1 Einordnung und Indikationen der TEE
1.1 TEE in der perioperativen Medizin
1.1.1 Geschichte und klinische Einführung
Erste Sonden.
Nachdem Anfang der 1970er Jahre die ersten mit Schallwandlern modifizierten Gastroskope für transösophageale Anwendungen des Ultraschalls eingesetzt worden waren, lieferten Frazin, Hisanaga, DiMagno, Hanrath, Schlüter und Mitarbeiter bis 1981 die wesentlichen technischen Grundlagen für die heute üblichen bildgebenden Schallsonden ( ▶ Abb. 1.1). Deren Potenzial für die Diagnostik und Überwachung beatmeter Patienten wurde unter anderem von Kremer, Cahalan, Heinrich und Roewer zu Beginn der 1980er Jahre erkannt und zunehmend genutzt.
Transösophageales M-Mode-Echoskop.
Abb. 1.1 Erstes, in Hamburg entwickeltes transösophageales M-Mode-Echoskop (Quelle: Lambertz. In: Lambertz et al., 2007).
(Quellenangaben: (Lambertz, in: Lambertz, Lethen, 2007). [Eingeschränkte Nutzungsrechte])
Perioperative TEE.
Die hohe Qualifikationsanforderung an den Untersucher und die erheblichen Beschaffungskosten verzögerten zunächst die Etablierung der TEE in der Anästhesiologie. Auch in der Kardiologie wurde das Verfahren wegen seiner – wenn auch geringen – Invasivität anfangs nur mit Zurückhaltung genutzt. Heute ist die TEE dagegen sowohl bei Kardiologen, Anästhesisten als auch Intensivmedizinern für bestimmte Indikationen das Verfahren der Wahl, wenn die transthorakale Echokardiografie keine ausreichenden Befunde liefert oder z. B. während einer Operation nicht eingesetzt werden kann ( ▶ Abb. 1.2).
TEE-Sonden.
Abb. 1.2 Moderne TEE-Sonden unterscheiden sich äußerlich kaum vom ursprünglichen M-Mode-Echoskop, bieten aber zahlreiche ausgefeilte Zusatztechniken.
Vorteile des Verfahrens.
Die Eigenschaften der TEE als Verfahren für die perioperative Akutdiagnostik und die Überwachung sind herausragend:
direkter visueller Zugang zum Herzen
kardiale Bildgebung im Echtzeitverfahren
zahlreiche Messverfahren
Mobilität und bettseitige Anwendung
geringe Invasivität und hohe Sicherheit des Verfahrens
Bei beatmeten Patienten im Operationssaal und auf der Intensivstation bietet die TEE diagnostische und überwachungstechnische Möglichkeiten, für die die transthorakale Echokardiografie in den meisten Fällen keine Alternative bietet. Im übertragenen Sinn lassen sich vom Ösophagus und Magen aus zahlreiche Fenster mit direktem Blick auf das Herz öffnen. Besonders bei intubierten und beatmeten Patienten kommt die fehlende Interposition von Lungengewebe zwischen dem Herzen und dem Schallkopf der TEE zugute. So liefert das Verfahren im Vergleich zur transthorakalen Echokardiografie nicht nur eine höhere Anzahl verwertbarer kardialer Schnittebenen, sondern auch eine bessere Bildqualität. Der Schallkopf kann zudem in einer bestimmten Position belassen werden, ohne die Hände des Untersuchers zu binden, und liefert kontinuierlich Bilder der eingestellten Schnittebene.
Intraoperativer Einsatz.
Die TEE erfüllt somit im Gegensatz zur transthorakalen Echokardiografie ein wichtiges Kriterium für die Überwachung eines beatmeten Patienten während eines herzchirurgischen Eingriffs. Die ersten intraoperativen Anwendungen der TEE erfolgten in enger Zusammenarbeit zwischen Kardiologen, Kardiochirurgen und Anästhesisten. Sie zielten auf die Beurteilung des Operationserfolges bei Klappenrekonstruktionen und eine frühe Erfassung von intraoperativ neu auftretenden regionalen Wandbewegungsstörungen.
Anästhesie und Intensivmedizin.
