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E-Book

Sports from Hell

Die verrücktesten Sportarten der Welt

AutorRick Reilly
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783104010120
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Dame auf G4, Faust auf die Zwölf Rick Reilly berichtete von den größten Sportveranstaltungen der Welt, aber irgendwann waren ihm Super Bowl, Indy 500 und Wimbledon einfach zu langweilig. Er macht sich auf eine abenteuerliche Suche nach den durchgeknalltesten Sportarten des Planeten - und nimmt selbst an ihnen teil. Reilly schreckt weder vor Schachboxen, Extremsaunieren, ja, noch nicht einmal vor Frettchen in der eigenen Hose zurück und schreibt im wahrsten Sinne des Wortes brüllend komisch über seine waghalsigen Selbstversuche.

Rick Reilly, Jahrgang 1958, ist einer der beliebtesten Sportjournalisten in den USA und wurde bisher elf Mal zum US-Sportjournalisten des Jahres gewählt. Er schrieb knapp 23 Jahre lang für »Sports Illustrated«, bevor er 2007 zu ESPN wechselte, wo er als Kolumnist des Magazins und Gastgeber einer Interviewshow im Fernsehen auftritt. Reilly lebt mit seiner Frau Cynthia in Denver und Hermosa Beach, Kalifornien.

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Leseprobe

1 Sauna-Weltmeisterschaft


Okay, Leute, die Aufgabe für heute: Ihr geht in die nächste Pizzeria in eurer Nachbarschaft, lasst den Ofen auf 127 Grad einstellen und schiebt euch mit dem ganzen Körper hinein. Die Spitzen eurer Ohren fangen Feuer. Die Außenseiten eurer Arme schreien laut. Eure Kehle fühlt sich an, als habe jemand eine Maori-Fackel hineingeschoben. Riesige unsichtbare Waschbären beißen euch in die Lippen. Ihr schwört, nach Alaska zu ziehen. Und ihr seid noch nicht mal dreißig Sekunden drin gewesen.

Jetzt macht das Gleiche über zehn Minuten oder länger, und ihr habt eine Vorstellung davon, wie es ist, an einem Wettkampf im möglicherweise dämlichsten Sport der Welt teilzunehmen: an der Sauna-Weltmeisterschaft.

Ich weiß es schon. Ich habe mitgemacht.

 

Wir befinden uns auf der 9. Jährlichen Sauna-Weltmeisterschaft, ausgetragen in Heinola, Finnland, einem malerischen kleinen Städtchen inmitten zahlloser Seen, ungefähr einhundertvierzig Kilometer nördlich von Helsinki. Ich habe schon über viele faszinierende Sportveranstaltungen berichtet, aber noch nie über Menschen, die in einer kleinen Kammer hocken und schwitzen. Was für Weltmeisterschaften gibt es eigentlich noch? Mittagsschläfchen machen? Sesselpupen? Vor dem Kühlschrank stehen?

KOMMENTATOR: Und jetzt greift Struhdler nach dem übriggebliebenen Thunfisch – nein! Nein! Er wechselt zur Karamellcreme!

Auf der Fahrt dorthin ging mir durch den Kopf, was ein Teilnehmer bei der Sauna-Weltmeisterschaft den Journalisten nachher in der Garderobe erzählen könnte. »Wurde ziemlich heiß. Was soll ich sagen?«

Ich ging die Regeln noch einmal durch. In jeweils »sechsköpfiger Hitze« – so hieß es ganz ohne Ironie – tritt das Teilnehmerfeld von vierundachtzig Männern (darunter ich) und achtzehn Frauen gegeneinander an, um zu sehen, wessen Haut als Letzte kocht. Als Bekleidung sind nur Badehosen zugelassen, die das Bein über maximal zwanzig Zentimeter bedecken. Frauen dürfen einteilige Badeanzüge tragen. Man darf sich den Schweiß aus dem Gesicht, aber nicht vom Körper wischen. Man darf seine Ohren nicht bedecken. Man darf sich nicht zu weit vorbeugen. Man bekommt eine Verwarnung, danach ist man draußen. Krankenwagen stehen einsatzbereit. Viel Glück!

