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E-Book

Sugar Man

Leben, Tod und Auferstehung des Sixto Rodriguez

AutorCraig Bartholomew Strydom, Stephen 'Sugar' Segerman
VerlagUllstein
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783843711746
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Der Oscar-prämierte Dokumentarfilm »Searching for Sugar Man« begeisterte Millionen Zuschauer weltweit und rührte Tausende zu Tränen. Die einzigartige Geschichte um die Suche nach dem Folksänger wird in diesem Buch erstmals ausführlich und mit vielen neuen Details von den Protagonisten des Films dargelegt. Der »Dylan aus Detroit« hatte Anfang der Sechziger zwei Studioalben voller poetischer Songs aufgenommen, die von der Kritik hoch gelobt wurden, aber kommerziell floppten. Also hängte der Musiker seine Karriere an den Nagel. Wovon er nichts ahnte: Im Südafrika der Apartheid wurden seine Lieder zu Hymnen der Protestbewegung, der Sänger wurde dort in den Siebzigern zum Star. Die Autoren Craig Strydom und Stephen Segerman machten sich auf die Suche nach Sugar Man - von dem alle dachten, er sei tot. Sie fanden ihn als einfachen Stahlarbeiter in seiner amerikanischen Heimatstadt wieder - und verhalfen ihm damit zu einer späten Karriere als Folk-Superstar.

Craig Bartolomew Strydom, freier Autor und Werbetexter, schreibt u.a. Texte und Reportagen für den Rolling Stone. Stephen 'Sugar' Segerman ist Musikjournalist und Eigentümer des legendären Plattenladens 'Mabu Vinyl'. Die beiden leben in Kapstadt, Südafrika, und sind die Protagonisten des Dokumentarfilms 'Searching for Sugarman', ohne die Rodriguez und seine Musik wohl nie ein solches Comeback erlebt hätte.

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Leseprobe

Prolog

Sundance

(2012)

»Was du übersiehst, ist, dass der Weg als solcher dich verändert.«

Julien Smith, The Flinch

In dem »Making of«-Bonusmaterial auf der DVD von Searching for Sugar Man gibt es einen Filmausschnitt, in dem Craig Bartholomew Strydom, der sogenannte Musikdetektiv aus dem Film, an einem verschneiten Abend vor einem Restaurant in Park City, Utah, eintrifft. Der Bürgersteig ist glatt, so dass er und seine Frau vorsichtig gehen. Regisseur Malik Bendjelloul, der ewig jungenhafte ehemalige Kinderschauspieler, kommt ihnen mit einer Kamera in der Hand entgegen. »Ist das Video?«, fragt Strydom absurderweise. »Ja, ist es«, antwortet der Regisseur in seinem englischen Singsang, eine Art zu reden, die er aus seiner Muttersprache Schwedisch übernommen hat. Malik will diesen Moment festhalten, denn es ist nach mehr als zwölf Jahren das erste persönliche Treffen zwischen Strydom und Stephen »Sugar« Segerman, seinem Mitverschwörer bei der Rodriguez-Story. Es ist der Eröffnungsabend des Sundance Filmfestivals. Heute ist der 19. Januar 2012, der sich als erster einer Reihe bedeutsamer Termine für diese Low-Budget-Dokumentation erweisen sollte. Was der kurze Filmausschnitt nicht zeigt – und nicht zeigen kann –, sind die vielen steinigen Wege, die zu diesem Moment in den Rockies geführt haben. So viele Bahnen haben sich bei der Produktion dieses Films und der Geschichte dahinter gekreuzt und werden es weiter tun. Noch weiß es niemand, aber obwohl es sich anfühlt wie ein Ende, ist dieser Abend erst der Beginn einer außergewöhnlichen Reise, die einem genialen, jedoch schwer fassbaren Musiker mit 40 Jahren Verspätung endlich die verdiente Anerkennung bringen wird.

