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E-Book

Tabu Trennung

Ein Journalist sucht Antworten

AutorDaniel Schneider
VerlagSCM Hänssler im SCM-Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783775173728
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Trennung - ein Tabu in christlichen Kreisen? Daniel Schneider hat Menschen besucht, die offen über ihre Scheidung reden. Er möchte verstehen, warum Beziehungen scheitern und wie Menschen mit diesem Lebensbruch umgehen. Die Gespräche haben es in sich, sind schonungslos und inspirierend, bieten Ihnen wertvolle Erkenntnisse und manchmal bleiben Fragen offen. Eins gilt jedoch immer: Gerade in gescheiterten Beziehungen wird die Liebe Gottes zu uns Menschen sichtbar! Ein wichtiges Buch, nicht nur für Betroffene, sondern für alle, denen eine gute Ehe eine Herzensangelegenheit ist.

Daniel Schneider (Jg. 1979) ist Journalist und Theologe. Gemeinsam mit seiner Frau Eva-Lisa und ihren Kindern Malaika, Merle und Justus lebt er in Bad Oeynhausen, Westfalen. Daniel arbeitet als Drehbuchautor für das WDR-Fernsehen, als Dozent für die IST-Hochschule für Management, als Redakteur für das Evangelische Rundfunkreferat NRW, schreibt Bücher und ist als Moderator und Referent unterwegs.

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Leseprobe

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MANU – ALLES EINE FRAGE DES TIMINGS?


Liebe Freunde,
es ist leider an der Zeit, euch wissen zu lassen, dass meine Frau mich verlassen wird, weil sie mich nicht mehr liebt …

So beginnt die Mail von Manu, der mir jetzt, einige Jahre nachdem er die schweren Zeilen verschickt hat, sehr entspannt und ausgeglichen entgegenkommt. Der Hochsommer ist noch einmal nach Deutschland zurückgekehrt und so suchen wir uns ein schattiges Plätzchen in einer schönen Lokalität mitten in der Stadt. Es ist Mittag, das Thermometer nähert sich zielsicher der 30-Grad-Marke und das Stadtleben kommt nur sehr gemächlich in die Gänge. Uns ist es recht. Wir setzen uns draußen an einen der vielen freien Tische und bestellen erst mal eine Runde Rhabarberschorle.

Manu ist 39 Jahre alt und arbeitet als freiberuflicher Musiker und Grafikdesigner. Wir kennen uns schon lange und ich schätze ihn sehr. Wir sehen uns allerdings sehr selten und deshalb weiß ich bisher tatsächlich nicht mehr über seine Trennung als das, was in der Mail steht. Rein objektiv und für den Zweck des Buches gedacht, ist das bestimmt nicht verkehrt, aber in freundschaftlicher Hinsicht habe ich ein bisschen ein schlechtes Gewissen.

Ich gebe zu: Ich war mir damals unsicher, ob ich eine Antwort auf seine Mail verfassen sollte. Ich dachte: »Bestimmt ist er genervt und bei so einem großen Freundeskreis bekommt er bestimmt unfassbar viele Antworten.« Das bestätigt mir Manu auch im Laufe des Gesprächs, aber trotzdem denke ich jetzt im Nachhinein, dass eine aufmunternde Nachricht, und wenn es nur aus einem »Ich denke an dich!« bestanden hätte, doch angebracht gewesen wäre.

TRENNUNGSGESPRÄCH AM NEUNTEN HOCHZEITSTAG


»Mir ist eben übrigens eingefallen, dass meine Exfrau und ich heute unseren neunten Hochzeitstag gefeiert hätten«, sagt Manu und wir müssen beide schmunzeln. »Und?«, frage ich nach. »Denkst du gerne an eure Hochzeit zurück?« Seine Exfrau befindet sich mit ihrer gemeinsamen Tochter gerade im Urlaub.

Manu nickt. »Unsere Hochzeit war wunderschön, genauso wie es auch in unserer Ehe wunderschöne Momente gab. Aber eben auch unschöne Zeiten.«

Ich habe mich schon lange gefragt, in welcher Gefühlslage er diese Mail an seine vielen Freunde geschrieben hat. Und wie er die Wochen vorher überstanden hat. Denn schon knapp drei Monate vorher, an einem Septemberabend, hatte seine Frau ihm eröffnet, dass sie sich von ihm trennen wird. Die Entscheidung stand für sie zu dem Zeitpunkt, als sie es Manu eröffnete, bombenfest.

