Tantrischer Orgasmus
Vor einigen Wochen kam ein Paar in meine Erotik-Coaching-Praxis, das sexuelle Probleme hatte. Nennen wir sie Nicole und Stefan, die Namen sind unwichtig, denn was die beiden erleben, ist stellvertretend für viele Paare. »Ich finde unseren Sex langweilig«, erzählte Nicole. »Es ist immer wieder der gleiche Ablauf, erst streichelst du über meine Brüste, dann beschäftigst du dich ein wenig mit meinem Genitalbereich und anschließend haben wir ca. fünf Minuten Sex. Nachdem du gekommen bist, schläfst du meistens gleich ein. Da habe ich schon gar keine Lust mehr überhaupt erst anzufangen.« Stefan saß betreten daneben und schaute mich Hilfe suchend an. »Wie empfinden Sie denn Ihr Liebesleben?«, versuchte ich ihn aus der Reserve zu locken. »Ja, meine Frau hat schon recht, ich bin nicht sehr einfallsreich im Bett«, gab er betreten zu. »Aber das liegt auch daran, dass sie mir nicht sagt, was sie denn anders haben möchte.« Für viele Frauen ist die eigene sexuelle Befriedigung immer noch >Männersache< und auch meine Klientin wollte für Ihre Befriedigung keine Verantwortung übernehmen. »Ich habe das Gefühl, dass ich nie auf meine Kosten komme«, sagte Nicole. »Manchmal tue ich sogar so, als ob ich auch einen Orgasmus hätte«, gab sie zögernd zu. »Ich will dir natürlich auch nicht wehtun und ich möchte, dass du dich als guter Liebhaber fühlst«, setzte sie noch nach. Meiner Erfahrung nach, haben ca. 70% aller Frauen im Bett schon mal einen Orgasmus vorgetäuscht. Das geschieht entweder, weil man dem Liebsten die Versagensängste ersparen möchte oder weil man als Frau vielleicht einfach seine Ruhe haben will und der krampfhafte Versuch die Liebste zum Orgasmus zu vögeln, zu lecken oder zu massieren, kann mit der Zeit ganz schön anstrengend sein. Dabei sollte das Liebesspiel doch eigentlich Spaß machen. »Was ist Ihnen denn an der Sexualität am wichtigsten?«, fragte ich die beiden.
»Ich möchte einen möglichst geilen Orgasmus haben«, sagten Nicole und Stefan fast gleichzeitig und ausnahmsweise waren sie beide einer Meinung. »Aber was halten Sie davon, wenn ein Orgasmus nicht nur ein paar Sekunden andauert, sondern sich über einen langen Zeitraum aufbaut und Sie auf einer ekstatischen Welle reiten, die viele Stunden anhalten kann?«, fragte ich Nicole und Stefan. »Was kann ich mir unter einer ekstatischen Welle denn vorstellen?«, fragte Nicole interessiert nach. »Wenn sich die sexuelle Energie nicht in einem körperlichen Orgasmus entlädt und man sie stattdessen ganz bewusst durch den eigenen Körper fließen lässt, dann entsteht ein Gefühl von prickelnder Ausdehnung, die körperlichen Grenzen scheinen sich aufzulösen, die Zeit steht still und es ergibt sich eine ganz innige erotische Verbindung mit dem Partner. Jeder Mensch erlebt diesen Zustand ein wenig anders, aber es ist ein Gefühl von tiefem Glück und innerer Zufriedenheit. »Kann man so etwas lernen?«, fragte Stefan zweifelnd. »Ja, wenn man sich mit Tantra beschäftigt, kann man das lernen. Aber dazu gehört zunächst mal, dass man die krampfhafte Suche nach dem körperlichen Orgasmus völlig aufgibt und ihn sogar bewusst zurückhält. Das klingt paradox, aber Tantra hat mit scheinbaren Wiedersprüchen zu tun. Der Weg ist das Ziel und erst wenn man das Liebesspiel als solches genießen kann, wenn man die eigene Sinnlichkeit wieder intensiver erlebt, dann stellt sich eine andere Art von Höhepunkt ein, der viel schöner sein kann, als eine Ejakulation. Und auf alle Fälle hat man länger Spaß. Natürlich gibt es dafür auch Übungen, die ich Ihnen zeigen kann.« Meine Klienten waren zwar noch etwas skeptisch, aber da sie auch neugierig waren, ließen Sie sich auf eine spannende Entdeckungsreise ein, bei der sie eine völlig neue Art von Sinnlichkeit und Erotik kennenlernten.
