11. Kapitel
Einkommensteuer
I. Allgemeines
Das Einkommensteuergesetz (EStG) regelt die Besteuerung aller Steuerpflichtigen nach einheitlichen Grundsätzen. Zielsetzung ist es, jeden nach seiner individuellen Leistungsfähigkeit zur Einkommensteuer heranzuziehen.
Familien mit und ohne Kinder erhalten dabei im deutschen Steuerrecht zahlreiche Vergünstigungen, wie beispielsweise das Ehegattensplitting oder das Kindergeld, bzw. der Kinderfreibetrag, um nur die bekanntesten Regelungen aus dem Einkommensteuerrecht zu benennen.
Unter dem Begriff „Familie“ werden im deutschen Sprachgebrauch aber nicht nur verheiratete, heterosexuelle Ehepaare verstanden. Gerade jüngere Menschen sehen heute nicht mehr die Notwendigkeit zu heiraten. Selbst wenn Kinder aus einer Beziehung hervorgehen. Die Zahl der Familien ohne Trauschein, die so genannten nichtehelichen Lebensgemeinschaften, steigt ständig.
Seit dem 1.8.2001 haben auch gleichgeschlechtliche Partner die Möglichkeit zu „heiraten“, eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen. Bei allen Regelungen, aus welchen sich steuerliche Begünstigungen für Familien ergeben, stellt sich die Frage, ob diese auch auf eingetragene Lebenspartner, nichteheliche Lebensgemeinschaften oder auch bereits auf Verlobte Anwendung finden.
2Nichteheliche Lebensgemeinschaften, gleich ob homo- oder heterosexuell oder verlobt, leben ohne Trauschein zusammen. Sie gehen gegenseitig keine Verpflichtungen ein. Für nichteheliche Lebensgemeinschaften und Verlobte gelten sämtliche Vergünstigungsvorschriften des EStG nicht. Auch wenn die Lebensgefährten seit Jahren zusammen leben, zusammen wirtschaften, vielleicht gemeinsame Kinder haben, im Endeffekt wie ein Ehepaar auftreten, werden sie diesen nicht gleichgestellt. Dieses verbietet Art. 6 Abs. 1 GG (Grundgesetz), welcher nur Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der Verfassung stellt.
Von eingetragenen Lebenspartnern spricht man bei gleichgeschlechtlichen Paaren, welche nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz verpartnert sind, also „geheiratet“ haben. Mit der Eheschließung, formaljuristisch die Verpartnerung, erhalten sie zivilrechtlich dieselben Rechte und Pflichten wie ein heterosexuelles Ehepaar. Sie sind gegenseitig gesetzlich erb- und damit auch pflichtteilsberechtigt. Sie müssen füreinander einstehen, sich gegenseitig unterhalten. Ist der eine Partner hierzu finanziell nicht in der Lage, muss der andere, leistungsfähige Partner einspringen, bevor staatliche Hilfe in Anspruch genommen werden kann. Mit einer Trennung und Scheidung entstehen gegenseitige gesetzliche Unterhaltspflichten.
Sehr strittig und sehr kontrovers diskutiert wurde bisher die Frage der Anwendung der einkommensteuerlichen Vorschriften für Ehegatten auf Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Obwohl sie zivilrechtlich vollständig wie Ehegatten behandelt werden, hatte das Steuerrecht diesen Schritt nur in einigen Bereichen vollzogen.
Vollständig verweigert wurde die Gleichstellung im Rahmen der Einkommensteuer. Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft wurden nach der Grundtabelle versteuert, Kosten aus einer doppelten Haushaltsführung wurden nicht als Werbungskosten anerkannt. Die Erläuterung der einzelnen Begriffe erfolgt im Einzelnen weiter unten in den entsprechenden Kapiteln.
Befürworter der Gleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft beriefen sich darauf, dass Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft gleich zu behandeln sind. Sie haben nach dem Zivilrecht die gleichen Rechte und Pflichten, dann sind ihnen auch 3beiden die Vergünstigungen aus dem Einkommensteuerrecht zu gewähren. Ansonsten läge ein Verstoß gegen Art. 3 GG, das Gleichheitsgebot vor. Danach sind alle Menschen in vergleichbaren Sachverhalten gleich zu behandeln.
Diese Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft wurde seitens des Bundesfinanzhofes (BFH) zuerst nicht als verfassungswidrig angesehen. In seinen Urteilen vom 26.1.2006, AZ III R 51/05 und vom 20.7.2006, AZ III R 8/04 sah es in der Ungleichbehandlung keinen Verstoß gegen Art 3 Abs. 1 GG und bestätigte, dass der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG nur heterosexuellen Ehegatten zusteht. Gegen diese beiden Entscheidungen wurde durch die Betroffenen Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt, AZ 2 BvR 909/06 sowie 2 BvR 288/07.
