Einleitung
Der Beratungsmarkt boomt. Insbesondere mit Blick auf berufsbezogene Beratung werden verschiedene Formate wie Coaching, Supervision, Mediation, Organisationsberatung und Training immer bekannter und zunehmend genutzt, um die Handlungsfähigkeit von Personen, Gruppen und Organisationen wiederherzustellen und/oder zu steigern. In diesem Zusammenhang stellt sich die Beratungslandschaft insgesamt als unübersichtlich dar – nicht nur für Kunden. So werden die Angebote Coaching, Supervision, Mediation häufig nebeneinander und für ähnliche Anliegen beschrieben und sind für Kunden nicht klar unterschieden, daher häufig verwirrend.
Sowohl für Beratungskunden als auch für die Kooperation der einzelnen Professionen untereinander wäre eine Klarheit über die besonderen Profile der einzelnen Angebote mit ihren spezifischen Leistungen und Kundennutzen wünschenswert. Werden die Grenzen und Rollen verwischt, lernen Ausbildungsteilnehmer in Mediationsweiterbildungen und Mediatoren in Supervisionen unter dem Begriff Supervision zum Teil Beratungsformen kennen, die den fachlichen Ansprüchen der Profession Supervision nicht genügen und die Vorstellung von der Leistung, den Möglichkeiten und dem Nutzen sehr stark reduzieren, wenn nicht sogar verfremden.
Dieses Buch soll einen Beitrag zur Klärung leisten. Als (Lehr-)Supervisorin, Ausbilderin für Mediation und Organisationsberaterin bemühe ich mich seit vielen Jahren um Klarheit in der Beschreibung des Nutzens, der Verfahren sowie der Rollen in den jeweiligen Beratungsformaten und um einen professionellen Einsatz von Supervision im Kontext von Mediation. Die ungeklärte Nachbarschaft der beiden Formate Konfliktmanagement und Supervision bietet mir seit Jahren immer wieder Anlass für Veröffentlichungen und Verbandsaktivitäten als Mitglied sowohl im Bundesverband für Mediation (BM®) als auch in der Deutschen Gesellschaft für Supervision (DGSv). Seit 2004 qualifiziere ich angehende Mediationsausbilder für den Bereich Ausbildungssupervision. Diese Erfahrungen bilden – neben meiner Ausbildertätigkeit in verschiedenen Beratungsformaten sowie der eigenen Forschung und Beratungspraxis – die Grundlage für dieses Buch.
Betrachtet man im Feld der Mediation die Fachveröffentlichungen und Beiträge auf Kongressen und Fachtagungen zum Thema Supervision, wird deutlich, dass Verständnis und Kenntnis von Supervision nicht nur sehr verschieden, sondern auch unvollständig sind. Als »Supervision« kommen in Mediationskontexten Verfahren und Methoden zum Einsatz, die mit dem besonderen Leistungsvermögen fachlich qualifizierter Supervision nur wenig zu tun haben. Sieht man sich die Beschreibungen von Ausbildungsrichtlinien, Ausbildungsausschreibungen, Fachveröffentlichungen und Diskussionen von Ausbildern und Mediatoren eingehender an, so erscheint der unterschiedliche Gebrauch des Begriffs oftmals wie ein Beispiel für die berüchtigte babylonische Sprachverwirrung.
Im Zusammenhang mit dem Mediationsgesetz und der Zertifizierung als Bestandteil der Ausbildung und der Qualitätssicherung für Mediatoren erhält Supervision einen besonderen Stellenwert. Deshalb möchte ich anregen, Klarheit in den Begriff und das Beratungsformat Supervision zu bringen. Zugleich wäre eine Verständigung der Verbände im Sinne der Entwicklung gemeinsamer Standards für Supervision im Rahmen der Mediationsausbildung wünschenswert.
Die Berufsverbände der einzelnen Beratungsformate haben in den letzten Jahren einen großen Beitrag zur Professionalisierung geleistet. In den meisten Beratungsprofessionen gelten heute Ausbildungsstandards, in denen Supervision einen ausgewiesenen Platz innehat. Die Anleitung zur Selbstreflexion gehört seit vielen Jahren zum Konzept in den verschiedenen Mediationsausbildungen. Sämtliche Fachverbände haben inzwischen die Lernebene Supervision sowie Mindestanforderungen an die Qualität der Selbstreflexion in ihren Ausbildungsgängen etabliert. Seit der Verabschiedung der Standards beim Bundesverband für Mediation (2000) wurden bereits vielfältige Erfahrungen gesammelt und auf Ausbilderkonferenzen ausgetauscht. Dennoch ist die Bandbreite dessen, was unter dem Begriff Supervision verstanden und praktiziert wird, noch immer sehr groß.
