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Stephen Hawking: Denken ohne Grenzen

Mit Beiträgen u. a. von Brian Greene, Reinhold Beckmann, Michio Kaku, Vince Ebert, Harald Lesch, Leonard Mlodinow, Ulrich Walter und Ian Stewart

VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783644406773
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Am 300. Todestag von Galileo Galilei kam er auf die Welt, am Geburtstag von Albert Einstein, dem 139., verließ er sie wieder. Stephen Hawking ist zweifellos der berühmteste Wissenschaftler unserer Zeit gewesen. Kein Wissenschaftler, Einstein vielleicht ausgenommen, hat die Menschheit in den letzten hundert Jahren und bis heute so fasziniert. Nie zuvor hat ein Mensch die Phantasie von Millionen über die Entstehung des Universums und unseren Platz darin derart entflammt. Er stellte die großen Fragen der Astrophysik neu und bis zuletzt auch die großen Fragen an die Zukunft der Menschheit. Über das Thema, das ihn berühmt machte, die Existenz und Eigenschaften Schwarzer Löcher, hat er das meistverkaufte Sachbuch des 20. Jahrhunderts geschrieben: 'Eine kurze Geschichte der Zeit'. In diesem Buch erinnern bekannte Zeitgenossen, große Physiker, Weggefährten wie frühere Schüler und Ko-Autoren an Stephen Hawking. Sie berichten davon, wie es war, mit ihm zu forschen und zu arbeiten; sie erklären die Bedeutung seines Werkes, sie würdigen seine Verdienste um die Physik ebenso wie die wie um ihre Popularisierung; sie gehen seiner Bedeutung für unser Weltbild nach - und sie erzählen von ihren Begegnungen mit ihm und wie Stephen Hawking persönlich war und lebte. Eine vielseitige und inspirierende Würdigung und Auseinandersetzung mit einem Menschheitsgenie, dessen Faszination noch lange fortwirken wird. Mit Beiträgen von: Reinhold Beckmann, Martin Bojowald, Judith Croasdell, Vince Ebert, Brian Greene, James Hartle, Sabine Hossenfelder, Harald Lesch, Michio Kaku, Christoph Krachten, Hubert Mania, Leonard Mlodinow, Uwe Naumann, Roger Penrose, Ian Stewart, Frank Strickstrock, Marika Taylor und Ulrich Walter.

