„Sie wollen geliebt, geachtet und verstanden werden und brauchen uns Erwachsene als Mutmacher und Wegbegleiter auf ihrem Weg zu einem eigenständigen, sinnerfüllten Leben.“ (Barth-Scalmani & Steinkellner, o.J., S. 135). Dieser Ausspruch stammt von der ehemaligen Direktorin der Heilstättenschule Salzburg, die mit ihrer Aussage nicht nur die Arbeit von PädagogInnen im Allgemeinen, sondern der HeilstättenlehrerInnen im Besonderen beschreibt. Bei genauerer Betrachtung ließe sich diese Aussage als eine Art Leitspruch, eine Zielsetzung oder einer Kurzbeschreibung dessen darstellen, was Schülerberatung an Heilstättenschulen, Klinikschulen und Schulen für Kranke bedeuten kann. Zu Beginn des Kapitels muss jedoch der Begriff Beratung erläutert werden.
Beratung grenzt sich klar von der Therapie ab. Beratung beruht auf Freiwilligkeit, läuft in mehreren Phasen ab und ist normalerweise zeitlich kürzer als eine Therapie. Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit der Definition, dem Ziel, dem schulischen Kontext bis hin zur Abgrenzung zur Therapie.
Wie kann Beratung definiert werden? Einzelne Definitionen sollen das Ziel und die Phasen einer Beratung erläutern.
„Das Beratungsgespräch kann definiert werden als eine besondere zwischenmenschliche Interaktionsform, die im Gegensatz zum Alltagsgespräch planvoll, fachkundig und methodisch geschult durchgeführt wird und die auf einer beidseitigen Verbindlichkeit, Verantwortung und auf einem arbeitsfördernden Vertrauensverhältnis beruht.“ (Mutzeck, 2005, S. 14) Mutzeck geht noch einen Schritt weiter und weist der Beratung noch zwei Bereiche zu:
Beratung als vertrauensvolle, zielgerichtete, nach Rat suchende Interaktion hat sich in der Pädagogik unterschiedlich etabliert. Einerseits ist Beratung als eine Form erzieherischen Handelns zu sehen, bei der Bevormundung und Druck vermieden werden und die dem Ziel der Lern- und Lebensgestaltung und einer sozialen Selbstverwirklichung der zu Erziehenden dient. Andererseits ist Beratung ein pädagogisch-psychologischer Prozess der Hilfe unter sachkundiger Anwendung von (wissenschaftlichen) Theorien und Methoden. Hier geht es um die systematische und verbindliche Hilfe zur Bewältigung von Problemen. (Mutzeck, 2005, S. 12f)
Kobi beschreibt in seiner Definition einerseits die notwendigen Kenntnisse auf der BeraterInnenseite und andererseits die Erfordernisse auf der Seite der ratsuchenden Person:
Beratung ist einzelfallbezogene Information und soll eine Hilfe sein zur Problem- und Konfliktlösung. Sie hat seitens des Beraters einschlägige Sach- und Fachkenntnisse, aufseiten des Ratsuchenden Beratungsfähigkeit und Beratungswilligkeit zur Vorraussetzung. Beratung richtet und entscheidet nicht und belässt dem Ratsuchenden die volle Handlungsfreiheit. (Kobi, 1977, S. 30)
Beratung basiert grundsätzlich auf Freiwilligkeit und versteht sich als Hilfe zu Selbsthilfe (vgl. Krause, 2003, S. 24). Beratung bedeutet also nicht, dem Ratsuchenden die Lösung zu präsentieren. Es geht vielmehr darum, die Ressourcen der ratsuchenden Person und mögliche Lösungswege zu erarbeiten. Der Hilfe zur Selbsthilfe schließt sich auch Bärsch an, wobei er der Beratung bereits einen systemischen Ansatz verleiht: „Jede Beratung darf nur Hilfe zur Selbsthilfe sein. Dabei darf man sich nicht nur auf das Symptom konzentrieren. Es muß immer das Gesamt der zu beratenden Person und ihr soziales Umfeld beachtet werden.“ (Bärsch, 1990, S. 182) Reischl steckt den Rahmen noch etwas weiter und beschreibt, was Beratung ist bzw. nicht ist, indem sie folgende Behauptung aufstellt: „Der Beratungsbegriff ist vielschichtig, die Beratung schlechthin gibt es nicht. Vielmehr ist sie eingebettet zwischen Auskunft und Empfehlung, Vorschlag und Ratschlag, Hinweis und Zuspruch, Ermutigung und Bestätigung. Beratung ist jedoch nicht Verhandlung, Besprechung oder Weisung.“ (Reisch, 2005, S. 98) Verhandlung, Besprechung und Weisung beinhalten nicht die Gleichwertigkeit der GesprächspartnerInnen, sondern weisen vielmehr eine Hierarchie auf. Weiters geht es in diesen Bereichen nicht um Rat geben bzw. um Rat suchen, sondern um Konsensfindung bzw. um Erteilen eines Auftrages. Wir unterscheiden in der Folge zwei Formen der Beratung, die direktive und die nichtdirektive (non-direktive oder klientenzentrierte) Beratung. Reisch (2005, S. 98) charakterisiert die direktive Beratung, in dem sie ihr folgende Eigenschaften zuweist:
BeraterInnen nehmen die ExpertInnenrolle ein
Sachkompetenz der ExpertInnen als zentraler Bereich
klare Positionen zwischen „Ratsuchenden und RatgeberInnen“
Empfehlungen, Hinweise und Ratschläge werden in großer Zahl gegeben
Ratsuchende haben den Wunsch nach Rezepten
Der Beratungsverlauf wird durch die BeraterInnen gelenkt (vgl. Mutzeck, 2005, S. 32).
