Sättigung, Halbsättigungszeiten und M-Wert
Für dieses eBook wird davon ausgegangen, dass der Leser über Grundkenntnisse der Sättigungsproblematik verfügt. So ist davon auszugehen, dass dem Leser bekannt ist, dass der menschliche Körper aus verschiedenen „Baumaterialien“ – sprich: Geweben – besteht, die sich unterschiedlich schnell mit dem als Hauptverursacher der Dekompressionskrankheit angenommenen Stickstoff und anderen in unserem Atemgasgemisch enthaltenen Gasen sättigen. Übliche Gewebeeinteilungen gehen aus vom Blut, das sich besonders schnell sättigt, über das Gehirn, das Rückenmark, die Haut, die Muskulatur, das Innenohr, Gelenke und schließlich Knochen, die sich von allen genannten „Geweben“ am langsamsten sättigen; das gleiche gilt umgekehrt für die Entsättigung. Dass ein harter Knochen langsamer ein Gas absorbiert und entsprechend länger braucht, bis er es wieder abgegeben hat, ist einleuchtend und vorstellbar. Ebenso dürfte dem Leser bekannt sein, dass Tauchtabellen wie Tauchcomputer nicht mit echten Geweben des menschlichen Körpers, sondern in ihrem Rechenmodell (dem „Algorithmus“) mit theoretischen Geweben arbeiten, die zur deutlicheren Unterscheidung gewöhnlich als Kompartimente bezeichnet werden.
Beim Recreational Dive Planner (RDP) von DSAT und den darauf basierenden Tauchcomputern sind dies, wie bereits erwähnt, 14 Kompartimente, mit Halbsättigungszeiten von 5 – 10 – 20 – 30 – 40 – 60 – 80 – 100 – 120 – 160 – 200 – 240 – 360 und 480 Minuten.
Den Bühlmann Algorithmen ZH-L12 und ZH-L16 sowie darauf basierenden Tauchtabellen und Tauchcomputern liegen 16 Kompartimente zugrunde, denen Bühlmann bis auf wenige Ausnahmen unterschiedliche Halbsättigungszeiten zugeordnet hat: beim ZH-L12 sind es 2,65 – 7,94 – 12,2 – 18,5 – 26,5 – 37 – 53 – 79 – 114 – 146 – 185 – 238 – 304 – 397 – 503 und 635 Minuten, beim ZH-L16 sind es 4 – 5 – 12,5 – 18,5 – 27 – 38,3 – 54,3 – 77 – 109 – 146 – 187 – 239 – 305 – 390 – 498 und 635 Minuten; weiter unten gehen wir noch genauer darauf ein.
Ohne in diesem eBook tiefschürfend der Frage nachgehen zu können, wie es zu diesen Werten kam (dies kann in einer Fülle von entsprechender Literatur sowie in Beiträgen in Zeitschriften und im Internet nachgelesen werden), soll hier der Begriff „Halbsättigungszeit“ und darauf aufbauend der Begriff „M-Wert“ genauer unter die Lupe genommen werden.
Halbsättigungszeit
Für den englischen Terminus „saturation halftime“ erscheint in manchen Publikationen der verkürzte Begriff „Halbwertszeit“. Da mit Halbwertszeit üblicherweise die Zeitspanne bezeichnet wird, in der die Menge eines radioaktiven Elementes zerfallen ist und damit auch dessen Strahlung durch den Zerfall auf die Hälfte gesunken ist, wird in diesem eBook wie in etlichen anderen Publikationen zum Tauchen zur deutlicheren Unterscheidung der Begriff Halbsättigungszeit verwendet, und es wird damit die Zeit in Minuten bezeichnet, die ein Kompartiment braucht, um sich zur Hälfte mit Gas zu sättigen bzw. zu entsättigen. Im Zusammenhang mit Atomkraftwerken wird neben Plutonium gewöhnlich Uran genannt; Beispiele: das Plutonium-Isotop 244 erfreut sich einer Halbwertszeit von rund 80 Millionen Jahren, das radioaktive Uran-Isotop 238 kann dagegen „nur“ mit etwas über 4 Millionen Jahren aufwarten. Angesichts solcher Zeiträume verwundert es kaum, dass die sog. Entsorgung und sichere Endlagerung ausgebrannter Brennstäbe von Atomkraftwerken ein bisher ungelöstes Problem der Menschheit darstellt; in Deutschland wird z.B. im Jahre 2014 wieder einmal nach einem solchen „Endlager“ gesucht – für mindestens eine Million Jahre. So lange dauern beim Tauchen Sättigung und Entsättigung von Geweben und Kompartimenten natürlich nicht, sondern man geht – mathematisch nicht ganz korrekt, aber für das Tauchen völlig ausreichend – davon aus, dass eine vollständige Sättigung bzw. Entsättigung nach 6 Halbsättigungszeiten erfolgt ist. Anders ausgedrückt wird unter Halbsättigungszeit die Zeit in Minuten verstanden, die ein bestimmtes Kompartiment benötigt, damit der anfängliche Druck im „Gewebe“ in der neuen Tiefe die Hälfte seines vollen Drucks erreicht. Mathematisch gesehen geht es um die Zeit, in der sich ein mit der Zeit exponentiell zu- bzw. abnehmender Wert halbiert hat.
Bei der Entsättigung halbiert sich die nach einer Halbsättigungszeit verbliebene Menge im Laufe der zweiten Halbsättigungszeit wiederum, d.h. es verbleibt 1/4, nach drei Halbsättigungszeiten 1/8, dann 1/16, 1/32, 1/64 und so weiter, oder in Prozent ausgedrückt:
50% [100% minus 1/2 von 100]
25% [50 minus 1/2 von 50]
12,5% [25 minus 1/2 von 25]
6,25% [12,5 minus 1/2 von 12,5]
3,13% (gerundet) [6,25 minus 1/2 von 6,25 = 3,125]
1,56% (gerundet) [3,125 minus 1/2 von 3,125 = 1,5625] – usw.
Bei der Sättigung (Gasaufnahme/Absorption) entsprechend:
50% [1/2 von 100%]
75% [50 plus 1/2 von 50]
87,5% [75 plus 1/2 von 25]
93,8% (gerundet) [87,5 plus 1/2 von 12,5 =...