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E-Book

Telemedizin

Wege zum Erfolg

AutorCarsten Schultz, Christine Carius, Johannes Dehm, Jör, Karolina Budych, Martin Schultz, Thomas Helms
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl168 Seiten
ISBN9783170240124
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis25,99 EUR
Das Werk basiert auf den Ergebnissen des BMBF-Projekts 'S.I.T.E. - Schaffung eines Innovationsmilieus für Telemedizin'. Im Zentrum stehen die Analyse und die Systematisierung von Erfolgsfaktoren zur nachhaltigen Etablierung der Telemedizin in der Versorgung, mit Fokus auf dem Telemonitoring. Darauf aufbauend werden interdisziplinäre, praxistaugliche Lösungsansätze entwickelt und dargestellt. Dazu zählen u. a. Qualifikationsprogramme und die Möglichkeiten der Zertifizierung. Schließlich kommen auch zahlreiche namhafte Experten zu Wort und schildern ihre Sicht auf die wesentlichen Erfolgskriterien in der Telemedizin.

Federführende Autoren sind Karolina Budych (Deutsche Stiftung für chronisch Kranke), Christine Carius-Düssel (Telemedizincentrum der Charité Berlin), Prof. Dr. Carsten Schultz (Lehrstuhl für Technologiemanagement, Universität zu Kiel), Dr. med. Thomas M. Helms (Deutsche Stiftung für chronisch Kranke).

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Leseprobe

B Einführung und Überblick


Karolina Budych und Christine Carius-Düssel

B.1 Ausgangslage und Problemstellung


Das deutsche Gesundheitswesen steht aufgrund der demografischen Entwicklungen, des damit einhergehenden steigenden Kostendrucks und den gleichzeitig hohen Qualitätsansprüchen vor zahlreichen Herausforderungen. Als besonders dringliches Problem stellt sich dabei die Situation der hausärztlichen Versorgung dar: So werden bis zum Jahr 2020 fast 24.000 Hausärzte aus dem System ausscheiden, ein Großteil davon in den neuen Ländern (Kopetsch 2010). Hinzu kommt die unzureichende Koordination der Versorgungsebenen und Sektoren, die in diskontinuierlichen Prozessen und Redundanzen resultiert.

Um die ständig wachsenden volkswirtschaftlichen Belastungen zu minimieren und die Qualität und Effizienz der Gesundheitsversorgung auch bei chronischen Erkrankungen und bei aufgrund von Multimorbidität komplexeren Krankheitsverläufen langfristig zu sichern, erscheint eine Weiterentwicklung der gegenwärtigen Versorgungsstrukturen notwendig. Eine mögliche Lösung wird im Einsatz von Telemedizin gesehen. Die Innovationsdynamik in der Medizintechnik und Informations- und Kommunikationstechnik erlaubt eine verbesserte Versorgung über räumliche Distanzen. Telemedizin unterstützt den unmittelbaren Austausch zwischen verschiedenen medizinischen Leistungserbringern und kann als zentrales Service- und Informationstool zur Steuerung von Informations- und Datenfluss zwischen Patient, Krankenhaus, niedergelassenem Arzt und Pflegeeinrichtung genutzt werden. Die informationstechnische Unterstützung visualisiert die zu analysierenden Daten und bietet Hilfe bei der Erstellung einer fachgerechten Dokumentation. Damit wird die sektorenübergreifende Versorgung der Patienten im Sinne einer durchgehenden Versorgungslinie von der ambulanten über die stationäre bis hin zur rehabilitativen Versorgung, auch im häuslichen Bereich, ermöglicht. Telemedizin kann insbesondere in ländlichen Regionen dazu beitragen, eine drohende bzw. bereits bestehende Lücke in der ambulanten hausärztlichen Versorgung abzufedern. Die Behandlung kann facharzt- und sektorenübergreifend in einer elektronischen Patientenakte dokumentiert werden. Die Abstimmung ermöglicht das Vermeiden von kostenintensiven Mehrfachuntersuchungen. Damit bietet Telemedizin ein großes Potenzial für Qualitäts- und Effizienzsteigerungen im Gesundheitsmarkt.