Frank Strickstrock, geboren 1957, studierte in Aachen Germanistik und Sozialwissenschaften, war von 1984 bis 1990 Redakteur der Westdeutschen Zeitung in Düsseldorf und am Niederrhein und arbeitet seitdem beim Rowohlt Verlag, zunächst als Lektor und Herausgeber der politischen Taschenbuchreihe rororo aktuell und seit 2000 im Allgemeinen Sachbuch. Seither betreut er auch die deutschen Ausgaben der Bücher von Stephen Hawking und stellte zudem zwei Lesebücher mit Texten von Hawking zusammen. Er lebt in Hamburg. Bernd Schuh, geboren 1948  ist Physiker, Dozent, Journalist, Autor und Übersetzer. Er studierte Mathematik, Physik und Chemie in Köln, wurde 1977 promoviert und habilitierte sich 1982 in Physik. Er ist Träger des Georg von Holtzbrinck Preises für Wissenschaftsjournalismus.  Monika Niehaus, Diplom in Biologie, Promotion in Neuro- und Sinnesphysiologie, freiberuflich als Autorin (SF, Krimi, Sachbücher), Journalistin und naturwissenschaftliche Übersetzerin (englisch/französisch) tätig. Mag Katzen, kocht und isst gern in geselliger Runde. Trägerin des Martin-Wieland-Übersetzerpreises 2021. Hubert Mania, geboren 1954. Studium der Germanistik und Anglistik. Danach selbständiger Konzertveranstalter und Manager eines Kulturzentrums. 1987 erschien bei Rowohlt sein Roman «Scintilla Seelenfunke». Übersetzung populärwissenschaftlicher Bücher, Mitredakteur bei Stephen Hawkings Büchern «Eine kurze Geschichte der Zeit» und «Das Universum in der Nussschale». Hubert Mania lebt als Autor und Übersetzer in Braunschweig. Weitere Bücher bei Rowohlt: «Gauß. Eine Biographie» (2008), «Kettenreaktion. Die Geschichte der Atombombe»(2010). Michio Kaku, geboren 1947, ist einer der Väter der Stringtheorie und zählt zu den berühmtesten Physikern der Welt. Er arbeitet und lehrt als Professor für theoretische Physik an der City University of New York. Wie Albert Einstein und Stephen Hawking ist er auf der Suche nach der einen Theorie von allem zur Erklärung der fundamentalen Kräfte der Natur. Leonard Mlodinow, Physiker und Autor, lehrte am California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena. Er promovierte an der University of California in Berkeley zum Doktor der Physik und war u. a. Alexander-von-Humboldt-Stipendiat am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München. Weltbekannt wurde er als Koautor von Stephen Hawking mit den Bestsellern 'Die kürzeste Geschichte der Zeit' und 'Der Große Entwurf'. Neben Lehr- und Sachbüchern hat er auch Drehbücher für die TV-Serien MacGyver und Star Trek: The Next Generation geschrieben. Bei Rowohlt erschienen seine internationalen Bestseller 'Feynmans Regenbogen' und 'Wenn Gott würfelt'. Ian Stewart, geboren 1945, ist der beliebteste Mathematik-Professor Großbritanniens. Seit Jahrzehnten bemüht er sich erfolgreich, seine Wissenschaft zu popularisieren. Er studierte Mathematik in Cambridge und promovierte an der Universität Warwick. Dort ist er heute Professor für Mathematik und Direktor des Mathematics Awareness Center. Seit 2001 ist Stewart zudem Mitglied der Royal Society. Er lebt mit seiner Familie in Coventry. Der promovierte Physiker und Astronaut Ulrich Walter war 1993 nach fünfjähriger intensiver Vorbereitung mit der deutschen Weltraummission D2 im All. Als Nutzlast-Spezialist war er für die deutschen Experimente im Spacelab verantwortlich. Danach leitete er das Satellitenbildarchiv des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Seit 1998 ist er Programmmanager bei IBM und moderiert das Wissenschaftsmagazin 'MaxQ' im Bayerischen Fernsehen. Der heute 48jährige ist verheiratet und hat zwei Töchter. geboren 1956 in Twistringen bei Bremen, Journalist und TV-Moderator, lebt in Hamburg. Entwickelte u. a. die Sportsendungen 'ran' und 'ranissimo'.

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Leseprobe

Frank Strickstrock Der Baum der Erkenntnis – eine Einleitung


Am Anfang der Kurzen Geschichte der Zeit steht eine Anekdote, die mich sehr beschäftigt hat. Das heißt, Stephen Hawking präsentiert eine Anekdote, aber in Wahrheit ist es ein Schöpfungsmythos: Ein namhafter Wissenschaftler, «man sagt, es sei Bertrand Russell gewesen», hält einen öffentlichen Vortrag über das Sonnensystem und die Milchstraße, und am Ende meldet sich eine alte Dame zu Wort und setzt unserem modernen astronomischen Weltbild eine eigene Theorie entgegen: «In Wirklichkeit ist die Welt eine flache Scheibe, die von einer Riesenschildkröte auf dem Rücken getragen wird.» Ein wenig spöttisch fragt der Wissenschaftler nach, worauf denn dann die Schildkröte stehe. «Sehr schlau, junger Mann», antwortet die Frau und erklärt: auf immer weiteren Schildkröten, bis ganz hinunter.

Ein vieldeutiges Bild, und es reißt in wenigen Sätzen an, was Hawking im Kern immer wieder wichtig war. Woher kommt das Universum? Was ist unser Platz darin? Gibt es einen Anfang? Und also ein Ende? Worauf beruht eigentlich unser Denken und Wissen (zum Beispiel einem Schildkrötenturm gleich auf der Arbeit von zahllosen Generationen von Denkern und Forschern), und wird die Wissenschaft jemals eine einheitliche Theorie dafür haben, welche Kräfte unsere Welt im ganz Großen und im ganz Kleinen bewegen? Sodass den Schöpfungsmythen eine vollständige wissenschaftliche Erklärung an die Seite gestellt wird, die ohne Mythen auskommt und ohne Gott? Oder ist das selbst ein Mythos? Zeit seines Forscherlebens hat Hawking immer aufs Neue nach Antworten auf Fragen gesucht, die Menschen zu allen Zeiten umgetrieben haben auf der Suche nach Sinn. Warum glauben wir, es besser zu wissen?, fragt er am Ende der Anekdote. Und da er natürlich weiß, dass Astronauten von Jurij Gagarin bis Ulrich Walter dort oben keine Schildkröten gesehen haben, meint er wohl: Wie weit weg sind wir von solchen Mythen schon? Das Besondere an Stephen Hawking war, dass er sich und sein Denken stets hinterfragt hat, von Anfang an.

