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Subjektivierung von Arbeit: Freiwillige Selbstausbeutung

Ein Erklärungsmodell für die Verausgabungsbereitschaft von Hochqualifizierten

AutorJeanette Moosbrugger
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl165 Seiten
ISBN9783531908809
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis22,99 EUR


Dr. Jeanette Moosbrugger ist neben ihrer Marketingtätigkeit freie Soziologin.

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Leseprobe
5 „Freiwillige Selbstausbeutung" auf der Subjektebene (S. 71-72)

Ein Erhebungs- und Analyseinstrument wie das subjektgebundene „Arbeitsvermögen" von Pfeiffer (2004a), das zwar dialektisch ausgerichtet ist, aber dennoch auf das Widerständige im Subjekt abzielt, muss auch auf neue und subjektivierte Belastungsphänomen anwendbar sein. Diese Überlegung gewinnt umso mehr an Bedeutung, als Subjektivierungstheoretiker wie Kleemann et. al (2003) vermerken, dass in Hinkunft die Arbeitskraft in ihrer „individuellen Besonderheit" und nicht in ihrer Austauschbarkeit ins Blickfeld rücken sollte. Will man unter diesem Gesichtspunkt auch zu einer Neubewertung der Subjektivierungsdebatte gelangen, zeigt sich allerdings, dass dem „Interpretationsspielraum" auch dann Grenzen gesetzt sind, wenn man zur Überprüfung von Theorieangeboten die Perspektive der Selbstbetroffenheit einbringt.

Im Klartext: Eine Burnout-Episode befähigt noch lange nicht dazu, Deutungskonzepte in Frage zu stellen und vollmundig analytische Defizite auszumachen. Die Reflexionsmöglichkeiten nehmen quantitativ gesehen zwar zu, für die Formulierung einer Gegenrede ist dieser Tatbestand aber nur eingeschränkt verwertbar. Verlagert man hingegen seinen Schwerpunkt und bemüht sich um einen Beitrag zur theoretischen Grundlagenforschung, lässt sich damit auch das Niveau konstruktiv gerichteter Kritik anheben. Vornehmlich deshalb, weil sich umgehend die Bezugsverhältnisse ändern: Nicht länger „Fremdes" steht zur Disposition, sondern „Eigenes". Ergo: Der Rekonstruktionsplan ebenso wie die operationalisierten Erhebungs- und Analyseinstrumente sind auf ihren Anwendungsbezug hin zu erproben. Versuch und Irrtum eingeschlossen! Pfeiffers Devise, bei eigenen Theoriemodellen nach Möglichkeit konzeptionellsichtbar zu integrieren und an Bestehendes anzuschließen, kann insofern überzeugen:

Das Verfügbare ist in der Regel bereits auf Stärken und Schwächen „abgeklopft" und gut zugänglich. An Bedeutung gewinnen derart geformte Werkzeuge weiters, wenn sie an elaborierte Theoriekomplexe rückgebunden sind. Pfeiffers Analyseraster scheint sich deshalb für den arbeitssoziologischen Erklärungsabschnitt zur freiwilligen Selbstausbeutung auch gut zu eignen: Die anspruchsvolle Aufgabe lautet immerhin, die „autonomiegestützte Ausbeutungsbereitschaft" näher an die Handlungs- und Strukturebene des arbeitstätigen Subjekts heranzuführen. Eine erste Erkenntnislücke wird dabei die Aneignungsperspektive schließen. Über diesen Weg soll freiwillige Selbstausbeutung als „Steuerungsregulativ" und als „Identitätsbewahrer" der Kategorie „Arbeitsvermögen" rekonstruiert werden. Damit erschließt sich die Eigenlogik freiwilliger Selbstausbeutung über den „Annex" von Arbeitsvermögen als eigenständige Subjektqualität, die in theoretischer Hinsicht einiges leisten kann: Sie verweist auf den sub-intentionalen Mechanismus, der den Balanceakt zwischen emanzipatorischer Aneignung und ökonomischer Selbstzurichtung bewerkstelligt.