Obwohl Supervision im Rahmen der akademischen Ausbildung von »Beziehungsarbeitern« und in der Ausbildung von Psychotherapeuten wie Beratern so vielfältig zum Einsatz kommt, wird der Besonderheit von Ausbildungssupervision und Praxisanleitung im Rahmen akademischer Aus- und beruflicher Weiterbildungen bislang nur wenig Beachtung geschenkt. Und obwohl die Anforderungen an Ausbildungssupervisoren ausgesprochen anspruchsvoll sind, wird das Programm in der Fachliteratur wie im fachlichen Diskurs bisher vernachlässigt. Ich möchte in diesem Buch die besonderen Anforderungen an die praktizierenden Ausbildungssupervisoren darstellen, diverse Verfahren beschreiben und Anregungen zur Entwicklung eigener Methodik und Rollenklarheit geben. Daher wird in den folgenden Kapiteln
• Supervision mit seiner Geschichte und Tradition erklärt,
• die Indikation und der Einsatz von Supervision verdeutlicht,
• das spezifische Leistungsvermögen und der Kundennutzen aufgezeigt,
• die Spezifik von Ausbildungssupervision herausgearbeitet,
• der Einsatz von Supervision im Kontext von Mediation vertieft sowie
• das Verfahren und ausgewählte methodische Interventionen für die jeweiligen Einsatzbereiche beschrieben.
Das Buch richtet sich an angehende Mediatoren in der Ausbildung, an praktizierende Mediatoren sowie insbesondere an Mediationsausbilder. Sie alle finden darin
• die Darstellung der kollegialen Beratung, die angehenden und ausgebildeten Mediatoren eine Anleitung für Fallbesprechungen in Lern oder Intervisionsgruppen bietet – Vorgehen, Rollenverteilung und methodische Unterstützungen hierfür werden ausführlich beschrieben;
• zahlreiche Anregungen und Empfehlungen für den Einsatz von Supervision im Rahmen der Mediationsausbildung sowie für die Gestaltung der Verbindung zwischen dem Ausbildungsinstitut und den Supervisoren;
• Informationen über Ausbildungssupervision – als professionelle Begleitung, Anleitung und Kontrolle von Ausbildungskandidaten während der ersten eigenen Praxisfälle, beim Erlernen des Verfahrens- und der Methoden der Mediation, beim Finden der Rolle und bei der Klärung der neuen beruflichen Identität –, die dazu dienen, Ausbilder für den Einsatz von Supervision zu qualifizieren;
• Modelle für die Sondierung von Beratungsanliegen, ihre Zuordnung zu den verschiedenen Beratungsformaten und die Beschreibung von Konsequenzen für die Strukturierung des Beratungsprozesses als konzeptionelle Basis für die Gestaltung der Kooperationsbeziehungen mit anderen Beratern und für den Umgang mit Format- und Rollenunterschieden in der eigenen Beratungspraxis.
Teile dieses Buches wurden aus meinem Lehr- und Praxisbuch für Supervisoren, »Wissen was wirkt – Modelle und Praxis pragmatischsystemischer Supervision« (2014) übernommen. Auf der Basis systematischer Erforschung meiner supervisorischen Praxis sowie fortdauernder Auseinandersetzung mit den Theorien der Supervision und der allgemeinen Beratungslehre entstand dieses Lehrbuch.
In einem Handbuch sind bisweilen einzelne Wiederholungen unvermeidbar. Damit es als Nachschlagewerk dienen kann, werden in den Arbeitsblättern gelegentlich zentrale Aspekte aus den erläuternden Texten wiederholt.
Alle Versuche, die Gleichbehandlung der Geschlechter sprachlich auszudrücken, sind entweder leseunfreundlich oder klingen bürokratisch. Ich habe daher eine wechselnde Geschlechterform der Akteure (also mal männlich, mal weiblich, mal gemischt) gewählt.
Als Supervisorin widme ich meine professionelle Aufmerksamkeit vorrangig dem beruflichen Handeln von Menschen. So ergab es sich, dass ich als Mediatorin und Ausbilderin für Mediation nur mit Arbeitskonflikten und Mediationen in Organisationen zu tun habe. Aus dieser Perspektive erklären sich die vielen Beispiele aus Kontexten der Arbeitswelt. Sie und die darin geschilderten Vorgehensweisen lassen sich indes ohne Weiteres auf andere Bereiche der Mediation (wie Schule, Familie etc.) übertragen.
Ich danke den Teilnehmern meines Seminar »Supervisionskompetenz für Ausbilder für Mediation« für ihre freimütigen Auskünfte über eigene Praxis und Verfahren von Supervision im Rahmen der Ausbildung. Zahlreiche Ermunterungen für die Veröffentlichung dieses Buches und kollegiale Gespräche unter Ausbildern sind nicht nur Hintergrund vieler Überlegungen, sondern fließen als Anregung und Motivation zu diesem Buch stets mit ein. Dafür danke ich allen Teilnehmern und Gesprächspartnern an...