Ob es beim Saunahocken wohl die gleiche Sprücheklopferei wie bei anderen Sportarten gab? Zum Beispiel, wie wär’s denn, wenn ich an meinem ersten Tag mit einer brennenden Winston und einer Tasse Kaffee in die Hitze käme? Ich könnte den anderen fünf einen Blick zuwerfen und sagen: »Hey, wann schalten die das Ding denn ein?« Ans Fenster klopfen und schreien: »Macht’s mal ein bisschen wärmer! Oder soll man sich hier den Tod holen?« Ich könnte auch meinem Banknachbarn zwischen die Beine gucken und sagen: »Das ist irre. Ich dachte, er schrumpft bei KÄLTE.« Ich könnte auch vor der Sauna warten, wenn sechs andere Typen reingehen, und ihnen einen halbfertigen Nudelauflauf mitgeben. »Macht’s euch was aus, den mit reinzunehmen? Er müsste in ungefähr zwanzig Minuten fertig sein.«

Bei ihren Recherchen hatte TLC herausgefunden, dass es eine australische Glücksspiel-Website gab, die die Quoten festsetzte. Der dreifache Rekordhalter Timmo (der Große) Kaukonen war Favorit mit 2,15 zu 1. Ich stand mit 101 zu 1 in der Liste.

Schön wär’s.

Zunächst mal: Außer den Finnen hat noch niemand die Sauna-Weltmeisterschaft gewonnen. Genauer gesagt, außer den Finnen hat noch niemand das sechsköpfige Finale erreicht. Es gibt 5,2 Millionen Finnen und drei Millionen Saunen. Der Sage nach sind die meisten Finnen in der Sauna geboren. Für einen Finnen ist die Sauna ein heiliger Ort. Andererseits, das ist die Hölle auch.

Zweitens: Ich hätte nicht mal bei 1 000 001 zu 1 auf mich gewettet. Zu dem Zeitpunkt war ich fünfmal in meinem Leben in der Sauna gewesen. Ich hatte ungefähr so große Chancen wie eine neapolitanische Eiswaffel. Aber als ich die Website sah, wurde mir auch klar, wie einfach es für Timmo den Großen wäre, dabei abzusahnen. Er brauchte ja nur auf seinen Hauptkonkurrenten zu setzen (einen jungen Kerl namens Markku mit einem Charlie-Chan-Schnurrbart), bis zum Zweierfinale dabeizubleiben und dann sofort auszusteigen, so dass »Fu Manchu« Markku gewann. Er müsste es nur echt aussehen lassen. Wäre ja unangenehm, wenn der Schiedsrichter sagen würde: »Äh, Timmo … ob du wohl warten könntest, bis wir die Sauna eingeschaltet haben?«

Als wir ankamen, stand Heinola schon unter Volldampf. Es handelt sich um ein Ereignis von überregionaler Bedeutung, über das sogar im Fernsehen berichtet wird, und in allen Kneipen herrschte saunationale Begeisterung. In einer waren sechs Typen, schon jetzt volltrunken, mit weiß-grün angemalten Gesichtern und mit Rentier-Pulverhörnern in ihren Umhängetaschen (Damit dein Horn steif bleibt, stand auf den Taschen, nicht zu lange im Mund behalten!) und Birkenzweigen an den Gürteln. Die Finnen nehmen solche Ruten mit in die Sauna und klatschen sich damit auf den Rücken, um den Blutkreislauf anzuregen.

»Wir sind für Redneck und Ironback!«, schrie einer der Weißgrünen – ein Mann namens Samu – aus voller Brust. »Einer von beiden wird Meister!« Saunisten hatten Spitznamen? Wer konnte das wissen? Und wie würde ich dann heißen? Babyback?

Samu war erstaunlich betrunken für elf Uhr vormittags. »Du gehst da rein?«, sabberte er und starrte mich fassungslos an. »Hör mal, ich bin Finne, und nicht mal ich gehe da rein!« Dann hängte er sich an TLC und wollte wissen, was sie so machte. »Ich bin Lehrerin«, sagte sie. Er kam bis auf zwei Fingerbreit an ihr Gesicht heran, so dass sein Finlandia-Atem ihre Wimpern welken ließ, und sagte: »Und ich bin ein Säufer.«

Ach was?

