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Teufelskreis Bulimie

Ein Manual zur psychologischen Therapie

AutorBrunna Tuschen-Caffier, Irmela Florin
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl90 Seiten
ISBN9783840923722
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis30,99 EUR
Die Behandlung von Essstörungen erfordert von Therapeuten ein hohes Ausmaß an Expertise. Den Patientinnen fällt es unter anderem aus Angst vor einer Gewichtszunahme meistens schwer, sich auf die Therapie einzulassen und die Anregungen der Therapeuten aufzugreifen und für sich nutzbar zu machen. Das Manual beschreibt die psychologische Behandlung von Patientinnen mit Bulimia Nervosa. Es zeigt anhand von zahlreichen Fallbeispielen und Therapeut-Patient-Dialogen auf, wie man die Patientinnen für die Therapie motivieren und mit Widerstand in der Therapie umgehen kann. Einleitend erfolgt eine Beschreibung des Störungsbildes und Hinweise zum diagnostischen Vorgehen. Neben ätiologischen Modellen und Befunden wird ein Überblick über Ansätze zur Behandlung der Bulimia Nervosa gegeben. Anschließend wird das therapeutische Vorgehen ausführlich beschrieben, das aus drei Behandlungsbausteinen besteht: Ernährungsumstellung, Figurexposition und Umgang mit Belastungen. Darüber hinaus vermittelt das Manual Regeln zur therapeutischen Gesprächsführung. Ein Leitfaden zur Durchführung der Figurexposition gibt konkrete Hilfestellungen für die Umsetzung der Übungen in der therapeutischen Praxis. Des Weiteren werden verschiedene Expositionsübungen sowie kognitive Strategien vorgestellt, durch die die Patientinnen lernen, sich ihren Lebensproblemen zu stellen und neue Formen der Konflitk- und Problembewältigung zu erproben. Ein generelles Ziel der Therapie ist, die Patientinnen anzuregen, neue Sichtweisen über sich bzw. ihren Wert als Person zu entdecken sowie ihren Handlungs- und Erlebnisspielraum zu erweitern.

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Kapitelübersicht
  1. Inhaltsverzeichnis, Vorwort und Danksagungen
  2. Vorwort und Danksagungen
  3. Kapitel 1 Einleitung und Beschreibung des Störungsbildes
  4. Kapitel 2 Diagnostik
  5. Kapitel 3 Befunde und Modelle zur Ätiologie und Aufrechterhaltung der Bulimia Nervosa
  6. Kapitel 4 Behandlungsansätze
  7. Kapitel 5 Therapeutisches Vorgehen
  8. Kapitel 6 Wirksamkeit der Behandlung
  9. Literatur
  10. Anhang
Leseprobe
Die Items dieser Skala beziehen sich dabei auf „Störquellen“ wie situative oder emotionale Faktoren . Die dritte Skala des Fragebogens bezieht sich auf Erlebte Hungergefühle, das zentrale Motiv für eine Nahrungsaufnahme . Der TFEQ und FEV sind parallel weiterentwickelt worden (Westenhöfer, 1991) . Kernpunkt der Weiterentwicklung war die Aufnahme weiterer Items zur Unterteilung der Skala Kognitive Kontrolle in die Aspekte Rigide Kontrolle und Flexible Kontrolle . Es liegt eine Reihe von Hinweisen zur Validität dieser Unterscheidung im subklinischen Bereich vor . Weniger klar ist gegenwärtig allerdings, inwieweit diese Unterscheidung tatsächlich bei klinischen Fällen hilfreich ist . EDI-2. Wenn es bei einer diagnostischen Erhebung darum geht, bulimische und gesunde Frauen voneinander zu unterscheiden sowie die Veränderung hinsichtlich bulimischer Verhaltensweisen – z . B . nach einer psychotherapeutischen Intervention – zu bestimmen, empfiehlt sich der Einsatz der Skala Bulimie des Eating Disorder Inventory (EDI-2; Garner, Olmsted & Polivy, 1983; deutschsprachige Übersetzungen u . a . von Thiel et al ., 1997; Paul & Thiel, 2005; Rathner & Waldherr, 1997) . Die Skala Bulimie erfasst Symptome wie Essanfälle, Erbrechen und heimliche Nahrungsaufnahme . Darüber hinaus gibt es noch zwei weitere Skalen, die sich ebenfalls auf die Primärsymptomatik von Essstörungen beziehen, nämlich die Erfassung des Schlankheitsstrebens und Körperunzufriedenheit . Die genannten drei Skalen werden häufig als Kurzform des EDI eingesetzt . Die Originalversion bzw . lange Fassung des EDI umfasst dagegen insgesamt acht Skalen bzw . in der überarbeiteten Fassung (EDI-2) sogar elf Skalen; die Skalen sind aber überwiegend nicht auf die Primärsymptomatik von Essstörungen bezogen (z . B . die Skalen Minderwertigkeitsgefühle, Angst vor dem Erwachsenwerden, Soziale Unsicherheit) . Eine ausführliche Beschreibung dieser und anderer Verfahren sowie Empfehlungen für den Einsatz von Fragebogenverfahren bei der Diagnostik von Essstörungen finden sich bei Tuschen-Caffier, Pook und Hilbert (2005) . Neben der klassifikatorischen und psychometrischen Diagnostik empfiehlt sich für die Therapieplanung sowie für die Verlaufsmessung die Nutzung von Tagebüchern zur Erfassung von Auslösebedingungen der Essanfälle sowie des Ernährungsverhaltens (siehe dazu z . B . das Marburger Ernährungsprotokoll oder das Marburger Essanfall-Tagebuch im Anhang, S . 80-81 und 8284) .