»In dem Moment war ich fassungslos«, erinnert sich Manu. »Ich bin zusammengebrochen und konnte nur noch weinen. Einerseits kam es völlig überraschend. Ich hätte niemals damit gerechnet. Andererseits habe ich natürlich gewusst, dass es in unserer Ehe nicht gut läuft. Auch darüber haben wir im Vorfeld schon oft gesprochen, wir haben auch einige Male die Eheberatung in Anspruch genommen. Mir war also definitiv bewusst, dass unsere Beziehung nicht gut lief. Was mich so aus der Fassung gebracht hat, war das Timing dieser Nachricht. Denn ich wollte gerade noch mal so richtig Gas geben in der Beziehung. Dinge ändern, mich mehr investieren. Für die Familie und für die Beziehung.«

Vorausgegangen war ein gemeinsamer Sommerurlaub, den die beiden mit ganz unterschiedlichen Erwartungen verlebten. Ohne einander davon zu erzählen. Manus Frau war mit ihrer gemeinsamen Tochter schon vorgefahren, da Manu noch eine Tour zu spielen hatte. Auf dieser Tour, in der Manu viel Zeit zum Nachdenken hatte, kam ihm ganz neu und wie eine Erleuchtung die Wichtigkeit und Relevanz seiner Beziehung und seiner Familie in den Sinn. Es durchflutete ihn wie ein warmes Gefühl und er nahm sich fest vor: Ich muss meine Prioritäten neu sortieren, den Fokus mehr auf die Familie legen. Nach dem Urlaub lege ich damit los!

Und seine damalige Frau hatte sich auch eine Beziehungsdeadline gesetzt. Die lag allerdings und schicksalshafterweise knapp davor. Denn hinterher stellte sich heraus, dass eben der gemeinsame Urlaub für sie die letzte Chance war, und somit haben sich die beiden knapp verpasst.

»Da habe ich erst gedacht: Was für ein perfides Timing«, sagt Manu. Und ich nicke zustimmend. Zwei Tage nach dem Urlaub, Manus Frau hatte noch einmal ein Beratungsgespräch geführt, zu dem ihr Manu auch geraten hatte, gipfelte es in dem eben schon erwähnten Schicksalsgespräch.

VIELE KLEINE PROBLEME WERDEN ZU EINEM BERG


Manu war sich der Ursachen durchaus bewusst, die diesem Gespräch und der darin verkündeten Entscheidung seiner Frau den Weg ebneten. »Nach und nach gingen mir diese Schlüsse auf«, erinnert er sich. Es folgen einige Punkte, die aus Manus Erinnerung heraus dafür verantwortlich sind, dass das Interesse aneinander verloren ging und die Beziehung in eine Krise schlitterte. Drei davon sind für die Öffentlichkeit bestimmt. Andere erwähne ich bewusst nicht, weil sie zu privat sind.

»Ich habe so eine Art Rechtfertigungsgen. Das ist meine Art, Entschuldigung zu sagen, aber das kommt nie besonders gut, gerade wenn es um Konflikte geht, die gerade heiß ausdiskutiert werden. Das hat meine Exfrau immer sehr mitgenommen und sie konnte damit nicht gut umgehen, was ich sehr gut verstehen kann.«

Oder:

»Als unsere Tochter geboren wurde, hatte meine Exfrau gerade ihre Ausbildung beendet und logischerweise nicht gearbeitet. Ich war der Alleinverdiener und habe, in meinen Augen ebenfalls nachvollziehbar, sauviel gearbeitet. In ihrer Erinnerung ist aber Folgendes geblieben: ›Manu war nie da und ich musste mich immer alleine um das Kind kümmern.‹ Und diese Erinnerung kam immer wieder zum Vorschein. Sie hat eine gute Erinnerungsgabe. Auch an die negativen Sachen.«

Apropos Arbeit:

