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Tiergestützte Therapie bei Kindern mit Lern- und Verhaltensauffälligkeiten. Heilpädagogisches Reiten

Am Beispiel des Heilpädagogischen Reitens

AutorJulia Brückmann
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl68 Seiten
ISBN9783640097005
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Pädagogik - Heilpädagogik, Sonderpädagogik, Note: 1,5, Universität Hamburg, 59 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Arbeit untersucht die Frage, inwieweit es möglich ist, anhand der tiergestützten Therapie Kinder mit Lern- und Verhaltensauffälligkeiten in ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung zu fördern. Die Fragestellung wird im Rahmen dieser Ausarbeitung speziell an der therapeutischen Arbeit mit Pferden untersucht. Deutschland spielt in Bezug auf den Einsatz des Mediums Pferd eine Vorreiterrolle in ganz Europa, weshalb mir diese Wahl als sinnvoll erscheint. Die Praxis ist der wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet der tiergestützten Therapie weit voraus. Daher ist es mir wichtig, die bereits vorhandene aktuelle Literatur zum genannten Therapiegebiet vorzustellen. Ein Blick über Deutschlands Grenzen hinaus zeigt sich hierbei als unvermeidbar. Beginnend soll anhand einer Studie von MAND aufgezeigt werden, dass Lehrer in Förderschulen häufig auf Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten treffen und diese Störungen nicht außer Acht gelassen werden dürfen in der Förderung des Kindes. Um die These der Komorbidität zwischen Lernbehinderung und Verhaltensstörung zu untermauern, werde ich anschließend die Ursachen beider Auffälligkeiten miteinander vergleichen. Danach werden einige Verhaltensstörungen, die sehr häufig anzutreffen sind, näher beschrieben und vorgestellt. Da es mir speziell um die Förderung der sozialen Kompetenz durch tiergestützte Therapie geht, wird im Anschluss eingehend erläutert, was unter diesem Begriff verstanden wird. Im zweiten Abschnitt wird das Konzept sowie die Geschichte der tiergestützten Therapie vorgestellt. Hierzu gehören natürlich auch ein Abriss des internationalen Forschungsstandes sowie die Erläuterung der Fachtermini. Der Abschnitt wird abgeschlossen mit der Darstellung der Besonderheiten der Kind-Tier-Beziehung sowie den damit verbundenen Grenzen. Da ich die Arbeit in der tiergestützten Therapie anhand eines speziellen Tieres erklären möchte, folgt im anschließenden Abschnitt 4 die Arbeit mit dem Pferd als Co-Therapeut. Zuerst soll die besondere Beziehung zwischen Mensch und Pferd belegt werden, natürlich auch anhand der Historie. Da sich die Reittherapie unterteilt in die drei Bereiche Hippotherapie, Behindertenreiten sowie heilpädagogisches Reiten und Voltigieren, werden diese im Folgenden vorgestellt. Welche Anforderungen an die Ausbildung des Therapeuten gestellt werden, ist im Kapitel 4.4 beschrieben. Im Anschluss folgen die Anforderungen an den Charakter, die Haltung sowie die Ausbildung des Therapiepferdes...

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Leseprobe

3 Die tiergestützte Therapie


 

Schon vor dem Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Idee, dass Tiere eine sozialisierende Funktion für Kinder und geistig Erkrankte haben können, populär. Im 19. Jahrhundert dann war die Einführung von Tieren in die institutionelle Versorgung und Pflege bereits weit verbreitet. In Bielefeld wurde etwa ein Behandlungszentrum für Epileptiker errichtet, in dem tiergestützte Therapie mit Hunden, Katzen, Pferden etc. durchgeführt wurde. Leider wurden die positiven Effekte dieser Therapieform damals nicht wissenschaftlich untersucht.

 

Im Allgemeinen scheint die Praxis der wissenschaftlichen Forschung im Bereich tiergestützter Therapie weit voraus, zumindest im deutschsprachigen Raum. Schon mehrfach wurde die Forderung nach verstärkter Untersuchung und Evaluation dieses Forschungsgebietes laut, damit die tiergestützte Arbeit eine anerkannte fundierte Therapieform werden kann (vgl. STETINA/HANDLOS/KRYSPIN-EXNER 2005, 15). In den USA hingegen ist die tiergestützte Arbeit im medizinischen und psychologisch-pädagogischen Sektor bereits seit einigen Jahren anerkannt und wird zahlreich durchgeführt (vgl. COLE/GAWLINKI 2000, 140). Besonders Hunde und kleinere Haustiere werden zunehmend als therapeutische Helfer eingesetzt. Eine Reihe von Untersuchungen belegte etwa den gesundheitsfördernden Effekt des prinzipiellen Umgangs mit Tieren wie die Senkung der Herzfrequenz und des Blutdrucks sowie die Verringerung kleinerer gesundheitlicher Probleme durch Tierkontakt (vgl. STETINA/LEDERMAN MAMAN 2005, 6).

