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Spiele zur Anregung der Wahrnehmung und zur Verbesserung der Konzentration
3.1 Kinesiologische Spiele
Kindliches Lernen vollzieht sich immer in einem natürlichen Ablauf. Es hilft dem Kind, sich in seiner Umwelt zurechtzufinden.
Durch eigenes Erforschen lernt das Kind Bewegungsabläufe und Zusammenhänge kennen; sein Denkvermögen wird gefördert. So lernt es durch alles, was es sieht, hört, tut, fühlt und riecht, Dinge nachzuvollziehen und sein Wissen zu erweitern. Jedoch beeinflussen nicht nur positive Dinge diesen Prozeß, sondern es fließen auch viele negative Einflüsse ein. Diese können die kindliche Entwicklung stören. Es entstehen Beeinträchtigungen in der Wahrnehmung, die Sinne können sich nicht mehr frei entwickeln, und das Kind nimmt seine Umgebung nur noch eingeschränkt wahr. Das körperliche und geistige Wohlbefinden schwankt und hemmt das Kind in seiner ganzheitlichen Entwicklung. Es reagiert mit Störungen wie Unkonzentriertsein, Aggressivität, Passivität, Sprachschwierigkeiten, Kontaktschwierigkeiten, Auffälligkeiten in der Wahrnehmung und vielem mehr.
Diese Störungen aufzufangen, Blockaden zu lösen und den natürlichen Entwicklungsprozeß wieder in Gang zu bringen, ist Ziel der Kinesiologie. Das Wort Kinesiologie ist abgeleitet vom griechischen Wortstamm „Kin“ (= die Bewegung). Man versteht unter Kinesiologie die Lehre von der Bewegung oder der Bewegungsempfindung. Bewegung beeinflußt nicht nur das körperliche und geistige Wohlbefinden, sondern wirkt sich auch auf die Fähigkeit aus, positiv zu denken. Durch spielerisch angewandte Bewegungsübungen wird das Kind wieder in die Lage versetzt, seine Umwelt klarer wahrzunehmen. Die Konzentration wird gestärkt, die Sinne werden wieder geweckt. Somit können sich die kindliche Entwicklung und Entfaltung wieder ungehindert vollziehen.
Spielerisch angewandte kinesiologische Übungen können im Morgenkreis gemeinsam mit allen Kindern, vor strukturierten Angeboten oder einfach zur Auflockerung zwischendurch gemacht werden. Sie sind leicht, benötigen wenig Platz und machen Spaß. Werden diese Spiele regelmäßig durchgeführt, so ist schon schnell ein Erfolg zu sehen. Die Kinder werden ruhiger, ausgeglichener, zufriedener, konzentrierter, aufnahmefähiger und zeigen mehr Freude und Interesse an dem, was sie umgibt.
Ziel:Wecken der Sinne zur Förderung der Konzentration und Verbesserung der Wahrnehmung
Überkreuztes Marschieren
Ziel:Mit Hilfe dieser Übung wird das Fühlen und Denken wieder ins Gleichgewicht gebracht. Alle Muskeln, die für die Körperbalance wichtig sind, werden angeregt.
Die Kinder marschieren auf der Stelle, indem sie die Beine hoch ziehen und mit den Armen hin und her pendeln. Dabei berühren sie über Kreuz mit den Händen das Knie (rechte Hand – linkes Knie, linke Hand – rechtes Knie). Das Marschieren kann von Gesang oder Musik begleitet werden.
Die Pendeluhr
Ziel:Anregung des Gleichgewichtssinns, Entspannung
Das Kind überkreuzt im Stehen so die Beine, daß es sicher steht. Der Oberkörper wird nach vorne gebeugt. Dabei sollten die Knie nie ganz durchgedrückt sein. Die Arme hängen locker nach unten und pendeln nun hin und her, rauf und runter. Der Oberkörper macht die Bewegungen mit. Führt die Bewegung nach oben, wird eingeatmet, führt sie nach unten, wird ausgeatmet. Noch einmal mit umgekehrter Fußstellung.
Die Denkmütze
Ziel:Diese sanfte Massage macht frisch und entspannt. Da die Kinder ihre Ohren aufgrund der Umweltbelastung oft verschließen, hilft dieses Spiel dabei, sie wieder zu öffnen und sie aufnahmefähiger zu machen.
Bei diesem Spiel kann man sitzen oder stehen. Der obere äußere Rand der Ohrmuschel wird zwischen Daumen und Zeigefinger genommen. Der Daumen liegt außen, der Zeigefinger innen.
Die Ohrmuscheln werden mit diesen beiden Fingern von oben nach unten massiert und lang gezogen. Die Finger wandern dabei langsam bis zum Ohrläppchen herunter. Dieses Spiel sollte mindestens dreimal wiederholt werden, bis die Ohren warm und gut durchblutet sind.
Der Muntermacher
Ziel:Dieser Muntermacher schaltet Augen und Gehirn an, erfrischt den gesamten Organismus, erhöht die Aufmerksamkeit und verbessert die Bereitschaft, Informationen aufzunehmen.