Kapitel 3 Befunde und Modelle zur Ätiologie und Aufrechterhaltung der Bulimia Nervosa

3.1 Genetische Faktoren

Neben verschiedenen biologischen Faktoren wird in neuerer Zeit vor allem auf genetische Faktoren hingewiesen, die die Anfälligkeit für die Bulimia Nervosa erhöhen könnten . So haben sich höhere Konkordanzraten für eineiige als für zweieiige Zwillinge ergeben (Fichter & Noegel, 1990) . Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Differenz der Konkordanzraten für monozygote und dizygote Zwillinge, die zusammen aufgewachsen sind, eine genetische Prädisposition widerspiegelt . Eine alternative Erklärung ist, dass monozygote Zwillinge aufgrund der genetisch bedingten Ähnlichkeit von ihrer Umwelt vermutlich ähnlicher behandelt werden als dizygote .

Es kann ferner sein, dass genetische Faktoren nicht direkt für eine bestimmte Essstörung prädisponieren, sondern dass sie stattdessen für bestimmte körperliche Bedingungen, z .B . Bildung von Körperfett bei Mädchen in der Pubertät, eine füllige Figur oder ein geringer Energieverbrauch, verantwortlich sind, die das Risiko für die Entstehung von Essstörungen erhöhen können . So weisen neuere Befunde der Adipositasforschung darauf hin, dass die Ausschüttung des Hormons Leptin, das an der Regulation der Energieaufnahme und des Energieverbrauchs beteiligt ist, genetisch gesteuert wird (Hebebrandt et al ., 1997; Hebebrandt & Hinney, 2000; Prittwitz et al ., 1997) . Allerdings ist bisher noch nicht geklärt, ob in dieser Hinsicht bei Patienten mit Bulimia Nervosa genetische Defekte vorliegen .

3.2 Biobehaviorale Faktoren

Retrospektive Berichte von Frauen mit Bulimia Nervosa deuten darauf hin, dass sich die Betroffenen vor Beginn ihrer Essstörung häufig kalorienreduziert und unausgewogen ernährt haben (Patton, Johnson, Wood, Mann & Wakeling, 1990) . Es gibt Hinweise darauf, dass ein solcher gezügelter Essstil bereits in der Mutter-Kind-Interaktion vermittelt werden kann (Franzen & Florin, 1995) . Experimentelle Befunde legen ferner nahe, dass ein gezügelter Essstil nicht nur in korrelativem Zusammenhang mit den Essanfällen steht, sondern die Essanfälle auch mitbedingt (Wardle & Bales, 1988) .

