Erfolg im Job – eine Annäherung
Will man die Spielregeln des Erfolgs untersuchen, gilt es zunächst einmal zu verorten, was Erfolg, genauer gesagt: beruflicher Erfolg, eigentlich ist. Das scheint auf den ersten Blick einfach zu sein. Bei näherer Betrachtung bestätigt sich dieser Eindruck nicht. So lässt sich Erfolg z. B. als das Erreichen von Zielen oder als Summe richtiger Entscheidungen umschreiben. Aber trifft das schon die Essenz? Und vor allem: Sind diese Definitionen universell zutreffend? In der Psychologie wird Erfolg in objektive und subjektive Aspekte unterteilt.
Objektive Aspekte des Erfolgs sind von außen erkennbar und orientieren sich an gesellschaftlichen Normen und Erwartungen. Dazu zählen z. B. Geld, Einfluss und Status.
Dagegen orientieren sich seine subjektiven Aspekte eher an den Werten und Überzeugungen des Einzelnen, wie z. B. Selbstverwirklichung und Sinnhaftigkeit des Handelns.
In einer Studie für dieses Buch wurden über 200 Manager, Unternehmer und Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern des deutsch- und englischsprachigen Sprachraums u. a. gebeten, aus einer Liste mit 26 objektiven und subjektiven Erfolgsfaktoren ihre persönlichen Top-10-Merkmale für beruflichen Erfolg zu identifizieren. Zur Vereinfachung habe ich die einzelnen Bewertungen in folgende Cluster unterteilt.
Objektive Faktoren: | Status, Macht, Geld |
Subjektive Faktoren: | Sinn, Gestalten, Wachstum Entwicklung, Balance, Zeit |
Die Relevanz objektiver Faktoren abhängig vom Managementlevel
Bei den objektiven Faktoren fällt zunächst auf, dass sich die Bedeutung des „Sich von anderen Abhebens“ mit zunehmendem Karrierelevel offensichtlich relativiert (siehe Grafik).
Ist das Bedürfnis nach Status also erst einmal befriedigt, tritt es schnell in den Hintergrund. Ähnliches gilt für den Faktor „Macht und Einfluss haben“. Anders sieht es aus bei dem Aspekt der finanziellen Unabhängigkeit. Dieser nimmt mit fortschreitender Karriere stets zu und spielt auch im Topmanagement noch die größte Rolle, gemeinsam mit dem Faktor „Glücklich sein“, wie wir noch sehen werden. „Andere Menschen führen“ spielt über alle Level hinweg eine gleichbleibend wichtige Rolle. Im höheren Management kommt zudem der Faktor „Andere Menschen fördern“ als bedeutsam hinzu. Auch hierzu erfahren Sie später noch mehr.
Im Bereich der subjektiven Erfolgskriterien rund um Sinn, Gestalten und Wachstum wird in den Ergebnissen zur Studie offensichtlich, dass die idealistische Größe „Etwas Gutes tun“ am unteren Ende der Karriereleiter noch wesentlich bedeutsamer ist als im Topmanagement. Weiterhin wird deutlich, dass die eher abstrakte Dimension „Berufung und Sinn finden“ mit zunehmendem Karrierefortschritt an Bedeutung verliert, während die eher konkrete Dimension „Andere Menschen fördern“ wichtiger wird.
Bei den subjektiven Faktoren rund um die Aspekte Entwicklung, Balance und Zeit drängt sich der Eindruck einer wachsenden Fokussierung hin zum Job auf. Sowohl die Bedeutung von „Gesund sein“ als auch die Aspekte „Zeit für mich haben“ bzw. „Zeit für meine Familie haben“ nehmen in Relation zum Karrierelevel teilweise deutlich ab.
Alles eine Frage der Relation?
Beruflicher Erfolg hat sowohl mit dem Erreichen von individuellen als auch von gesellschaftlichen Zielen zu tun. Was allerdings als Messlatte dafür angelegt wird, unterscheidet sich deutlich nach Karrierelevel und wohl auch nach der jeweiligen Lebensphase. Dabei sind gesellschaftliche Ziele von ihrer Natur her relativ, d. h., sie orientieren sich an anderen. Wie der Volksmund weiß, kommt Reichtum entweder von viel haben oder von wenig brauchen. Wie viel materieller Wohlstand und Lebensstandard also nötig sind, um sich als erfolgreich im Vergleich zu anderen zu fühlen, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Zum einen ist die Peergroup an sich entscheidend, die man für sich wählt. Damit ist die Gruppe Menschen in vergleichbaren Lebenssituationen gemeint, zu denen man gerne gehören möchte. Es liegt im sozialen Wesen des Menschen begründet, sich zu einer Peergroup zugehörig fühlen zu wollen. Dies war in der Evolution des Menschen buchstäblich überlebenswichtig und ist es auch heute noch, nur eben im sozialen Sinne.
Beispiel
Während die relevante Peergroup z. B. für Studenten noch die Kommilitonen sind, sind es für Berufstätige zunächst die anderen Berufseinsteiger, später dann die Kollegen bzw. andere Manager. Auch Nachbarn und Freunde können Peergroups sein.