Andererseits war er ein Meister der Selbstironie, eine weitere faszinierende Facette seines Wesens. Oder er wollte vielleicht mit seiner Anekdote auch nur den großen Vorgänger aus Cambridge ehren? Sie ist hernach oft zitiert worden, allerdings habe ich nie eine Quelle dazu gesehen. Vielleicht – und wie schön wäre das denn! – hat er sie in dieser Form ja einfach gut erfunden. Oder eine mündliche Überlieferung recht frei gestaltet. Sicher wird irgendwann neben dem großen Physiker und Kosmologen auch der Schriftsteller Hawking zum Gegenstand von Forschungsinteresse werden.

Der Schildkrötenmythos übrigens kommt in mehreren Kulturen vor, am bekanntesten ist die indische Variante, in der die Welt auf einem Elefanten ruht, der wiederum auf einer riesigen Schildkröte steht (die Schildkröte gehört im Hinduismus zu den zehn Verkörperungen Vishnus). Und Bertrand Russell nimmt darauf immerhin mindestens einmal Bezug. Er erwähnt ihn in seiner Schrift «Warum ich kein Christ bin» (1927), um zu erklären, dass die Idee, alles müsse einen Anfang haben, womöglich in Gott, einzig der Armut unserer Vorstellungskraft entspringe. Hawking sah es auch so, wenngleich er bekanntlich diese Pointe am Schluss seines bekanntesten Buches gestrichen hat.

 

Jeder von uns erinnert sich vermutlich an Ereignisse, die unseren Horizont erweitert, vielleicht sogar unser Denken und Fühlen, unsere Sicht auf die Welt verändert haben, eine Art mythische Kraft auf uns ausübten. Ein Bild, ein Foto, ein Film, eine Skulptur, ein Musikstück, ein Buch. Mein Buch war 1988 Eine kurze Geschichte der Zeit. Es war der Sachbuch-Bestseller schlechthin, und es war nicht schwer, darauf aufmerksam zu werden. Urknall, Zeitpfeil, Universum, das war eine andere Welt als die, in der ich damals lebte. Es sollte in dem Buch mindestens ein Kapitel geben, das wir Normalsterblichen nicht verstehen, das reizte mich noch mehr. Nun, ich arbeitete damals als Zeitungsredakteur am Niederrhein, sehr weit weg vom Urknall, und habe es ebenfalls nicht verstanden. Heute weiß ich, dass das im Prinzip auch für den ganzen Rest gilt. Zumal was die mathematisch-physikalischen Formeln anbelangt, auf deren Fundament die Physiker ihre Bildersprache aufbauen, damit unsere Horizonterweiterung sich auch ohne die Mathematik ereignen kann. Jedenfalls gehört die Kurze Geschichte der Zeit zu den Büchern, die auch meine Welt verändert haben. Damals hätte ich mir nicht träumen lassen, wie nah ich ihrem Autor einmal kommen und dass ich später die deutschen Ausgaben seiner Bücher als Lektor betreuen würde.

Die Geburtshelfer der deutschen Ausgabe aber, die im selben Jahr mit der englischen erschien, waren der Lektor Jens Petersen und der Übersetzer Hainer Kober. Als Wissenschaftslektor stand ihnen damals Dr. Bernd Schmidt zur Seite, später war es Marcus Pössel, und heute erfüllt Bernd Schuh diese Rolle. Jens Petersen war durch einen Bericht im Spiegel schon einige Zeit vor dem berühmten Buch auf Hawking aufmerksam geworden und begann, sich für den Forscher und sein Thema zu interessieren. Auf der nächsten Buchmesse kaufte er die erste Biographie über Hawking ein: John Boslough, Jenseits des Ereignishorizonts. Stephen Hawking’s Universum. Es erschien 1985, drei Jahre vor der Kurzen Geschichte der Zeit, bei Rowohlt und enthält jenen Satz Hawkings, der seitdem immer wieder zitiert wird: «Mein Ziel ist einfach. Es ist das vollständige Verstehen des Universums – warum es so ist, wie es ist, und warum es überhaupt existiert.» Es folgte, kurz vor dem Bestseller, ein Bändchen mit drei Aufsätzen: Über das Universum.