»Ich brauche jemanden, der das, was ich tue, gut findet und der hinter mir steht. Gerade in meinem Job als Musiker. Meine ehemalige Frau hat im Nachhinein gesagt: ›Manu, irgendwann habe ich das Interesse an deiner Arbeit verloren.‹ Das hatte ich gemerkt und mich als Reaktion noch mehr in meine Arbeit vergraben. Das Ganze hatte natürlich auch damit etwas zu tun, dass ich grundsätzlich viel arbeite. Weil ich es muss und weil ich es gerne tue. Ob sich das dann bedingt hat, weiß ich nicht.«

Wir unterbrechen unser Gespräch kurz, weil unser Mittagessen serviert wird. Das gibt mir die dramaturgische Möglichkeit, einen kurzen redaktionellen Einschub zu platzieren, in dem ich deutlich darauf hinweise, dass Manu in diesem Gespräch allein seine Sichtweise darstellt. Seine ehemalige Frau sieht einige Dinge in einem anderen Licht. Sie weiß, dass Manu in diesem Buch über die Trennung spricht, ist auch einverstanden damit, möchte aber selbst nicht namentlich vorkommen. Das ist für mich selbstverständlich und das zeigt, wie konstruktiv und respektvoll beide auch im Nachhinein miteinander umgehen.

Während Manu und ich bei unserem Gespräch die ersten Bissen des leckeren Essens zu uns nehmen nutze ich die Zeit für eine kleine gedankliche Zusammenfassung. Ohne die Schwere der Schwierigkeiten abwerten zu wollen, denke ich: Das sind in der Entstehung zwar keine Kleinigkeiten, aber doch überschaubare Differenzen, die über die Jahre wahrscheinlich eine unheimliche Macht bekommen haben. Und das führt zu einer Entfremdung. Da müssen aber doch noch andere Faktoren eine Rolle gespielt haben.

»Als wir uns kennengelernt und uns verliebt haben, da habe ich schon gedacht: Gott hat Humor!«, sagt Manu relativ unvermittelt und es passt genau zu meinen Gedanken. »Denn wir sind total unterschiedlich. Aber gerade das hat uns angezogen und in der ersten Zeit total befeuert. Ich habe mich durch meine Exfrau total verändert. In meiner politischen Meinung, in meiner ganzen Denkweise hat sie mich beeinflusst und besser gemacht. Früher habe ich Menschen relativ schnell und relativ hart verurteilt. Das ist immer noch eine Schwäche von mir, aber ich habe mich deutlich in eine andere Richtung bewegt. Darüber freue ich mich. Auch jetzt noch. Das hat Spaß gemacht und war wichtig für mich.«

ALLEIN FÜR DIE GEBURT UNSERER TOCHTER HAT SICH DIE EHE GELOHNT


Irgendwann war dann aber das grundsätzliche Interesse aneinander abhandengekommen. Das, was einst angezogen hat, trennte auf einmal. Die körperliche Nähe blieb aus. Trotzdem haben die beiden keine schlechte oder unglückliche Ehe geführt. »Allein für die Geburt unserer wunderbaren Tochter hat sich alles gelohnt«, sagt Manu zufrieden.

»Es gab Punkte, die nicht gut waren, und das waren auch immer die gleichen. Zwischendurch und vor allem auch nach einigen Eheberatungsgesprächen haben wir dann immer wieder gedacht: Jetzt haben wir es im Griff. Hatten wir aber nicht. Denn die Kleinigkeiten summierten sich.«

Der Kern ihrer Beziehung war mittlerweile so versteckt, verkümmert oder unauffindbar, dass die gemeinsame Kommunikation oder Zweisamkeit ausblieb. Jeder hat sein Leben gelebt, eine schleichende Entfremdung. Bis zu dem besagten Gespräch an einem Dienstag Anfang September.

Ich frage Manu nach seinen Gefühlen während des Gesprächs. Er sei zusammengebrochen, sagt er. Weil er seine damalige Frau zu dem Zeitpunkt immer noch geliebt hat. Er wollte es nicht wahrhaben. Thematisch wusste er, dass so etwas auf sie zukommen könnte, aber in der Konsequenz hat es ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Irgendetwas in ihm hat schon in dem Moment gefühlt, dass das eine unabwendbare Entscheidung war. Er wusste, dass es seiner Frau nicht gut ging. Dass sie müde war und nicht mehr in die Beziehung investieren konnte. Deshalb sagte er zu ihr: »Wenn die Chance, dass es dir...

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