Im Zusammenhang mit einem ungesunden Essverhalten (Diäthalten, kalorienreduzierter Essstil, Ess-Brech-Episoden) sind biologische Faktoren von Bedeutung, die im Wechselspiel mit psychischen Faktoren (z .B . Angst vor einer Gewichtszunahme) zur Entstehung bzw . Aufrechterhaltung der Bulimia Nervosa beitragen können . So gerät der Organismus durch die geringe und zudem unausgewogene Nahrungsaufnahme in den Zustand der Mangelernährung . Indikatoren dafür sind eine erhöhte Konzentration der freien Fettsäuren im Blut (Pirke, Pahl, Schweiger & Warnhoff, 1985), eine verstärkte Freisetzung von Wachstumshormon und Cortisol (Fichter & Pirke, 1989), eine verringerte Insulinsensitivität (Kaye, Gwirtsman & George, 1989) und Störungen im Menstruationszyklus (Pirke, Dogs, Fichter & Tuschl, 1988) . Eine Folge der Mangelernährung kann darin liegen, dass sich der Grundumsatz des Körpers verringert . Dies liegt insbesondere an der eingeschränkten Freisetzung des Schilddrüsenhormons Trijodthyronin sowie der verringerten Ausschüttung des Neurotransmitters Noradrenalin (Pirke et al ., 1988) . Die Anpassung des Organismus an eine verminderte Energiezufuhr bleibt auch bei ausreichender Kalorienzufuhr noch über einige Zeit bestehen . Wenn die Patientinnen ihre Nahrungsaufnahme wieder normalisieren, kann es daher kurzfristig zur Gewichtszunahme kommen (Laessle, Schweiger, Tuschl & Pirke, 1991) . Dies stellt für Bulimikerinnen, die ausgeprägte Sorgen um ihre Figur und ihr Gewicht haben, eine bedrohliche Situation dar . Die Anpassung des Organismus an den Zustand der Mangelernährung kann somit dazu beitragen, dass das gestörte Essverhalten (z . B . kalorienreduzierte, kohlenhydratund fettarme Ernährung) aufrechterhalten wird . Ferner kann das Auftreten von Heißhungergefühlen und Essanfällen nach längeren Phasen des Diäthaltens darauf zurückzuführen sein, dass der Körper mangelernährt ist .

Eine weitere Folge des häufigen Diäthaltens besteht in einer verringerten Aktivität des Neurotransmitters Serotonin (Schweiger, Warnhoff, Pahl & Pirke, 1986) . Die Serotoninsynthese ist abhängig von dem Vorhandensein der Aminosäure Tryptophan . Der Tryptophanspiegel im Gehirn erhöht sich insbesondere nach der Aufnahme von kohlenhydratreichen Nahrungsmitteln . In der Regel vermeiden Bulimikerinnen aber gerade diese Lebensmittel . Turner et al . (1991) wiesen in einer experimentellen Studie nach, dass sowohl bei Bulimikerinnen als auch bei gesunden Kontrollpersonen nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit mehr Tryptophan im Blut vorhanden ist als nach einer kohlenhydratarmen Mahlzeit . In einer anderen Studie wurde ein Zusammenhang zwischen dem Tryptophanquotienten im Blut und der Häufigkeit der Essanfälle festgestellt (Kaye, Gwirtsman, Brewerton, George & Wurtman, 1988) . Bulimikerinnen, die einen deutlichen Anstieg des Tryptophanquotienten aufwiesen, hatten weniger Essanfälle als die Patientinnen, bei denen kein solcher Anstieg beobachtet wurde . Es kann demnach vermutet werden, dass die Mangelernährung bzw . die damit verbundenen endokrinen und Stoffwechselveränderungen das Entstehen von Heißhungergefühlen und Essanfällen begünstigen . Experimentelle Untersuchungen an Frauen mit einem so genannten gezügelten Essstil (restrained eating; Herman & Mack, 1975) zeigen ferner, dass ihnen bei einer Reihe von Bedingungen die kognitive Kontrolle über das Essverhalten leicht verloren geht . Nach so genannten Vorab-Mahlzeiten, die die Untersuchungsteilnehmerinnen vor der eigentlichen Mahlzeit gegessen haben, dem Geruch oder Anblick von Speisen, bei Stressbelastungen unterschiedlicher Art sowie unter dem Einfluss negativer und positiver Stimmungen kann es bei vielen Menschen mit gezügeltem Essstil zu einer Enthemmung des Essverhaltens kommen (Cools, Schotte & McNally, 1992; Tuschen, Florin & Baucke, 1993): Während Menschen mit nicht gezügeltem Essstil (unrestrained eaters) unter diesen Bedingungen eher weniger essen, essen Menschen mit gezügeltem Essstil eher mehr . Dieses Phänomen der Gegenregulation (counterregulation) wird als Analogon zu den Essanfällen der Bulimikerinnen angesehen . Interessant ist, dass die Kontrolle über das Essverhalten im Fall dieser Störung oft unter den gleichen Bedingungen verloren geht wie bei Menschen mit gezügeltem Essverhalten .