Wegen ihres innovativen Charakters und der unbestrittenen Vorteile bei beatmeten Patienten erweckte die TEE früh das Interesse von Intensivmedizinern und Anästhesisten. Sie mussten sich jedoch mit Echokardiografie im Allgemeinen und mit den Einsatzmöglichkeiten der TEE im Speziellen erst vertraut machen und sich entsprechende Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen, bevor verbindliche Vorgaben zur perioperativen TEE in den 1999 von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) veröffentlichten Weiterbildungsrichtlinien niedergeschrieben werden konnten.
Montierung.
Im Vergleich zur kardiologischen Routineuntersuchung zielt die perioperative TEE heute eher auf eine kardiale Funktionsanalyse. Zahlreiche Untersuchungen konzentrierten sich bereits in der 1990er Jahren auf automatisierte echokardiografische Verfahren zur Messung der Herzfunktion. Bislang fehlt allerdings der entscheidende Durchbruch zu einem TEE-System, das die typischen Eigenschaften einer kontinuierlichen Herz-Kreislauf-Überwachung aufweist.
1.1.2 Einsatzbereiche und Indikationsstellung
Richtlinien.
Fast zwanzig Jahre nach Einführung der TEE lagen Mitte der 1990er Jahre genügend wissenschaftliche Erkenntnisse und klinische Erfahrungen vor, um der perioperativen TEE ein Fundament zu verschaffen. Die 1996 von der American Society of Anesthesiologists zusammen mit der Society of Cardiovascular Anesthesiologists veröffentlichten und 2010 aktualisierten Leitlinien unterteilen die perioperativen Indikationen für die TEE heute nach Evidenzkriterien, denen die aktuelle wissenschaftliche Datenlage sowie die Meinung von Experten zugrunde liegen. Die 1999 veröffentlichten Richtlinien der DGAI werden derzeit überarbeitet.
Indikationen.
Neben der evidenzbasierten Einteilung der Indikationen für die perioperative TEE lassen diese sich auch nach der Wertigkeit und der klinischen Relevanz auflisten ( ▶ Abb. 1.3). Damit werden in der Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin folgende Ziele verfolgt:
Indikationen und Kontraindikationen der TEE.
Abb. 1.3 Indikationen und Kontraindikationen der perioperativen TEE nach den Richtlinien der DGAI.
Erweiterte Routineüberwachung bei kardiochirurgischen Patienten und kardialen Risikopatienten:
Beurteilung des Kontraktionsverhaltens
Schätzung der Ejektionsfraktion
Prüfung des Volumenstatus
Erkennung akuter Wandbewegungsstörungen (Ischämiedetektion)
Emboliedetektion
Evaluation des hämodynamisch instabilen oder thoraxtraumatisierten Patienten:
Stenosen oder Insuffizienzen der Mitral- und Aortenklappe
Funktion der Trikuspidal- und Pulmonalklappe
Aortendissektion bzw. -ruptur
Perikardtamponade
Myokardkontusion
funktionell offenes Foramen ovale (bei persistierendem Oxygenierungsproblem)
kongenitale Herzfehler (bei unbekannter Anamnese)
Bewertung des kardiochirurgischen Operationserfolgs oder operativer Komplikationen:
Korrekturoperation der Mitralklappe
Korrekturoperationen kongenitaler Herzfehler
Volumenfüllung und Kontraktilität vor und nach extrakorporalem Bypass
Luftdetektion vor Abgang von der Herz-Lungen-Maschine
Diagnostik bei hämodynamischer Instabilität
Risikoabwägung.
Der Nutzen und das Risiko für den Patienten müssen bei der perioperativen TEE anhand des Gesamtrisikos, der vorliegenden Grunderkrankungen des Patienten, der beabsichtigten Operation sowie der speziellen Fähigkeiten des Untersuchers in Betracht gezogen und gegen die Sicherheit des Verfahrens abgewogen werden. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, die Untersuchung immer mit der Frage nach möglichen Kontraindikationen einzuleiten.
Sicherheit.
Obwohl die TEE eine gering invasive und recht sichere Untersuchungsmethode ist, sind die potenziellen Komplikationen nicht zu unterschätzen, allen voran die Perforation der Leitstrukturen im Pharynx, Ösophagus und im oberen Gastrointestinaltrakt ( ▶ Abb....