiterführung zu schulen. Unsere Wege kreuzten sich, denn Bloch erhoffte sich, von unserer Agentur gemanagt zu werden. Er wollte sich als Keynotespeaker bei Großveranstaltungen profilieren. Wir saßen im Kaffeehaus und besprachen, welches Thema für Selbstständige interessant sein könnte. Er erzählte mir von seiner eben überwundenen Spät-Midlife-Krise – spät, weil er damals 61 Jahre alt war –, seiner Beschäftigung mit asiatischer Philosophie und Meditation. Da rief er plötzlich aus: „Das wäre DAS Thema! Die Firmen setzen so viele Mitarbeiter an die Luft und die verbleibenden stöhnen unter der Arbeit. Sie sind im Permanentstress, die Ehen leiden darunter und die Scheidung ist die letzte Konsequenz. Immer wieder treffe ich Menschen, die sich nach Orientierung sehnen. Meditation und asiatische Weisheit wäre doch etwas, was diese Leute brauchen könnten wie einen Bissen Brot.“ Bloch hatte nicht Unrecht. Das war tatsächlich ein Thema, das auf dem deutschen Markt „ziehen“ würde – vorausgesetzt, der Vortragende wäre anerkannter Experte auf diesem Gebiet, z.B. der Dalai Lama. Aber ein Mann, der dreißig Jahre lang Mitarbeiterführung vorgetragen hatte …?
Ich fragte also: „Warum sollen Menschen das gerade von Ihnen lernen?“ Einen Moment lang schaute Bloch verständnislos, dann begriff er, dass er mit seinem Hintergrund einfach kein glaubhafter, authentischer Vortragender für Meditation war.
Kurzum: Finden Sie den Punkt, der Sie unter allen anderen Menschen unverwechselbar macht! Wenn Sie ein solches USP (Unique Selling Proposition) nicht haben, schaffen Sie sich eines!2
Überlegen Sie, auf welchen Gebieten Sie bisher Außergewöhnliches geleistet haben. Wofür sind Sie ausgezeichnet und gelobt worden? Welche Ausbildungen haben Sie gemacht? In welcher Branche fühlen Sie sich besonders zu Hause? Zu welchen Themen haben Sie schon publiziert? Welcher spezielle Aspekt Ihres Vortrags ist wirklich neu?
Seien Sie einzigartig!
Lieben Sie Klassik? Nach welchen Kriterien suchen Sie eine Musik CD aus? Wenn Sie an der Kasse Ihres Supermarkts stehen und gerade ein Glas Konfitüre und ein Brot bezahlen wollen und Sie sehen folgendes Sonderangebot: „5 CDs zum Preis von 20 Euro! Alle Schubert Symphonien!“, dann ist vielleicht Ihr Interesse geweckt und Sie nehmen die CDs aus dem Korb und sehen sie genau an. Auf der Etikette steht: „Symphonieorchester Ploesti.“ Kein Name eines Dirigenten. Würden Sie die CDs kaufen?
Als echte Klassikkennerin ziehen Sie es höchstwahrscheinlich vor, statt in diese fünf CDs in eine zu investieren, bei der Sie den Dirigenten und das Orchester und auch den Musikverlag und damit die Sicherheit einer qualitativ guten Aufnahme auswählen können.
Wir sind verwöhnt. Es geht heute nicht mehr darum, ein bestimmtes Musikstück zu hören. Es geht darum, eine besonders interessante Interpretation des Musikstücks kennen zu lernen. Manche Dirigenten spezialisieren sich auf die Originaltreue des Werks, andere sind Spezialisten für Barockmusik.
Genauso wollen die Zuhörer in Ihrem Vortrag mit dem Gefühl sitzen, den besten Spezialisten für dieses Thema vor sich zu haben.
Wie der Vortrag Sie Ihren langfristigen Zielen näher bringt
Warum haben Sie die Einladung angenommen, einen Vortrag zu halten? Vielleicht ist es die Notwendigkeit, sich vor Kollegen zu profilieren? Oder ist es Eitelkeit? Oder hat Ihr Vorgesetzter gemeint: „Wenn du aufsteigen willst, sind im Jahr zwei Vorträge bei Kongressen Pflicht!“ Jedes Mal, wenn Sie zugesagt haben, einen Vortrag zu halten, ist es sinnvoll, sich zu überlegen, wie dieser Vortrag Sie Ihren langfristigen beruflichen Zielen näher bringen kann. Sehr oft erlebe ich, dass sich meine Klienten zu wenig Gedanken über den Aufbau ihrer Karriere machen.
Von Arnold Schwarzenegger können Sie in Sachen Zielsetzung viel lernen. Ich war im Jahre 1999 in den USA und besuchte eine Halbinsel an der kalifornischen Küste. Dort stand ein mobiler Kiosk, an dem ich einen Kaffee im Pappbecher kaufte. Woher ich denn käme, fragte der Hüne in dem Kabäuschen.
„From Austria.“ „Ah“, erwiderte er, er habe auch einen Freund aus Österreich. Sein Name sei Arnold Schwarzenegger. Zuerst dachte ich, er scherze. Kevin O’Connell vom Kiosk Sonoma Coast Mobile Deli erzählte mir, dass er früher eines der modernsten Fitness-Studios Amerikas in Berkeley besessen habe. Er hatte Arnie sofort nach dessen Ankunft in Amerika kennen gelernt: „Er hatte gerade 20 Dollar in der Tasche. Aber er hatte große Ziele! Er bat mich gleich in der ersten Woche, ihn in jene Wohngegend Californias zu führen, wo die schönsten Villen stehen. Wir fuhren durch die Straßen, wo die Reichen und Schönen wohnen. Und er sagte zu mir: ‚In so einem Haus werde ich auch wohnen.‘“3
Karl Kainrath, Schwarzeneggers Fitness-Trainer aus seinen Jugendtagen in Österreich, bestätigt diese Einstellung, auf ein klares Ziel zuzuarbeiten: „Er war immer...