Neben der Peergroup an sich ist auch die Position wichtig, in der man sich relativ zu dieser konstruierten gesellschaftlichen Gruppierung wähnt bzw. die man innehaben möchte. Strebt man die Zugehörigkeit zu einer Gruppe an, sieht man sich selbst aber noch nicht dort? Oder ist man Teil davon und möchte es bleiben? Oder möchte man sich von einer Gruppe nach oben hin abheben? Warum wir nach einer solchen Positionierung streben, ist zum Teil sicherlich in unseren individuellen Persönlichkeitseigenschaften begründet. Andere Aspekte sind z. B. das regionale Umfeld, in dem man sich bewegt. Was in der Provinz als gehobener Lebensstandard gelten mag, wird in Deutschlands Hochpreis-Städten Frankfurt, München und Hamburg noch nicht mal unterer Durchschnitt sein. Halten wir also fest: Die vermeintlich objektiven Aspekte von Erfolg sind eigentlich keine, denn sie orientieren sich am sozialen, gesellschaftlichen und nicht zuletzt auch am regionalen Parkett, auf dem man sich bewegt.
Die individuellen oder subjektiven Aspekte wie Zufriedenheit und Selbstverwirklichung sind da schon eher als unabhängige Größe zu sehen. Jedoch spielt auch hier die jeweilige Peergroup eine Rolle. So macht der Vergleich mit anderen Kollegen aus einem leicht übergewichtigen, jedoch sportlichen, mit seinem Körper prinzipiell zufriedenen Manager wahlweise ein Sport-Ass oder eine schnaufende Dampflokomotive – eben je nach Peergroup.
Wichtig
Vielleicht fühlten wir uns alle viel erfolgreicher und wären zufriedener, wenn wir uns weniger mit anderen Menschen vergleichen würden.
Die Basis des Erfolgs
Die Studienteilnehmer wurden auch hinsichtlich der Eigenschaften bzw. Fähigkeiten befragt, die es braucht, um nachhaltig beruflich erfolgreich zu sein. Dabei sollten sie aus 30 Faktoren die wichtigsten Aspekte auswählen, die aus ihrer Erfahrung die Basis für eine erfolgreiche Karriere bilden. In der folgenden Grafik sind die Attribute und Skills dargestellt, die aus Sicht der Manager im oberen Karrieresegment von zentraler Bedeutung sind.
Eigenschaften und Fähigkeiten für langfristigen beruflichen Erfolg
Erwartungsgemäß sind zwischenmenschliche Aspekte wie „Empathie“, „Zuhören können“, „überzeugendes Auftreten“ und „Andere begeistern“ für die Befragten sehr wichtig. Ebenso einleuchtend erscheint, dass „Fachkenntnisse“ und „Intelligenz“ zu den obersten Rängen gehören. Weniger offensichtlich mag es hingegen erscheinen, dass Aspekte wie das „Bedürfnis zu führen“ und „Durchsetzungsvermögen“ von vielen nicht als eine übermäßig bedeutsame Voraussetzung für einen erfolgreichen Manager angesehen werden.
Wie ich in den folgenden Kapiteln noch zeigen werde, hat beruflicher Erfolg viel damit zu tun, persönliche Rückschläge und Krisen erfolgreich und konstruktiv zu bewältigen. Dies wird auch hier bereits deutlich, denn „Widerstandsfähigkeit“, „Resilienz“ und „Selbstreflexion“ befinden sich unter den Top-Erfolgsattributen.
Erfolg sieht von innen anders aus als von außen
Denken Sie an einen wirklich erfolgreichen Menschen. Wer fällt Ihnen spontan ein? Vielleicht sind es die Namen bekannter Manager oder Unternehmer, die Ihnen in den Sinn kommen. Von außen, durch die Brille der Medien betrachtet, sieht Erfolg meist einfach und geradlinig aus. Das liegt daran, dass wir dazu neigen, vom aktuellen Erfolgsniveau auf die Vergangenheit einer Person zu schließen. Wir setzen es schlicht voraus, dass der Erfolgreiche schon immer für den Erfolg bestimmt war. Dieses Phänomen wird in der Psychologie auch als Recency-Effekt bezeichnet, d. h., aktuelle Geschehnisse, wie eben die Popularität eines Menschen, prägen unsere Erwartungen an die Ereignisse, die weiter zurückliegen, wie z. B. die Anfänge einer Karriere.
In meiner Arbeit als Executive Coach habe ich mit vielen hundert Managern gearbeitet, die durchaus als erfolgreich bezeichnet werden können. Ich kann Ihnen versichern, dass hinter verschlossenen Türen die individuelle Sicht auf den eigenen Erfolg durch die Bank weg anders aussieht. Die Außenwahrnehmung dieser Menschen, die „es geschafft haben“ entspricht nicht der eigenen Wahrnehmung. Hier stehen vor allem aktuelle oder bereits bewältigte Krisen, Hindernisse oder Rückschläge im Vordergrund, die den Erfolg bedrohen und...