 

OLBRICH (2001) bezieht sich auf den von dem Biologen WILSON geprägten Begriff der „Biophilie“, um zu erklären, warum Tiere nicht nur im medizinischen Sektor therapeutisch wirksam sein können. Biophilie meint das dem Menschen innewohnende Bedürfnis nach Verbundenheit mit der Natur und der dazugehörenden Tierwelt und damit eine physische, emotionale und kognitive Hinwendung des Menschen zu Leben und Natur.

 

CORSON und CORSON sehen Tiere als wertvolle Ergänzung zum Therapieprozess, ohne den Anspruch erheben zu wollen, dass tiergestützte Therapie andere Therapieformen ersetzen soll. Tiergestützte Therapie ist der Ansicht der Autoren nach in erster Linie Realitätstherapie, also eine Therapie im Hier und Jetzt (vgl. 1980, 89). Sie postulieren, dass zwei grundlegende psychische Bedürfnisse von Menschen durch Tiere erfüllt werden können: zum einen das Bedürfnis danach, anderen zugeneigt zu sein und auch von diesen Zuneigung zu erfahren und zum anderen das Gefühl der Wertschätzung sich selbst und anderen gegenüber. Einen Grund für den Erfolg der Therapie mit Tieren sehen die Autoren darin, dass etwa psychisch labile Menschen eher die Zuneigung eines Tieres annehmen können als die Zuneigung anderer Menschen zu akzeptieren.

 

Auch bei Kindern hat sich diese positive Wirkung nachweisen lassen. „Es hat sich gezeigt, dass bestimmte Fähigkeiten (skills), Verhaltensweisen und Persönlichkeitseigenschaften, wie beispielsweise ein hoher Selbstwert, soziale Kontakte und gute Kommunikationsfähigkeiten, einen gesundheitsfördernden Einfluss ausüben – Schaffung eines sozialen Netzwerks und Erhalt sozialer Unterstützung. Bei manchen Kindern und Jugendlichen ist der Kontakt mit Menschen nur eingeschränkt (…) möglich. (…) In diesen Fällen ermöglicht das Tier als Interaktionspartner eine erste Kommunikation“ (STETINA/HANDLOS/KRYSPIN-EXNER 2005, 16).

 

LEVINSON vertrat schon 1972 die These, dass Haustiere als Übertragungsobjekte zu betrachten seien, an denen menschliche Interaktionsweisen durch Übertragung wiederholt und gleichsam geübt werden können. Spielerisch und ohne therapeutische Anweisungen können somit vom Kind menschliche Beziehungsmuster wiederholt und auf eine eigene Weise durchgearbeitet werden. Leider wird dieses Wissen an den wenigsten Schulen ausreichend berücksichtigt. Dabei gibt es genügend Erfahrungsberichte, welche unter anderem belegen, dass die Kommunikation in einer Klasse durch ein „Klassentier“ erheblich verbessert werden konnte (vgl. GEBHARD 1994, 125).

 

3.1 Der internationale Forschungsstand


 

Betrachtet man den Einsatz und die Erforschung der tiergestützten Therapie weltweit, landet man unweigerlich in den USA. In keinem Land wurde die therapeutische Arbeit mit Tieren stärker erforscht als dort. Besonders tut sich hierbei die Delta Society hervor – eine mitgliederstarke Organisation, die 1977 in Portland/Oregon von Michael McCuLLOCH gegründet wurde. Der Name der Gesellschaft bezieht sich auf die Dreierkonstellation zwischen Therapeut, Klient und Tier (Delta). Die Mitgründer der Organisation, hauptsächlich Experten aus den Bereichen der Psychologie und (Tier-) Medizin, wollten die Qualität von Mensch-Tier-Beziehungen untersuchen und erste glaubwürdige Forschungsergebnisse erlangen. Folgende Ziele verfolgt die Delta Society bis heute:

 

Expand awareness of the positive effect animals can have on human health and development.

 

Remove barriers that prevent involvement of animals in everyday life.