Diese Übung wird im Sitzen oder Stehen gemacht. Mit dem Daumen und Zeigefinger massiert das Kind mit leichtem Druck zwei Energiepunkte, die rechts und links direkt unterhalb des Schlüsselbeines in dem weichen Gewebe sitzen, das rechts und links am Brustbein angrenzt. Die andere Hand massiert die Region um den Bauchnabel. Diese Massage dauert ca. 20–30 Sekunden, danach werden die Hände gewechselt.
Das Regendach
Ziel:Die Funktionen der rechten und linken Gehirnhälfte werden ins Gleichgewicht gebracht.
Dieses Spiel kann im Sitzen oder Stehen ausgeführt werden. Das Kind drückt die gespreizten Finger der rechten und linken Hand vor seinem Körper fest gegeneinander; die Finger bilden dabei ein Dach. Dabei schließt das Kind die Augen. Es konzentriert sich auf dieses Spiel. Die Finger werden einige Sekunden in der beschriebenen Art gehalten. Nachdem die Hände gelöst, gelockert und leicht ausgeschlagen werden, wird das Spiel wiederholt.
Der Brummbär
Ziel:Das Kind atmet bewußt, das Gehirn wird gut mit Sauerstoff versorgt und so die Konzentration gesteigert.
Dieses Spiel kann im Sitzen oder Stehen gemacht werden. Das Kind atmet schnarchend durch die Nase ein und brummend durch den Mund wieder aus. (Mindestens dreimal durchführen – später bis auf zehnmal steigern.)
Nasenatmen
Ziel:Das Gehirn wird mit Sauerstoff versorgt, die Atmung geerdet und die Konzentration gefördert.
Dieses Spiel kann im Sitzen oder Stehen gemacht werden. Das Kind hält sich mit dem Daumen ein Nasenloch zu und atmet durch das andere tief ein. Danach wird mit dem Zeigefinger das andere Nasenloch zugehalten und durch das jetzt freie ausgeatmet und im Anschluß durch dasselbe Nasenloch wieder eingeatmet. (Übung mindestens dreimal durchführen.)
Kleine Massagespiele
Ziel:Diese Massagespiele bringen neue Energie.
–Eine Hand wird auf den Bauchnabel gelegt, die andere auf das Steißbein. Der Körper wird durch kreisende Bewegungen vorn und hinten massiert (ca. 30 Sekunden).
–Eine Hand wird auf den Bauchnabel gelegt, der Daumen der anderen Hand liegt unter der Unterlippe, die vier anderen Finger über der Oberlippe. Mit beiden Händen leicht massieren, so daß es sich angenehm anfühlt.
–Eine Hand wird auf den Bauchnabel gelegt. Daumen und die anderen Finger der anderen Hand werden auf die beiden Grübchen unterhalb des Schlüsselbeins links und rechts vom Brustbein gelegt und massieren diese leicht.
Wieder ins Gleichgewicht kommen
Ziel:Entspannungsförderung, Erhöhung der Aufnahmebereitschaft und Schulung des Gleichgewichts
Die Finger der einen Hand werden in die Grübchen am Hinterkopf gelegt. Die Finger der anderen Hand berühren den Nabel. In dieser Stellung einige Sekunden verharren und gleichmäßig atmen. Danach Hände wechseln.
Energiegähnen
Ziel:Bringt neue Energie, löst Verspannungen und Verkrampfungen nach Anstrengungen, stärkt die Konzentration.
Das Kind massiert das Kiefergelenk, während der Mund weit geöffnet wird. Das Ausatmen geschieht mit einem Hauch. Danach herzhaft gähnen.
3.2 Eutonische Spiele
Eutonie ist eine Methode zur Erfahrung der körperlich-geistigen Einheit des Menschen. Bewußtes Erleben, Wahrnehmen und Fühlen der eigenen Körperlichkeit führt dazu, daß konzentrative, schöpferische und soziale Kräfte entfaltet werden können. Sie ist eine Methode der Persönlichkeitsentwicklung und hilft, die Ich-Wahrnehmung und den Selbstfindungsprozeß von Kindern zu unterstützen. Das Wort Eutonie kommt aus dem Griechischen: „eu“ bedeutet gut, wohl, ausgeglichen, „tonus“ bedeutet Spannung. Versteht man den Begriff Eutonie als eine Zustandsbeschreibung, so wäre das die einer ausgewogenen, bestmöglichen Spannungsqualität. Durch Entspannung und Anspannung kommen Körper, Geist und somit auch die Seele wieder ins Gleichgewicht und sind zu einer größeren Aufnahme und Leistung fähig.
Eutonie ist ein hilfreiches Mittel, um gestreßte, verwirrte, aber auch zurückgezogene, ängstliche, antriebslose Kinder wieder in einen Zustand der Wohlspannung zurückzubringen. Die in diesem Kapitel angebotenen Übungen gehören nicht zu der reinen Eutonie, die speziell ausgebildete Eutonie-Pädagogen anwenden. Es ist eine praxisbezogene Eutonie, die jede Erzieherin ohne Bedenken in ihre alltägliche Arbeit miteinfließen lassen kann....