Als Nächster trifft Segerman ein. Er leidet unter einem Jetlag und ist völlig durchgefroren, weil er gerade aus Südafrika eingeflogen ist, dem unwahrscheinlichen Schauplatz eines großen Teils dieser sehr amerikanischen Geschichte. Und in Afrika schneit es nur selten, egal was einem der Achtziger-Jahre-Band-Aid-Hit »Do They Know It’s Christmas?« weismachen will. Schon gar nicht zu Weihnachten. Segerman gibt sich genau wie Strydom alle Mühe, seine Emotionen zu beherrschen. Schließlich war es zum Teil seine Vision, die dazu beigetragen hat, der totgeborenen Karriere eines der enigmatischsten Musiker des 20. Jahrhunderts Leben einzuhauchen. Sixto Rodriguez, ein Zwei-Album-Flop, dem nach einem kurzen Schnuppern am Ruhm nichts anderes übrigblieb, als in seine Arbeiterexistenz zurückzukehren, ohne etwas von seinem riesigen Erfolg in Südafrika zu ahnen, einem von der Welt geächteten Land auf einem anderen Kontinent.

Strydom und Segerman geben sich im Schneetreiben die Hand. Strydom denkt zurück an die frühen 1980er, als ihm der Plan, herauszufinden, was mit Rodriguez geschehen war, wie eine Schnapsidee erschienen war. Das war vor seiner Begegnung mit Segerman. Die »Rote Gefahr« bedrohte Südafrikas Grenzen, und die Massen im Land wurden unruhig, deshalb ließ sich die Sicherheit der weißen Minderheit in ihren grünen Vororten nur durch den Einsatz von Truppen gewährleisten. Das glaubte zumindest die kurzsichtige Regierung der Nationalpartei unter Premierminister P. W. Botha. Genug Truppen gab es jedenfalls, weil alle männlichen Weißen einen zweijährigen Militärdienst ableisten mussten. Und so kam es, dass Strydom an einem Tag des Jahres 1984 eher nebenbei zum ersten Mal ein Album hörte, das sein Leben für immer verändern sollte. Es drang aus einem kleinen Kassettenrekorder eines Freundes, und die Texte hatten erfrischenderweise nichts Banales. Stattdessen sang eine Stimme Zeilen wie »I was born for the purpose that crucifies your mind« und »In the factory that you call your mind, graveyard thoughts of stone«. Wer war dieser Poet, fragte Strydom. Der Sänger hieße Rodriguez, erhielt er zur Antwort, und hätte sich auf offener Bühne umgebracht, nachdem er vorher seinen eigenen Nachruf vorgetragen hatte: »Thanks for your time, and you can thank me for mine, and after that’s said, forget it.« Strydom war fasziniert. Wer machte so etwas? Er nahm sich vor, eines Tages herauszufinden, wie der Musiker, den man nur unter dem Namen Rodriguez kannte, gestorben war.

Die Sonne steht schon tief über dem Deer Valley, und nach wie vor gibt es keine Spur von Rodriguez. Als Segerman und Strydom den ersten Stock des Restaurants betreten, sitzt John Battsek schon an einem langen Tisch, der speziell für diesen Anlass reserviert wurde. Simon Chinn, der Searching for Sugar Man zusammen mit Battsek produziert hat, läuft mit einem Handy in der Hand hektisch auf und ab. Beide Männer wirken extrem nervös, obwohl sie die Prozedur eigentlich kennen müssten. Beide haben die Reise schon mehr als einmal gemacht. Battsek hat die schwere Geburt diverser Dokumentarfilme begleitet, die irgendwann zu Preisen auf Filmfestivals führte. Zu seinen Kindern zählen Filme wie der Oscar-Gewinner One Day in September; Restrepo über den Afghanistan-Krieg und der von der British Academy of Film and Television Arts (BAFTA) ausgezeichnete The Impostor über einen Jungen, der vorgibt, ein vermisster anderer Junge zu sein, nicht zu verwechseln mit dem Titelhelden des heutigen Dokumentarfilms über die Suche nach einem Mann, der gar nicht wusste, dass er vermisst wurde. Rodriguez kommt zu spät, heißt es, aber auch die Marotten von Musikern dürften Battsek nicht fremd sein: Er ist unter anderem Produzent von Stones in Exile, einem Dokumentarfilm aus dem Jahr 2010 über das selbst auferlegte Exil der Rolling Stones in Südfrankreich zur Vermeidung der exorbitanten britischen Steuerforderungen, währenddessen das Album Exile on Main Street entstand.