Es ist davon auszugehen, dass Menschen z .B . auf den Geruch und Anblick von Essen mit so genannten antizipatorischen, physiologischen Reaktionen reagieren: Speichelfluss, Insulinanstieg mit anschließendem Abfall des Blutzuckerspiegels, Mobilisierung freier Fettsäuren, vermehrte Magenmotilität etc . bereiten den Organismus auf die Aufnahme der Nahrungszufuhr vor . Jansen (1994) geht von einem klassischen Konditionierungsmodell aus und nimmt an, dass die aufgenommene Nahrung als unkonditionierter Stimulus unkonditionierte Stoffwechselprozesse (z . B . Insulinanstiege, die Mobilisierung freier Fettsäuren) auslöst . Wenn auf den Anblick oder Geruch von Speisen häufig reichliche Nahrungsaufnahme folgt, können diese – den Annahmen des Modells zufolge – zu konditionierten Stimuli werden und ihrerseits die physiologischen Reaktionen (cephalic phase responses) auslösen, obwohl zuvor keine Nahrungsaufnahme erfolgt . Auch andere externe oder interne Stimuli (Langeweile, Einsamkeit, Aufregung, depressive Stimmungen, Leistungsdruck) können zu konditionierten Reizen für antizipatorische, auf Nahrungsaufnahme ausgerichtete, körperliche Reaktionen werden, sofern ihnen wiederholt eine Nahrungsaufnahme folgt . Die Essanfälle der Bulimikerinnen finden in individuell typischen Umgebungen (z . B . zu Hause) und in bestimmten psychischen Verfassungen statt (z .B . in einer traurigen Stimmungslage) . Es wird vermutet, dass diese externen und internen Bedingungen die Funktion konditionierter Stimuli für die antizipatorischen, physiologischen Reaktionen erlangen können (Jansen, 1994) . Die Forschung zur Überprüfung der Hypothesen des Modells ist allerdings noch am Anfang (s . dazu auch Florin & Tuschen-Caffier, 1998) .

3.3 Sozialisation

Es wird vermutet, dass in den Familien essgestörter Personen ungünstige Bedingungen für die Entwicklung von Autonomie und positivem Selbstwertgefühl vorherrschen (Bruch, 1980) . Zutreffend ist, dass Patientinnen mit Essstörungen oder Symptomen einer Essstörung oft ein geringes Selbstwertgefühl haben (Cooper & Fairburn, 1993; Button, Loan, Davies & Sonuga-Barke; 1997) . Noch nicht geklärt ist allerdings, welchen Beitrag die innerfamiliären Beziehungen hierzu…
Inhaltsverzeichnis
Teufelskreis Bulimie1
Inhaltsverzeichnis7
Vorwort und Danksagungen9
I. Theoretischer Hintergrund11
Kapitel 1 Einleitung und Beschreibung des Störungsbildes13
Kapitel 2 Diagnostik18
Kapitel 3 Befunde und Modelle zur Ätiologie und Aufrechterhaltung der Bulimia Nervosa21
Kapitel 4 Behandlungsansätze26
II. Therapiemanual31
Kapitel 5 Therapeutisches Vorgehen33
Kapitel 6 Wirksamkeit der Behandlung66
Literatur68
Anhang73

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