|6|Kapitel 2
Konzeption des Trainings EmoTrain
2.1 Rahmenbedingungen und Zielgruppe
EmoTrain wurde als eintägiges Trainingskonzept zur Verbesserung der Emotionswahrnehmung und Emotionsregulation entwickelt und ist explizit auf den organisationalen Kontext und eine Teilnehmergruppe von zehn bis zwölf Führungskräften ausgerichtet. Das Training basiert auf dem Fähigkeitsmodell der emotionalen Intelligenz nach Mayer und Salovey (1997; vgl. Abschnitt 1.1) und hat zum Ziel, folgende Aspekte der emotionalen Kompetenz zu fördern:
Die Teilnehmenden sollen lernen, ihre eigenen Emotionen einzuschätzen und adäquat auszudrücken; sie sollen das eigene emotionale Handeln reflektieren und für Situationen, in denen Emotionen in ihrem Berufsalltag als Führungskraft eine Rolle spielen, sensibilisiert werden.
Sie erwerben Wissen zur Relevanz emotionaler Kompetenzen und zu charakteristischen Merkmalen spezifischer Emotionen in Mimik, Stimme und Körperhaltung. Diese Informationen helfen ihnen, Emotionen besser erkennen und differenzieren zu können.
Zudem erweitern die teilnehmenden Führungskräfte ihr Repertoire an Strategien zur erfolgreichen Regulation eigener Emotionen und zum effektiven Umgang mit emotionsgeladenen Situationen im Arbeitskontext (vgl. auch Herpertz & Schütz, 2016).
Zielgruppe des Trainings sind Führungskräfte, da emotionale Kompetenz im Kontext der Führung als enorm bedeutsam betrachtet werden kann (vgl. Kapitel 1). Bezüglich der Trainingskonzeption für diese Zielgruppe ist es wichtig, an praxisrelevante Erfahrungen anzuknüpfen (Felfe & Franke, 2014). Dies wird zum einen durch die Vorbereitungsaufgabe erreicht, in der die Teilnehmenden unter anderem gebeten werden, Situationen zu beschreiben, in denen sie im Arbeitskontext bereits Emotionen wahrgenommen und reguliert haben. Zum anderen wurden die Rollenspiele im Präsenztraining speziell für den Führungskontext entwickelt und spiegeln möglichst realitätsnahe Situationen einer Führungskraft wider. In der sprachlichen Gestaltung der Trainingsmaterialien wurde weitestgehend auf die Verwendung von psychologischen Fachbegriffen verzichtet bzw. wurden diese anschaulich erläutert.
Um verschiedene Lerntypen anzusprechen und durch einen methodischen Wechsel die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden über den Tag hinweg zu sichern, wird über den gesamten Trainingsablauf ein multimethodales und multimediales Vorgehen verfolgt, wobei sich Trainerinput, Kleingruppen-, Partner- und Einzelarbeit, Rollenspiele und Diskussionen im Plenum abwechseln (Blanch-Hartigan, Andrzejewski & Hill, 2012) und neben der PowerPoint-Präsentation auch Arbeitsblätter, Flipchart und Metaplanwand eingesetzt werden. Zudem erhalten die Teilnehmenden an einigen Stellen im Training Erinnerungskarten (in Anlehnung an Häfner, Hartmann & Pinneker, 2015), auf denen zentrale Inhalte anschaulich dargestellt sind.
2.2 Struktur und Inhalte
Nach einer inhaltlichen Hinführung zum Thema Emotionen und deren Bedeutung im Führungskontext sowie der Vorstellung des Vier-Facetten-Modells der emotionalen Intelligenz (Mayer & Salovey, 1997) geht es im ersten Modul des Trainings (vgl. Abschnitt 4.3) um die Wahrnehmung von Emotionen anderer. Zunächst wird das Konzept der Basisemotionen vorgestellt und der Trainer erläutert, wie man diese anhand von Gesichtsausdrücken erkennen kann. Anhand von vorgetestetem Bildmaterial sollen die Teilnehmenden in Partnerarbeit üben, Basisemotionen in Gesichtern zu erkennen und die zent|7|ralen Merkmale derselben zu beschreiben. Anschließend werden die Teilnehmenden über komplexe Emotionen informiert und erfahren, wie man zu deren Identifikation Informationen aus Gesichtsausdruck, Körpersprache und Stimme nutzen kann. Eine zusätzliche Möglichkeit zur Vertiefung dieses Moduls besteht in der Nutzung von Videomaterial zur Emotionserkennung oder in der Durchführung von Rollenspielen, in denen Emotionen bewusst dargestellt und erkannt werden sollen (vgl. Geßler, Nezlek & Schütz, 2019).