Viele Paar sind so sehr auf den körperlichen Orgasmus fixiert, dass sie vergessen, die emotionale Nähe zu genießen. Dabei gibt es so viele andere Möglichkeiten, ein intensives sexuelles Erlebnis zu haben und den körperlichen Orgasmus lange Zeit unter Kontrolle zu halten: Sie können z.B. Ihren Partner mit den verschiedensten Sinnesreizen verführen, ihn streicheln, kneten, drücken, küssen, beißen, kratzen oder auch nur liebevoll festhalten. Sie können mit exotischen Düften die Gefühle stimulieren und mit aphrodisierenden Köstlichkeiten den Gaumen verwöhnen. Sie können lernen, mit speziellen Körpertechniken die Libido aufzuheizen, Ihre sexuelle Kraft im ganzen Körper zu spüren und diese potente Energie sogar zur Erfüllung Ihrer Wünsche zu benutzen. In diesem Buch, werden Sie dazu viele spannende Anleitungen erhalten. Wenn Sie einen tantrischen Orgasmus erleben möchten, sollten Sie sich zunächst damit beschäftigen, wie ein ganz »normaler« Orgasmus im Körper abläuft.
Was genau passiert bei einem körperlichen Orgasmus?
Erregungsphase:
Bevor es zu einem Höhepunkt kommt, muss ein auslösender Impuls gegeben sein. Es ist sehr unterschiedlich, was jeden anmacht und was eine erste Erregung auslöst. Es kann eine körperliche Berührung sein, ein Kuss, eine erotische Fantasie, ein handfester Porno oder auch der Gedanke oder die Stimme eines geliebten Menschen kann erregend sein.
In dieser ersten Phase laufen folgende Prozesse im Körper ab:
-Puls und Atmung werden beschleunigt
-Der Blutdruck steigt
-Bei der Frau schwellen Schamlippen und Klitoris an
-Die Scheide wird feucht, länger und weiter und soll das Eindringen des Penis erleichtern
-Beim Mann fließt mehr Blut in die Schwellkörper, dadurch wird der Penis größer und richtet sich auf
Plateauphase:
In dieser Vorstufe zum Höhepunkt nimmt die Erregung zu und erreicht Ihre größte Intensität und bleibt dann auf einem hohen Niveau (Plateau) bestehen. Die körperlichen Reaktionen laufen so ab:
-Die Muskelspannung steigt an und die Kontrolle über den Körper lässt nach
-Blutdruck, Puls und Atmung steigen weiterhin an, bis die größtmögliche Intensität erreicht ist
-Bei der Frau sondern die Bartholin-Drüsen, die im Scheidenvorhof zwischen den beiden kleinen Schamlippen liegen ein Sekret ab und die Vagina wird noch feuchter; Die Schamlippen verfärben sich rötlich-violett
-Beim Mann tritt aus der Harnröhrenöffnung eine besondere Flüssigkeit hervor, der sogenannte Lusttropfen, der auch schon einige Spermien enthalten kann. Die Hoden schwellen weiter an und die Eichel verfärbt sich rötlich-violett.
Orgasmusphase:
Der körperliche Höhepunkt, ist mit der größtmöglichen Muskelanspannung und einer explosionsartigen Entladung eines Ejakulats und einer anschließenden Entspannungsphase verbunden.
-Bei der Frau zieht sich die Muskulatur von Vagina, Beckenboden und der Gebärmutter viele Male rhythmisch zusammen.
-Es kann ein weißes Ejakulat fließen, das in den Bartholin-Drüsen gebildet hat.Beim Mann zieht sich der Beckenboden zusammen, die
Muskelkontraktionen sind oft weniger als bei der Frau. Es wird Sperma ejakuliert, das in den Hoden produziert wurde
Beim tantrischen Ganzkörperorgasmus wird das Ejakulat nicht nach außen gegeben, sondern die sexuelle Energie wird im ganzen Körper verteilt und dieser ekstatische Zustand kann dadurch viele Stunden lang anhalten und sich immer wieder erneut aufladen.
Der tantrische Ganzkörperorgasmus
Erregungsphase:
Die körperlichen Reaktionen sind ebenso wie beim normalen Orgasmus. Allerdings wird die Erregung bewusster gesteuert und es wird mit unterschiedlichen Sinnesreizen wie Tüchern, Federn, Düften und liebevollen Berührungen gespielt
Plateauphase:
Auch hier sind die physischen Reaktionen ähnlich wie beim körperlichen Orgasmus. Aber die Erregung wird insbesondere durch Intimität und Nähe und nicht durch unpersönliche Geilheit beeinflusst: Augenkontakt, körperliche Berührungen und gemeinsame Atmung verstärken das Gefühl von Verbundenheit und Liebe.
Orgasmusphase:
Anders als beim normalen Höhepunkt kommt es beim tantrischen Ganzkörperorgasmus nicht zu einer körperlichen Entladung, sondern im Zustand der höchsten körperlichen Anspannung wird der Körper in einen Zustand von Entspannung versetzt, indem man bewusst und tief atmet und die sexuelle Energie über die Wirbelsäule nach oben zieht. Dadurch kann dieser Zustand der...