5.1 Aneignungstheoretisches Analyseraster für Subjektivierungsfolgen

Der hier ausgearbeitete Begründungszusammenhang für die freiwillige Selbstausbeutung (vgl. Kap. 2 bis 4) steht im engeren Sinne für eine „Potenzialanalyse", die auf soziologische Erklärungsdefizite arbeitsweltlicher Belastungen ausgerichtet ist. Die Leitfrage: „In welchem Umfang und in welcher Tiefe zollt die Debatte zur Subjektivierung von Arbeit den neuen Belastungsphänomenen Aufmerksamkeit, und wie sieht es mit dem analytischen Stellenwert aus, der dem Phänomen freiwilliger Selbstausbeutung zukommt?" führt bislang zu folgendem Ergebnis:

Freiwillige Selbstausbeutung wird mit breiter Zustimmung als Folgeerscheinung subjektivierter Arbeitsprozesse interpretiert. Ausgangspunkt dieser Interpretation ist die Ebene betrieblicher Arbeitsorganisation bzw. das asymmetrische Machtverhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Erklärungsbedarf ist damit über den „Perspektivenwechsel" zu argumentieren. Pfeiffers „Arbeitsvermögen" führt zu einem empirischanalytischen Raster, mit dem es möglich wird, „freiwillige Selbstausbeutung" ausgehend von der Ebene erwerbstätiger Akteure zu erschließen. Für diesen Zweck werden zentrale Beobachtungspunkte „markiert" und mit Hilfe der Aneignungsperspektive inhaltlich aufgefüllt.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort und Dank10
1 Synopsis: Das Wichtigste in Kürze12
1.1 Ein Erklärungsmodell für die „Eigenlogik freiwilliger Selbstausbeutung“12
1.2 Die Kapitel im Überblick14
2 Empirische Grundlagen: Erklärungsbedürftiges und Anschlussfähiges17
2.1 Selbstbetroffenheit17
2.2 Anspruch und Wirklichkeit flexibler Arbeit18
2.3 Ein Exkurs zur psychologisch dominierten Burnout-Forschung25
2.4 Arbeits- und industriesoziologische Führungskräfteforschung27
2.5 Fazit: Hintergrundbilder, neue Zusammenhänge und Forschungsdefizite29
3 Die Subjektivierungsdebatte: Haupt- und Nebenschauplätze32
3.1 Subjektivierung von Arbeit: Zwischen Unterwerfung und Entfaltung32
3.2 Hochqualifizierte und ihr Arbeitswissen: Betriebliche Kontrolle im luftleeren Raum?38
3.3 Leistungsdruck und Zeitkosten als Schattenseiten subjektivierter Arbeit41
3.4 Grenzen ökonomischer Rationalisierungslogik: Handlungsnahe Perspektiven43
3.5 Fazit: Arbeitshypothesen und ein Kategorienportfolio49
4 Heuristische Bezugspunkte für die Analyse „freiwilliger Selbstausbeutung“51
4.1 Der Pfeiffer´sche Werkzeugkasten: Dialektik und reformulierte Marx´sche Kategorien52
4.2 Schimanks Akteur-Struktur-Dynamik: Abbildung kompakter sozialer Realität55
4.3 Das Anregungspotenzial organisationssoziologisch informierter Industriesoziologie58
4.4 Typisierung der eigenen Problemperspektive61
4.5 Fazit: Arbeitssoziologische Analyse auf zwei unterschiedlichen Theorieebenen70
5 „Freiwillige Selbstausbeutung“ auf der Subjektebene72
5.1 Aneignungstheoretisches Analyseraster für Subjektivierungsfolgen73
5.2 Widersprüchliche Handlungsautonomie: Perspektivenwechsel für ein soziologisches Paradoxon74
5.3 Freiwillige Selbstausbeutung als Phänomen der Gebrauchswertbildung84
5.4 Zum Anwendungsbezug freiwilliger Selbstausbeutung aus der Aneignungsperspektive91
5.5 Praktizierte Dialektik: Selbstausbeutung und Burnout als Artefakt betrieblicher Realität99
5.6 Fazit: Handlungstheoretische Klassifizierung und empirische Bodenhaftung102
6 „Freiwillige Selbstausbeutung“ auf der Interaktionsebene104
6.1 Strukturdynamisches Analyseraster für Subjektivierungsfolgen106
6.2 Zur Situations- und Selektionslogik von hochqualifiziert Erwerbstätigen107
6.3 „Konstellationsprodukte“: Zum Anwendungsbezug strukturdynamischer Modelle120
6.4 Fazit: Akteurmodelle und spieltheoretische Grundmuster138
7 Zusammenfassung: Rückblick und Ausblick140
7.1 Die Genetik „freiwilliger Selbstausbeutung“: Eine tragfähige Theoriearchitektur140
7.2 Vorzüge der Subjektivierungsdebatte146
7.3 Exklusionsrisiken: Einfallstor für eine gesellschaftstheoretisch fundierte „ Burnout- Logik“?148
7.4 Schlussgedanken154
Literatur155

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