Die Inhalte des Projektes „S.I.T.E. – Schaffung eines Innovationsmilieus für Telemedizin“ fokussieren ein spezielles Anwendungsfeld der Telemedizin: das Telemonitoring. Dieses ermöglicht die kontinuierliche telemedizinische Überwachung von Vitalparametern chronisch kranker Patienten und damit eine intensivere und engmaschigere Betreuung. Es handelt sich hierbei um einen ganzheitlichen Betreuungsansatz, der über die reine Datenübertragung hinausgeht und den Patienten in seiner gesundheitlichen und sozialen Gesamtsituation betrachtet. Telemonitoring bietet die Möglichkeit, qualitativ hochwertige Patientenversorgung über räumliche Distanz sicherzustellen. Durch die kontinuierliche Erhebung von Messdaten wird ein rechtzeitiges Erkennen von relevanten Veränderungen des Gesundheitsstatus des Patienten ermöglicht. Die Therapie wird stärker an den individuellen Bedarf angepasst und Therapierisiken können verringert werden. Durch die Verkürzung oder gar Vermeidung von Krankenhausaufenthalten können so die Ausgaben für die Behandlung chronisch Kranker gesenkt werden. Darüber hinaus eröffnen Telemonitoring-Lösungen die Chance, Patienten in den Behandlungsprozess mit mehr Eigenverantwortung einzubeziehen, was zu einer höheren Compliance beiträgt, die sich in den Behandlungsergebnissen widerspiegeln kann. Versorgungsmodelle wie Disease Management Programme (DMP) fokussieren genau diese Patientenorientierung (Sachverständigenrat der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen 2003; Bohle 2002). Durch den Einsatz von Telemonitoring können diese Versorgungsmodelle schneller und kostengünstiger angeboten werden. Die Patient-Arzt-Beziehung wird durch ein neues Rollenverständnis intensiviert und der Patient in seiner Rolle als aktiver Partner – nicht zuletzt durch die Bereitstellung qualitätssichernder Informationen – gestärkt und in den Behandlungsprozess eingebunden.

Doch dieses Potenzial des Telemonitoring wird nicht von allen Akteuren positiv bewertet. Häufig wird die Gefahr der Entfremdung der Patient-Arzt-Beziehung gesehen und eine technikbezogene Gesundheitsversorgung kritisiert. Die automatisierte Übertragung von Vitaldaten kann von Patienten als Überwachung empfunden werden. Die mangelnde Akzeptanz von Telemedizin und Telemonitoring wird durch fehlende Information und Intransparenz weiter verstärkt.

Der Telemedizinmarkt ist zudem sehr heterogen. Die verschiedenen Interessensgruppen (wie zum Beispiel Ärzte, Patienten, Lobbyisten, Dienstleister, Hersteller von Medizinprodukten, Kostenträger) haben jeweils eigene Zielvorstellungen entwickelt. Die aus der Vielfältigkeit der Interessensgruppen resultierenden divergenten Anforderungen an den Innovationsprozess hemmen die Entfaltung der Möglichkeiten der Telemedizin (Reiter et al. 2011).

Diese Diskrepanz zwischen Möglichkeiten und tatsächlicher Realisierung im Markt bietet den Ausgangspunkt für das S.I.T.E.-Projekt, in dem die Innovationstreiber für eine nachhaltige Umsetzung von telemedizinischen Versorgungsangeboten analysiert wurden. Ziel des vorliegenden Buches ist es, die wesentlichen Ergebnisse des S.I.T.E.-Projektes vorzustellen. Insbesondere werden bestehende Barrieren dargestellt und mögliche Lösungsansätze sowie konkrete Handlungsempfehlungen aufgezeigt, die eine Implementierung von Telemedizin unterstützen. Um die Vorgehensweise im Projekt und die gewonnenen Erkenntnisse systematisch zu beschreiben, gliedert sich das Buch in vier Abschnitte. Teil B enthält eine Einführung in den Themenbereich telemedizinischer Dienstleistungen. Es wird sowohl auf die Relevanz und Systematisierung telemedizinischer Dienstleistungen als auch auf deren historische Entwicklung eingegangen. Zudem wird eine kurze Übersicht über das S.I.T.E.-Projekt gegeben und insbesondere die Vorgehensweise bei der Erarbeitung der Themenstellungen vorgestellt. Teil C widmet sich Barrieren und Erfolgsfaktoren, die die Einführung telemedizinischer Dienstleistungen maßgeblich beeinflussen. Im Teil D werden konkrete Lösungsansätze mit Fokus auf die Finanzierung, Standardisierung, Zertifizierung und Qualifizierung vorgestellt. Darauf aufbauend erfolgt in Teil E die Zusammenführung der Ergebnisse in einem Ausblick.