In der Fachwelt war Hawking längst eine Legende, in der Öffentlichkeit aber noch nicht ganz so bekannt. Deshalb war es durchaus nicht selbstverständlich, dass das Buch, auf der Basis von drei Kapiteln in Lizenz genommen, derart reüssieren würde. «Und das Thema war vollkommenes Neuland» (Petersen). Alle mussten sich einarbeiten, auch der Übersetzer Hainer Kober, heute der wohl bekannteste und im Übrigen preisgekrönte Übersetzer des Genres. Terminologische Fragen waren zu klären, nachdem das Manuskript im Verlag war. Es kam im späten Jahr 1987 mitten in der Nacht in der Reinbeker Villa des Verlags an – per Fax.

Der Lektor zog sich im Frühjahr 1988 mit der Übersetzung in das Haus des befreundeten Autors Hubert Mania zurück, ein früher Hawking-Fan, der später die Rowohlt-Bildmonographie über ihn verfasste. Ein Häuschen im Garten im idyllischen, aber wetterwendischen Hemkenrode im Braunschweiger Land. Die Arbeit war fast getan, als eine heftige Windböe durch das offene Fenster des Gästezimmers im Obergeschoss fegte und gut die Hälfte des Manuskripts mit sich nahm. Nun hingen die Blätter in der ansonsten noch recht kahlen Esche vor dem Fenster, wie sich Hubert Mania bis heute lebhaft erinnert. Er griff sich eine Leiter, «und so ernteten wir neueste astronomische Erkenntnisse und bizarre quantentheoretische Vorhersagen vom Baum». Seine Esche sei damit für kurze Zeit zum «Baum der Erkenntnis» geworden. Acht Seiten fehlten am Ende, Hainer Kober musste sie noch einmal neu liefern – per Post.

Jens Petersen hat Stephen Hawking zweimal getroffen, ich traf ihn einmal. Mein Vorgänger sah ihn zum ersten Mal 1999 auf der Konferenz «Strings 99» in Potsdam (auf die auch Ulrich Walter anspielt); sie fand am alten Einstein-Institut statt, dem Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, und versammelte fünf Tage lang 400 weltweit führende String-Theoretiker, darunter auch Edward Witten. Hawkings Beitrag zur gemeinsamen Suche nach der «Weltformel» lautete: The Universe in a Nutshell. So, Das Universum in der Nussschale, hieß auch zwei Jahre später sein zweites populäres Buch. Es erschien als einziges großes Hawking-Buch im Verlag Hoffmann&Campe, wohin Petersen inzwischen gewechselt war. Jeder für sich trafen wir ihn dann 2005 auf der Frankfurter Buchmesse. Es war sein zweiter und letzter großer Auftritt in Deutschland.

Meine Geschichte geht so: Hawking kam Mitte Oktober 2005 nach Berlin und Frankfurt, um sein neuestes, gemeinsam mit Leonard Mlodinow verfasstes Buch Die kürzeste Geschichte der Zeit vorzustellen. Die deutsche Ausgabe – wir strengten uns an, das stets zu erreichen – erschien zeitgleich mit der englischen, sodass ein großer Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse geplant wurde. Stephen Hawking und seine achtköpfige Entourage aus Pflegern und wissenschaftlichen Assistenten, angeführt von seiner Ehefrau Elaine, seiner persönlichen Assistentin Judith Croasdell und seinem wissenschaftlichen Assistenten David Pond, absolvierten eine siebentägige Reise; auf dem Programm standen Meetings und Dinners, ein Besuch in der Komischen Oper («Madame Butterfly»), am Sonntag sein zweiter Talkshow-Auftritt überhaupt bei Reinhold Beckmann, am Montag ein Vortrag an der Freien Universität Berlin im Rahmen der «Einstein Lectures» («The Origin of the Universe») in Dahlem, am Dienstag die Reise nach Frankfurt sowie ein Empfang für seine sämtlichen internationalen Verlage, zu der seine Agentur Writers House einlud, und am Mittwoch der Besuch der Buchmesse.

Ich reiste nach Berlin-Adlershof, die deutsche Ausgabe der Kürzesten Geschichte im Gepäck. Und fand mich irgendwann nach einigem Suchen und Reden in einem Seitenraum des Filmstudios wieder, in dem das Gespräch mit Beckmann aufgezeichnet werden sollte. Ein malerisches Tableau: vor mir Professor Hawking in seinem legendären Rollstuhl, dahinter im...

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