Das zweite Modul (vgl. Abschnitt 4.4) fokussiert die akkurate Wahrnehmung von Emotionen bei sich selbst. In einer Einzelarbeit zur Selbstreflexion lassen die Teilnehmenden die vergangene Woche Revue passieren und reflektieren ihr emotionales Erleben in diesem Zeitraum, um ein differenziertes Bild der eigenen Emotionen zu erlangen. Um das eigene emotionale Erleben auch auf objektive Art und Weise zu reflektieren, üben die Teilnehmenden im Anschluss an die Erläuterung des Drei-Ebenen-Modells der Emotionsentstehung mit den drei Komponenten Situation – Bewertung – Reaktion in der Übung „Emotionsdetektiv“, ihre individuell erlebten emotionalen Situationen zu analysieren.
Im dritten Modul zur Regulation eigener Emotionen (vgl. Abschnitt 4.5) werden Emotionsregulationsstrategien auf Basis des Prozessmodells der Emotionsregulation von Gross (1998, 2013) erarbeitet. Nach der Darstellung der fünf Emotionsregulationsstrategien Situationsauswahl, Situationsveränderung, Aufmerksamkeitsverlagerung, kognitive Neubewertung und Reaktionsveränderung werden zwei der genannten Strategien vertieft: Anhand einer Beispielsituation werden in der Gruppe Vorschläge zur Aufmerksamkeitsverlagerung gesammelt, und es wird eine kurze Achtsamkeitsübung als eine Möglichkeit der Aufmerksamkeitslenkung durchgeführt. Anschließend erarbeiten die Teilnehmenden anhand eines Arbeitsblattes in Einzelarbeit Möglichkeiten, wie Situationen umgedeutet und so negative Emotionen reduziert werden können (kognitive Neubewertung). Zudem werden die aus der Vorbereitungsaufgabe gesammelten und geclusterten bisherigen Emotionsregulationsstrategien der Teilnehmenden in der Gruppe dem Prozessmodell der Emotionsregulation zugeordnet und ergänzt. Nach der Auswahl der relevantesten oder auch spannendsten Strategien durch die Teilnehmenden werden diese im Plenum vertieft diskutiert und durch Beispiele der Teilnehmenden greifbar gemacht. Durch den Austausch in der Gruppe haben die Teilnehmenden die Gelegenheit, ihre Perspektive zu erweitern und ihr bisheriges Verhaltensrepertoire durch neue Strategien zu ergänzen.
Das letzte Trainingsmodul behandelt die Regulation von Emotionen anderer Personen (vgl. Abschnitt 4.6). Dabei wird zunächst die konstruktive Kommunikation (Rosenberg, 2005, 2012) eingeführt und geübt. Nach einem einleitenden Rollenspiel, welches von zwei Teilnehmenden vor dem Plenum dargestellt wird, erarbeitet der Trainer gemeinsam mit der Gruppe die einzelnen Komponenten konstruktiver Kommunikation: Wahrnehmung, Gefühle, Bedürfnisse und Bitte, welche anschließend mithilfe eines Arbeitsblattes in Einzel- oder Partnerarbeit vertieft bearbeitet werden. In einem weiteren Rollenspiel, welchem ein Konfliktgespräch zugrunde liegt, üben die Teilnehmenden anschließend die Anwendung konstruktiver Kommunikationstechniken ein.
Den Abschluss des Trainingstages bildet die gemeinsame Reflexion mithilfe des Transferseils. Die Teilnehmenden leiten persönliche Ziele ab und formulieren diese auf Zielkarten. Zudem bilden die Teilnehmenden am Ende des Tages Tandems, um die Übertragung der Inhalte und Erfahrungen des Trainings in den Alltag zu unterstützen, notieren sich die Kontaktdaten ihres Tandempartners und vereinbaren gegebenenfalls bereits einen ersten Termin zum Erfahrungsaustausch.
2.3 Transferförderliche Gestaltung
Um den Erfolg von Trainingsmaßnahmen nachhaltig zu sichern und im Alltag zu verankern, ist es wichtig, diese Maßnahmen transferförderlich zu gestalten. Die Notwendigkeit derartiger Gestaltung wird unterstrichen durch Befunde von Kauffeld, Lorenzo und Weisweiler (2012), die feststellten, dass im Schnitt nur 10 bis 15 % der in einem Training vermittelten Inhalte in der Berufspraxis umgesetzt werden. Insgesamt gilt, je „weiter weg“ vom Arbeitsort Personalentwicklungsmaßnahmen stattfinden, das heißt je größer der inhaltliche Abstand zum Arbeitsalltag, desto gravierender wird das Transferproblem. Eine transferförderliche Gestaltung von Trainingsmaßnahmen stellt insofern eine zentrale Herausforderung für wirksame Personalentwicklung dar.
Möglichkeiten entsprechender Gestaltung sind z. B. im Transfermodell von Baldwin und Ford (1988) ersichtlich. Abbildung 1 stellt Faktoren dar, die für den erfolgreichen Transfer relevant sind und spezifiziert die zu berücksichtigenden Merkmale aufseiten der Teilnehmenden, der Arbeitsumgebung und der Trainingsgestaltung. ...