Ebenso beschreibt Reisch die nicht-direktive Beratung:
BeraterInnen helfen bei der Klärung und der Entscheidungsfindung
BeraterInnen fördern die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung der Ratsuchenden
BeraterInnen gewähren Hilfe zur Selbsthilfe (vgl. Reisch, 2005, S. 99)
Den Ratsuchenden werden Lösungskompetenzen zugeschrieben (vgl. Mutzeck, 2005, S. 32). Dabei ist es notwendig, dass Ratsuchende in ihrem Können und Tun bestärkt werden. „Klienten durch Herausforderungen helfen, zu wachsen, ist ein wichtiger Teil des Beratungsprozesses.“ (Culley, 2002, S. 163) Allerdings gilt zu bedenken, dass Erkrankte und vor allem lebensbedrohlich erkrankte Kinder über keine Konzepte, Problemsituationen selbst zu lösen, verfügen (vgl. Leyendecker & Lammers, 2001, S. 78). Diesem Umstand muss in der Beratung und m. E. in der Schülerberatung an Heilstättenschulen Rechnung getragen werden.
Die ratsuchende Person steht bei dem nicht-direktiven Beratungsansatz im Mittelpunkt. Es geht darum, wie diese das Problem behandelt. Wir sprechen hier vom klientenzentrierten Ansatz nach Rogers (vgl. Knapp, 2001, S. 73). „Die klientenzentrierte Beratung konzentriert sich also auf die subjektive Erfahrungswelt der Ratsuchenden.“ (Schnebel, 2007, S. 48) Bei diesem Ansatz wird den ratsuchenden Personen bei der Erkennung und Lösung ihrer Probleme geholfen (vgl. Kolb, 1989, S. 21). BeraterInnen, die den nicht-direktiven Ansatz verfolgen, sind Vorbilder im Zuhören und Einfühlen, nicht im Lösen des Problems. Sie halten sich eher zurück, hören zu und versuchen das Vertrauen der Ratsuchenden zu gewinnen, damit sich diese öffnen (vgl. Kolb, 1989, S. 29).
Aus diesem Grund werden hier die von Rogers geforderten drei Haltungen von BeraterInnen erwähnt. Rogers spricht von Empathie, Echtheit (Kongruenz) und wertschätzendem Verhalten gegenüber dem Ratsuchenden. Unter Empathie ist das Hineinversetzen in den Ratsuchenden gemeint. Echtheit versteht sich hier im Sinne von der Wiedergabe der Gefühle und Gedanken in der Ich-Form. Die Gefühle lassen sich auf das Individuum der BeraterInnen zuordnen und werden nicht verallgemeinert. Unter Wertschätzung meint Rogers ein Achten und Akzeptieren der Ratsuchenden mit seinen Problemen. Alle drei Haltungen sollen nicht nur verbal, sondern auch durch nonverbale Kommunikation zum Ausdruck gebracht werden (vgl. Knapp 2001, S. 74f und Mutzeck, 2005, S. 98). Für jeden in der Beratung Tätigen sollte dies als oberster Grundsatz gelten: „Wer Beratung praktiziert, wird sich darum bemühen, die Lebenswelt der Klienten aus ihrer Perspektive zu sehen und für Erfahrungen offen zu sein.“ (Culley, 2002, S. 30) Wird der Kontext berücksichtigt, in dem die Familie lebt, wird das Einnehmen einer empathischen Grundhaltung erleichtert (vgl. Ehinger & Hennig, 2005, S. 11).
Kontextberücksichtigung bedeute:
Betrachtung der Wohn- und Lebenssituation der Eltern
Betrachtung der materiellen Situation
Betrachtung der Arbeitsplatzsituation / Arbeitslosigkeit
Einbettung in Nachbarschaft, Verwandtschaft usw.
Betonung der Wechselwirkungen zwischen einzelnen Faktoren, Personen, Bereichen, Teilsystemen
Berücksichtung der Art und Weise, wie die Beratung zustande gekommen ist
Einbeziehung und Berücksichtigung des Kontextes in dem die Beratung stattfindet und des Beratungssystems (vgl. Ehinger & Hennig, 2005, S. 11)
Eine wichtige Tatsache...