Die Meilensteine in der Karriere des Produktionsleiters Chinn sind nicht weniger verheißungsvoll. Zu seinem Werk zählen Walk on Wire von James Marsch, ein Dokumentarfilm über den tollkühnen und komplett illegalen Drahtseilakt des Franzosen Philippe Petit, der am Morgen des 7. August 1974 in New York auf einem Seil von einem Turm der Twin Towers zum anderen balancierte. Würde Searching for Sugar Man in die Fußstapfen von Man on Wire treten? Der Film über Petits Coup hatte im Vorjahr das Sundance Festival eröffnet, bevor er Chinn und Marsh neben einem Haufen weiterer Trophäen einen Oscar eingebracht hatte. Chinn ist auch als Produzent eines weiteren James-Marsh-Films bekannt, Project Nim mit dem Schimpansen Nim Chimpsky, einer Erkundung tierischen Kommunikationsverhaltens unter dem Aspekt der amerikanischen Zeichensprache. Trotz der positiven Kritiken gingen bei diesem Anlass jedoch Mensch wie Tier ohne einen Oscar nach Hause.

Camilla Skagerström trifft ein, ins Gespräch vertieft mit Ann-Sofie Rase, einer schwedischen Theaterschauspielerin und Maliks Freundin. Auch Camillas Weg bis zu einem Platz am Tisch in diesem Restaurant in den Wasatch Back Mountains war ereignisreich. Von dem Tag an, an dem Malik anrief, um sie zu fragen, ob sie Searching for Sugar Man mit ihm drehen wollte, machte sie sich keine Illusionen, dass mehr von ihr verlangt werden würde als eine Kamera und ein Auge für den Film. Mit Malik zu arbeiten würde, von seinem natürlichen Enthusiasmus einmal abgesehen, ein wachsendes Maß an Überzeugung erfordern, das umgekehrt proportional zu der schwindenden Finanzierung des Projekts stand. Ein solcher Glaube mag zugegebenermaßen notwendiger Bestandteil jedes Dokumentarfilms sein, doch Glaube allein zahlt keine Rechnungen. Camilla freut sich, hier zu sein, und nimmt mit einem zufriedenen Lächeln Platz. Sie ist beschwingt von der Geburt ihrer ersten Tochter sowie von der Goldenen Palme von Cannes, mit der der Kurzfilm Micky Bader ausgezeichnet wurde, für dessen Kameraführung sie verantwortlich ist. Die in Cannes preisgekrönte Kurzdokumentation widmet sich dem Leben der 100-jährigen Holocaust-Überlebenden und Schwimm-Enthusiastin Ebba »Micky« Heyman, die sich weder vom Wetter noch von ihrem Alter oder den Jahreszeiten davon abhalten ließ, täglich mit ihren Freundinnen im Meer zu schwimmen. Der filmische Ansatz ist dem von Malik durchaus ähnlich. Dies ist Camillas erster Besuch beim Sundance Festival, sie wechselt einen nervösen Blick mit Malik. Er hatte das Sundance Festival schon lange vor Beginn der Dreharbeiten angepeilt. Und wenn jemand das wusste, dann sie, schließlich hatte sie ihn auf fast jedem Schritt des Weges begleitet.

Als die Bestellung aufgenommen werden soll, ist Rodriguez immer noch nicht eingetroffen. Matt Sullivan, Besitzer von Light in the Attic Records, scherzt, man müsse die Suche nach Sugar Man wohl noch mal von vorne beginnen. Matt ist aus ähnlichen und doch anderen Gründen hier am Tisch. Wenn Strydom der Musikdetektiv in der Geschichte ist, dann ist Matt der Musikarchäologe. Wie der Name seiner Firma andeutet, ist es Matts Aufgabe, sich durch Plattenkisten in vollgestellten Speichern, Garagen und anderen Lagerräumen zu wühlen, um das eine verschollene Meisterwerk zu bergen, das durchs Sieb gefallen ist. Rodriguez’ Debütalbum Cold Fact von 1970 war ein solcher Fund.

Auf einem Straßenflohmarkt in Los Angeles stieß er 2006 in einem Haufen Schallplatten auf ein interessant aussehendes Album, eine Compilation namens Come Get It I Got It von David Holmes mit einem Remix von »Sugar Man« als zweitem Track. Er legte die Platte auf und traute seinen Ohren nicht. Wem gehörte diese distanzierte, mysteriöse Stimme, die von »blue coins«, »silver magic ships« und »answers that make colours...

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