 

Expand the therapeutic and service role of animals in human health, service, and education.“ (http://www.deltasociety.org/AboutAboutMission.htm, Stand 11/06)

 

Gegenwärtig sitzt die Delta Society in Bellevue/Washington.

 

1990 wurde die International Association of Human-Animal Interaction Organizations (IAHAIO) gegründet. Die IAHAIO versteht sich als Dachverband für alle internationalen Vereinigungen und andere Organisationen, die sich mit der Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung beschäftigen. Ihr Sitz liegt bei der Delta Society in Bellevue/Washington. Dort sind Repräsentanten in vier Unterkomitees tätig, die für die Koordination von Mitgliedschaften, Konferenzen, Projekten und Finanzen anderer Mitgliedsorganisationen weltweit sorgen (vgl. http://www.iahaio.org, Stand 11/2006). Je stärker das Interesse an dieser noch jungen Wissenschaft weltweit wächst, desto wichtiger wird auch die IAHAIO als verbindendes Element für den internationalen Austausch wissenschaftlicher Forschung und die Weiterentwicklung der Programme. Auch hat der Verband einige internationale Preise ins Leben gerufen, mit denen Beiträge einzelner Menschen oder Institutionen auf dem Gebiet der Erforschung der Mensch-Tier-Beziehungen ausgezeichnet werden, darunter z.B. der Pets in Cities Award und der Distinguished Scholar Award, die alle drei Jahre verliehen werden.

 

Mit den Jahren wurden auch in vielen anderen Ländern Organisationen gegründet, welche sich der Erforschung und dem Einsatz von tiergestützter Therapie widmen, unter anderem in der Schweiz (Institut für interdisziplinäre Erforschung der
Mensch-Tier-Beziehung, IEMT), Italien (Associazione Italiana uso cani da Assistenza, AIUCA), Japan (Society for the Study of Human Animal Relations, HARS) und Australien (Delta Society Australia). Im Anhang findet sich eine Auswahl der bekanntesten internationalen Organisationen.

 

Vom 5. bis 8. Oktober 2007 findet die 11. internationale Konferenz zur Mensch-Tier-Beziehung in Tokio statt (zuletzt trafen Interessierte und Experten bei der alle drei Jahre stattfindenden Konferenz 2004 in Glasgow/Schottland zusammen). Damit wird die IAHAIO-Konferenz zum ersten Mal in Asien ausgerichtet. Erwartet werden über 500 Wissenschaftler und Praktiker aus mehr als 20 Ländern, die in Vorträgen und Präsentationen ihre aktuellen Forschungsergebnisse aus Psychologie, Veterinär- und Humanmedizin, Soziologie, Sonderpädagogik und Pflegewissenschaften vorstellen und diskutieren werden.

 

3.2 Begriffsklärung der englischen Fachtermini


 

Der Begriff pet therapy wurde in den 80er Jahren geprägt und bezeichnet die ersten Versuche in den USA, bei denen Tiere in Altenheimen und anderen Institutionen eingesetzt wurden. Der Terminus gilt heute als überholt und unrichtig (vgl. http://www.deltasociety.org/animalsFAQFAQ.htm, Stand 11/06). Ausgebildete Therapeuten bemängeln hierbei, dass man nicht von einer Therapie sprechen könne, da vor allem nicht ausgebildete Tierbesitzer diese Methode ausüben und hierunter zum Beispiel nicht die Pferde- und Delphintherapie falle, da hierbei ja der Klient zum Tier kommt und nicht umgekehrt.

 

Schon 1960 führte Dr. Boris LEVINSON, ein amerikanischer Entwicklungspsychologe, den Terminus pet-facilitated therapy ein. LEVINSON benutzte Tiere als Co-Therapeuten in seiner Praxis mit Kindern und dokumentierte dies. Doch erst in den späten 80er Jahren wurde der Begriff zum Schlagwort eines neuen Wissenschaftszweiges. Das deutsche Pendant ist die tiergestützte Therapie. Die Begriffe pet-assisted therapy, pet-facilitated child psychotherapy und pet-facilitated psychotherapy werden im Englischen synonym verwendet. All diese Termini bezeichnen die erfüllende Beziehung, welche sich zwischen einem Menschen und einem Tier entwickeln kann (vgl. FICK 1993, 529).

 

In den 90er Jahren entstanden immer mehr Richtlinien und Standards für die Therapie mit Tieren. Es bildeten sich zwei neue Begriffe aus: die animal-assisted therapy und die animal-assisted activities. Die Delta Society gelangt zu folgenden Definitionen:

 

Animal-assisted activities...

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