Bevor ich mich der Personal- und Führungskräfteentwicklung widme, möchte ich zunächst die Termini Förderung, Führungskraft und Nachwuchsführungskraft definieren. Der Begriff Förderung „umfasst alle Maßnahmen, die von einer Person oder Organisation zur Erreichung des individuellen beruflichen Weiterkommens zielgerichtet, systematisch und methodisch geplant, realisiert und beruflich evaluiert werden"[13]. Förderung geschieht also nicht zufällig, sondern ist ein strategisches Instrument, um Mitarbeiter/-innen gezielt auf Herausforderungen vorzubereiten. In der Literatur gibt es zum Begriff Führungskraft keine einheitliche Definition. Jopp (1994) beschreibt den Terminus anhand von Verantwortungsbereichen, welche Führungskräfte übernehmen: "Führungskräfte haben die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen für eine Funktion, die für die Erreichung der Unternehmensziele von wesentlicher Bedeutung ist und die vor allem einen qualitativen Entscheidungsbedarf, Kreativität und Führungsverantwortung erfordert. Führungskräfte haben im Rahmen dieser Funktion aus den Unternehmenszielen abgeleitete Ziele zu planen und durch eine entsprechende Organisation, Delegation, Steuerung und Kontrolle verantwortlich durchzusetzen. Führungskräfte haben darüber hinaus die Aufgabe ihre Mitarbeiter zu fördern, zu motivieren und zu bewegen, sich mit den Zielen des Unternehmens zu identifizieren"[14]. Hier wird bereits deutlich, welche hohen Ansprüche an Führungskräfte gestellt werden. Als Nachwuchsführungskräfte hingegen „sollen jene Personen bezeichnet werden, die nach Auffassung der für die Führungsnachfolge im Unternehmen Verantwortlichen für eine künftige Führungsposition in Frage kommen und im Regelfall entsprechend gefördert werden“[15]. Dabei zeichnen sich Nachwuchsführungskräfte – oft auch „High Potentials“ genannt – durch eine Vielzahl von Merkmalen, unabhängig von Alter, Bildung oder Berufserfahrung aus[16]. Als charakteristisch für High Potentials werden beschrieben: die Fähigkeit zur Wahrnehmung komplexer Aufgaben, besonderes Engagement und hohe Motivation, überdurchschnittlich gute Leistungen im Rahmen von Ausbildung oder Studium sowie das Vorhandensein von weiterem Entwicklungspotenzial[17]. Bevor ich auf die Möglichkeiten eingehe, wie Nachwuchsführungskräfte im Unternehmen gefördert werden können, möchte ich einen Überblick über ausgewählte Aspekte der Personalentwicklung und Besonderheiten im Gesundheitswesen geben.
Personalentwicklung kann definiert werden als „Summe von Maßnahmen, die systematisch, positions- und laufbahnorientiert eine Verbesserung der Qualifikationen der Mitarbeiter zum Gegenstand haben mit der Zwecksetzung, die Zielverwirklichung der Mitarbeiter und des Unternehmens zu fördern"[18]. Mentzel (1992) merkt dazu an, dass Personalentwicklung darauf abzielt dem Mitarbeiter/ der Mitarbeiterin sowohl für die Wahrnehmung der jetzigen als auch der künftigen Aufgaben erforderliche Qualifikationen zu vermitteln[19]. Die Ziele und der Nutzen von Personalentwicklung können sowohl aus Unternehmenssicht als auch aus Mitarbeitersicht betrachtet werden. Tabelle 2 veranschaulicht die Ziele der Personalentwicklung, welche in der gängigen Literatur zu finden sind.
Tab. 2: Ziele der Personalentwicklung
Quelle: eigene Darstellung. Vgl. Arnold 1999, Seite 15; vgl. Kirchner 1998, Seite 10; vgl. Loffing/ Geise 2005 a, Seite 18/ 22; vgl. Witt-Bartsch/ Becker 2010, Seite 72.
Personalentwicklung kann als stetiger Prozess verstanden werden. Dabei können sowohl die Personalentwicklung als Ganzes als auch einzelne Personalentwicklungsmaßnahmen als ein Funktionszyklus verstanden werden (siehe Abbildung 1).
Abb. 1: Funktionszyklus der Personalentwicklung
Quelle: Becker 2009, Seite 677.
Innerhalb des Prozesses steht zunächst die Bedarfsanalyse im Vordergrund. Der Bedarf ergibt sich aus dem Abgleich der Unternehmens- und Mitarbeiterziele. In der Regel werden, um den Bedarf zu konkretisieren, ein Anforderungsprofil und ein Fähigkeitsprofil erstellt[20]. Das Anforderungsprofil beschreibt die Anforderungen, welche an eine Stelle bestehen. Im Gegensatz dazu berücksichtigt das Fähigkeitsprofil die individuellen Fähigkeiten, das Entwicklungspotenzial und die Neigungen des Mitarbeiters/ der Mitarbeiterin. Anforderungs- und Fähigkeitsprofil werden miteinander verglichen, um Defizite und Entwicklungsbedarfe aufzuspüren und anschließend konkrete Ziele festzulegen[21]. Nachfolgend müssen aus einem breiten Portfolio passende Personalentwicklungsmaßnahmen ausgewählt werden. Nach Planung und Durchführung der Maßnahmen muss anschließend eine Erfolgskontrolle stattfinden, um den Lernerfolg unmittelbar zu überprüfen und Verbesserungspotenziale im Bezug auf die durchgeführten Maßnahmen aufzudecken. Darüber hinaus ist die Sicherung des Theorie-Praxis-Transfers unerlässlich. Abhängig von der Art und dem Zweck der Maßnahme werden in der Literatur unterschiedliche Angaben gemacht, in welchen Abständen eine Kontrolle des Wissenstransfers in die Praxis sinnvoll ist. Gängige Methoden zur Überprüfung sind Beobachtung oder Wissenstests, zum Teil werden aber auch quantitative Methoden wie die Ermittlung von Kennzahlen eingesetzt.