Mit Beschluss vom 7.5.2013, veröffentlicht am 6.6.2013, hat das Bundesverfassungsgericht die Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern bei der Anwendung des Ehegattensplittings als verfassungswidrig erklärt, da ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG gesehen wurde.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss der Gesetzgebung aufgegeben, die Rechtslage rückwirkend auf den 1.8.2001 zu ändern. Bis dies erfolgt ist, sind die bestehenden Regelungen zum Ehegattensplitting auch für eingetragene Lebenspartnerschaften anzuwenden. Zum 15.07.2013 wurde § 2 EStG ein neuer Absatz 8 angehängt. Danach sind die Regelungen des Einkommensteuergesetzes zu Ehegatten und Ehen auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden.
Expertentipp: Lohnsteuerklassen
Soweit die Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft die Veranlagungen der einzelnen Jahre durch die Einlegung eines Einspruchs offen gehalten haben, werden die Finanzämter in der nächsten Zeit die Zusammenveranlagung durchführen. Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sollten auch daran denken, die Lohnsteuerklassen zu wechseln, sollte dies ihnen einen finanziellen Vorteil verschaffen.
4Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war absehbar.
In seiner Entscheidung vom 7.7.2009, AZ 1 BvR 1164/07, hat das Bundesverfassungsgericht die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Rahmen von betrieblichen Hinterbliebenenversorgungen für verfassungswidrig erklärt und die Gleichbehandlung angeordnet
Mit zwei weiteren Entscheidung vom 21.7.2010, AZ 1 BvR 611/07 sowie AZ 1 BvR 2464/07, hat das Bundesverfassungsgericht einen Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der Erb- und Schenkungsteuer als Verstoß gegen Art 3 Abs. 1 GG für verfassungswidrig erklärt.
Bis dahin wurden Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft wie fremde Dritte zueinander behandelt. Ehegatten wurden in Steuerklasse I, eingetragene Lebenspartner in Steuerklasse III eingeordnet. Aus der Einordnung in eine Steuerklasse ergeben sich die Höhe der Freibeträge und die Steuersätze. Stand dem Ehegatten für freigiebige lebzeitige Zuwendungen oder Erwerbe von Todes wegen ein Freibetrag in Höhe von EUR 500.000,00 zu, konnte der eingetragene Lebenspartner lediglich einen steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von EUR 20.000,00 steuerfrei erhalten. Ein Ehegatte versteuerte einen über den Freibetrag hinausgehenden Erwerb mit einem Eingangssteuersatz von 7%, der eingetragene Lebenspartner mit einem Steuersatz von 30%. Ehegatten steht bei einem Erwerb von Todes wegen vom anderen Ehegatten ein weiterer Versorgungsfreibetrag in Höhe von EUR 256.000,00 zu, eingetragenen Lebenspartnern wurde dieser versagt. Dies führte zu sehr unterschiedlichen steuerlichen Belastungen.
Max und Johanna sind verheiratet, Max stirbt und hinterlässt Barvermögen in Höhe von EUR 800.000,00. Johanna kann hiervon einen persönlichen Freibetrag in Höhe von EUR 500.000,00 und einen Versorgungsfreibetrag in Höhe von EUR 256.000,00 in Abzug bringen. Sie versteuert damit einen steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von EUR 44.000,00 mit einem Steuersatz von 7% und zahlt Erbschaftsteuer in Höhe von EUR 3.080,00.
5Sind Max und Moritz sind eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen. Max stirbt. Moritz konnte lediglich einen Freibetrag in Höhe von EUR 20.000,00 geltend machen. Er versteuerte EUR 780.000,00 mit einem Steuersatz von 30% und zahlt eine Erbschaftsteuer in Höhe von EUR 234.000,00.
Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts wurde das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz angepasst. Seit dem 1.1.2011 werden eingetragene Lebenspartner in die Steuerklasse I eingeordnet, erhalten einen persönlichen Freibetrag in Höhe von EUR 500.000,00, können den weiteren Versorgungsfreibetrag geltend machen und versteuern darüber hinausgehende Erwerbe mit einem Eingangssteuersatz von 7%. Sie wurden den Ehegatten im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer vollständig gleichgestellt.
II. Einführung in das Einkommensteuerrecht
1. Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer
Der deutschen Einkommensteuer wird das zu versteuernde Einkommen eines jeden Steuerpflichtigen unterworfen. Dieser Begriff ist nicht mit dem tatsächlichen monatlichen Nettoeinkommen gleichzusetzen; das zu versteuernde Einkommen ist grundsätzlich niedriger als das tatsächliche Nettoeinkommen. Das Einkommensteuergesetz sieht gerade für Ehepaare und Kinder zahlreiche steuerliche Vergünstigungen vor, welche familiär bedingte finanzielle Mehrbelastungen erleichtern und abmildern sollen. Hier sind der für Ehegatten vorgesehene Splittingtarif, die Möglichkeit des Abzuges verschiedener Aufwendungen für Kinder, besondere Freibeträge für diese oder auch das Kindergeld nur beispielhaft zu nennen. Diese werden im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer durch die Finanzämter teilweise von Amts wegen, teilweise auf Antrag berücksichtigt und mindern das tatsächliche Nettoeinkommen des Steuerpflichtigen.
6In einem ersten Schritt...