„Telemedizin – Wege zum Erfolg“ richtet sich an Anbieter telemedizinischer Dienstleistungen, an Kostenträger sowie Entscheidungsträger in der Gesundheitspolitik. Akteure, die sich für das Thema Telemedizin interessieren und sich aktiv an der Gestaltung telemedizinischer Konzepte beteiligen wollen, erhalten wertvolle, wissenschaftlich fundierte Anregungen und Handlungsempfehlungen.

B.2 Methodischer Ansatz im Projekt


Die telemedizinischen Projekte und Versorgungsprogramme in Deutschland umfassen ein breites Spektrum an Anwendungsfeldern. Dennoch bleibt die Überführung und Implementierung der Erkenntnisse und der aufgebauten Strukturen in die Versorgungsrealität schwierig. Vor diesem Hintergrund hat das S.I.T.E.-Konsortium die zugrundeliegenden Barrieren identifiziert und Lösungsansätze sowie den resultierenden Handlungsbedarf formuliert. Abbildung 1 fasst die Vorgehensweise zusammen.

Das S.I.T.E.-Konsortium hat hierfür eine Workshop-Reihe mit einem ausgewählten Expertenkreis aus Ärzten, Anbietern telemedizinischer Dienste und Produkte, Vertretern von Krankenkassen und bundesweiten Verbänden, Wissenschaftlern und Politikern initiiert. Im mehrstufigen, qualitativen Verfahren haben die Experten die Situation des Telemonitoring in Deutschland mit Hilfe verschiedener interaktiver Instrumente und assoziativer Techniken zusammengetragen und darauf aufbauend richtungsweisende Lösungsstrategien abgeleitet. Die ersten beiden Workshops dienten der Analyse der Barrieren im Telemonitoring-Markt und der Ableitung von ersten Lösungsansätzen zu ihrer Überwindung (vgl. Kapitel D.1). Zunächst erfolgte hierzu eine Klassifizierung der Barrieren, wobei primär die spezifischen Anforderungen aus den Perspektiven der Kostenträger und Dienstleistungsanbieter fokussiert wurden. In einem zweiten Schritt wurden die relevanten Erfolgsfaktoren für eine Weiterentwicklung des Telemedizinmarktes aus den Perspektiven unterschiedlicher Stakeholder abgeleitet und die jeweils erforderlichen Erfolgsvoraussetzungen untersucht. Dabei wurde deutlich, dass es für eine erfolgreiche Umsetzung von telemedizinischen Konzepten tragfähiger Geschäftsmodelle bedarf. Im dritten Workshop wurden daher mögliche Geschäftsmodelle diskutiert und beschrieben (vgl. Kapitel E.3). Um die Ergebnisse unter Berücksichtigung der dynamischen technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und der unsicheren (gesundheits-) politischen Rahmenbedingungen zu reflektieren, wurde zudem die perspektivische Entwicklung des Telemonitoring skizziert. Im vierten Workshop wurden schließlich die Möglichkeiten der Innovationsfinanzierung als Instrument zur Einführung neuer telemedizinischer Versorgungsformen erläutert und diskutiert (vgl. Kapitel E.2). Durch die Kontinuität dieser Veranstaltungen und die Dynamik, die sich aus dem immer größer werdenden Teilnehmerkreis ergab, konnte eine sehr große Bandbreite an relevanten Aspekten erfasst und daher erstmalig eine holistische Betrachtung und Analyse der Barrieren...

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