Um das breite Spektrum von Personalentwicklungsmaßnahmen darzustellen, werden verschiedene Klassifizierungssysteme genutzt. Becker (2009) unterscheidet Maßnahmen im Rahmen von drei Stufen. Die erste Stufe ist die Personalentwicklung im engen Sinne. Hierzu gehören alle bildungsbezogenen Methoden wie Berufsausbildung, Hochschulbildung oder Weiterbildung[22]. Die zweite Stufe impliziert die erstere und beinhaltet überdies Maßnahmen der Förderung wie die Nachfolge- und Karriereplanung oder Trainee-Programme (Personalentwicklung im erweiterten Sinne)[23]. Die dritte Stufe – die Personalentwicklung im weiten Sinne - umfasst alle Maßnahmen der Bildung, der Förderung und der Organisationsentwicklung wie etwa Teamentwicklung oder Projektarbeit [24]. Nesemann (2012) hingegen unterscheidet nur bildungsbezogene und stellenbezogene Maßnahmen[25]. Bildungsbezogene Maßnahmen sind - ähnlich wie in der Klassifikation nach Becker (2009), Maßnahmen, die auf die Vorbereitung auf einen Beruf abzielen wie die berufliche Erstausbildung oder Weiterbildung. Dem gegenüber sollen stellenbezogene Maßnahmen die Übernahme von neuen Aufgaben, Verantwortungsbereichen oder höheren Positionen ermöglichen[26]. Das gängigste Klassifikationssystem beschreibt Maßnahmen anhand ihrer inhaltlichen, zeitlichen und räumlichen Nähe zum Arbeitsplatz[27]. Hier werden folgende Arten von Personalentwicklungsmaßnahmen benannt:
- „Into-the-job“: Einführung oder Vorbereitung auf einen neuen Job, z.B. Berufsausbildung oder Trainee-Programme[28],
- „On-the-job“: erfolgt unmittelbar am Arbeitsplatz, Anpassung an neue Aufgaben oder Erwerb neuer Kompetenzen, z.B. Fallbesprechung, Mentoring[29],
- „Near-the-job“: erfolgt arbeitsplatznah, neben dem Job stattfindender Lernprozess, z.B. Qualitätszirkel, Projektarbeit[30],
- „Off-the-job“: in zeitlicher und räumlicher Entfernung zum Arbeitsplatz, z.B. Externe Weiterbildung, Seminar, Vortrag[31].
Darüber hinaus werden von einigen Autoren ergänzt:
- „Along-the-job“: erfolgt im Laufe der Zugehörigkeit zum Unternehmen, z.B. Karriere- und Nachfolgeplanung[32]
- „Out-of-the-job“: erfolgt gegen Ende des Erwerbslebens, z.B. gleitender Ruhestand, Outplacement[33].
In der modernen Personalentwicklungs-Literatur hat sich der Begriff der strategischen oder strategieorientierten Personalentwicklung etabliert. Im klassischen Verständnis wird Personalentwicklung mit betrieblicher Weiterbildung gleichgesetzt und dem Personalwesen zugeordnet.[34]. Strategische Personalentwicklung meint im Unterschied dazu eine aus der Unternehmensstrategie abgeleitete, nachhaltige Personalentwicklung, welche auf einem umfassenden Konzept fusst, konsequent durchgeführt wird und Teil der gelebten Unternehmenspraxis ist. Es geht nicht nur, um punktuell angebotene Seminare, sondern um zielgerichtete, bedarfsorientierte und individuelle Bildungs- und Förderungsmaßnahmen. Die Implementierung einer strategieorientierten Personalentwicklung kann für Einrichtungen des Gesundheitswesens ein „Motor des Fortschritts“ sein, „gerade im sich ständig wandelnden, dynamischen Pflegemarkt, wo Unternehmen vielfach um ihre Marktposition kämpfen müssen“[35]. Im Gesundheitssektor gewannen Personalentwicklungsmaßnahmen erst in den 1970er Jahren an Bedeutung[36]. Strategisch ausgerichtete Konzepte werden heute nur zum Teil umgesetzt[37]. Eine Übersicht zum historischen Wandel der Personalentwicklung im Gesundheitswesen findet sich in Tabelle 3 (siehe Anhang, Seite 74). Ursächlich für die Entwicklung von punktueller Personalarbeit hin zu strategischer Personalentwicklung sind vor allem die steigenden Qualitätsansprüche der Klienten/-innen und damit verbunden eine...