Bei der Registrierung musste ich mein Hemd ausziehen, und man schrieb mir mit Filzstift eine »82« auf jeden Bizeps – meine Wettkampfnummer. Ich erfuhr, dass ich in einer Hitze mit dem Tiger Woods der Saunisten gelandet war, mit dem dreifachen Champion und Favoriten Timmo dem Großen. Und im selben Augenblick – wie auf ein Stichwort – rollte sein gigantisches, von einer Saunafirma gesponsertes und mit einer Sauna ausgestattetes Wohnmobil draußen an. Der Mann reiste sogar in einer Sauna.

Schatzi, ich fahre rasch in den Supermarkt, Milch holen und eine Runde schwitzen. Willst du auch was?

Timmo der Große watete durch eine Gruppe von Autogrammjägern (kein Witz) und blieb mit einer Literflasche Wasser in der Hand am Registrierungstisch stehen. Seine Haut ist dauerhaft kirschrot und sieht hart und glänzend aus, wie bei einem frischlackierten Auto. Er hat lange blonde Haare (wie sich herausstellt, schützen sie die Ohren), und er ist stämmig, untersetzt, vielleicht ein bisschen mollig. Er hat schmale Lippen (auch eine gute Eigenschaft für einen Saunisten – Angelina Jolie wäre hier furchtbar schlecht geeignet). Timmos Puls steigt im Wettkampf bis auf 200, und er absolviert tatsächlich ein aerobisches Training mit viel Radfahren und Laufen. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, warum. Er ist außerdem sehr still. Man darf hier aber auch kein Mensch sein, der viel Bewegung braucht. Man muss glücklich sein, wenn man einfach dasitzen darf, zumal wenn die Organe im Leib zu kochen anfangen.

Kurz gesagt, er ist der berühmteste Saunist der Welt. Wahrscheinlich gibt es ein spezielles Birkenruten-Rückenpeitsch-Modell mit seiner Unterschrift.

Mit Hilfe eines Dolmetschers interviewte ich ihn.

ICH: Wie viel Zeit verbringen Sie momentan in der Sauna?

TIMMO DER GROSSE: Alles in allem, Tag und Nacht, ungefähr zwanzig Sitzungen täglich.

ICH: O mein Gott! Bei welcher Temperatur?

TIMMO DER GROSSE: In letzter Zeit waren’s ungefähr 140 Grad Celsius.

ICH: Gütiger Himmel! Trinken Sie vor dem Wettkampf viel Wasser oder so was?

TIMMO DER GROSSE: O ja, ungefähr zehn Liter am Tag in den letzten drei Tagen. (Er lächelt über meine Reaktion.) Sie doch sicher auch, oder?

ICH: Gilt Bier auch?

TIMMO DER GROSSE: Nein.

Ich war am Arsch.

Weil ich einer der ersten Amerikaner war, die jemals an der Sauna-Weltmeisterschaft teilgenommen hatten, durfte ich auch ein paar sehr kleine Interviews geben. Alle möglichen Fernsehteams waren hier – aus der Ukraine, aus Schweden, Deutschland und Russland. Abwechselnd tat ich so, als dächte ich, die Wettkampfteilnehmer führten die Sauna oder es handelte sich um einen Heißbadewettbewerb, und manchmal behauptete ich, ich hätte für den Wettkampf trainiert, indem ich Jalapeños gegessen hätte. Ich hatte meinen Basketball-Kumpel aus Wisconsin mitgebracht, den eins neunzig großen Billy »Thor« Pearson mit seinem dichten weißen Haar, und er schaltete sich hin und wieder hilfreich ein, als wäre er mein Pressesprecher. »Rick hat keinen Zugang zu einer Sauna«, vertraute er einem Reporter an. »Deshalb sitzt er einfach bei Zimmertemperatur, aber dafür sehr, sehr lange.«

Alle nickten ernsthaft.

Es gab alle möglichen sonderbaren Teilnehmer. Ein japanischer Schlagersänger war da, ein Teenie-Idol namens Kazumi Morohoshi. Er wurde auf Schritt und...

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