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Trauerarbeit mit Kindern und Jugendlichen

AutorGabriele Kuschke
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl107 Seiten
ISBN9783640472666
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,7, Ernst-Abbe-Hochschule Jena, ehem. Fachhochschule Jena, Sprache: Deutsch, Abstract: Man lebt zweimal: das erste Mal in der Wirklichkeit, das zweite Mal in der Erinnerung. (Honoré de Balzac) Trauer ist ein Gefühl, mit dem alle Menschen im Laufe ihres Lebens mehrfach konfrontiert werden. Dem kann sich keiner entziehen. Trauer - um den Verlust von Bindung, um einen Gegenstand, einen geliebten Menschen, der gestorben ist, um ein abgeschlossenes Kapitel im Lebenslauf, auch um verlorene Liebe. Trauer ist ein Phänomen, das in allen Kulturkreisen vorkommt. Schon bei Kleinkindern ist es ab dem 3./4. Monat nachweisbar. Doch so verschieden die Menschen sind, so verschieden sind auch ihre Reaktionen auf Verlust und Tod, bei Kindern ebenso wie bei Erwachsenen. Was für den einen vernichtend sein kann, steckt ein anderer nach kurzer Zeit weg, wie man so sagt. Trauer kann krank machen, muss aber nicht. Sie ist eine adäquate emotionale Reaktion auf ein Verlustereignis und keine behandlungsbedürftige Erkrankung; sie könnte es aber werden, wenn z. B. der Tod eines Elternteils sehr plötzlich und dramatisch eintritt. Dann könnte dies beim Kind möglicherweise zu einem Trauma führen, muss es aber nicht. Ähnlich ist es, wenn der Ehepartner plötzlich und unerwartet verstirbt. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass der Verlust eines geliebten Menschen gerade in der Kindheit sehr problematisch sein kann, und bei nicht ausreichend geleisteter Trauerarbeit tiefe Narben auf der Seele zurück lässt. Ziel dieser Arbeit ist es darzustellen, wie Kinder in verschiedenen Entwicklungsstufen auf den Verlust eines geliebten Menschen reagieren, wodurch diese Reaktionen beeinflusst werden, und wie die entsprechende Begleitung, Hilfe und Unterstützung durch soziale Arbeit aussehen kann.

Geboren in Thüringen, genauer in Jena, erste Ausbildung als Keramik Technikerin, zweite Ausbildung als staatlich anerkannte Erzieherin und dann noch ein Fachhochschulstudium an der Fachhochschule Jena. Arbeite als Sozialarbeiterin in der Kinder- und Jugendhilfe.

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Leseprobe

2 Trauern Kinder anders?


 

So unterschiedlich wie Kinder und Jugendliche sind, so verschieden sind auch ihre Vorstellungen vom Tod. Nicht nur das Alter der Kinder spielt hier eine entscheidende Rolle, sondern ein ganzes Gefüge von inneren und äußeren Bedingungsfaktoren (wie Religion, soziales Umfeld oder Kultur), die selbst bei gleichem biologischen Alter ein ganz unterschiedliches Verständnis von Tod und Sterben bedingen. Kinder und Jugendliche gleichen Alters zeigen mitunter große Unterschiede in ihrer Entwicklung und ihrem Verhalten und somit auch im Umgang mit Verlusterlebnissen, Tod und Trauer.[24]

 

2.1  Faktoren für die Art der Trauer


 

Es gibt verschiedene Faktoren, die für die Art der Trauer bei Kindern relevant sind. Diese sind abhängig von mehreren Aspekten:

 

1.Lebensalter/Entwicklungsstufe des Kindes/Geschlecht

2.Todesverständnis

3.Trauerreaktionen

4.Verfügung innerer Verarbeitungsmöglichkeiten

5.Individuelle Faktoren des Kindes

6.Rolle der verlorenen Person im Leben des Kindes

7.Gab es bereits Verlustsituationen?[25]

 

Weitere Faktoren sind das Umfeld, in dem das Kind lebt, die Umstände des Todes der Bindungsperson, sowie das Maß, in welchem dem Kind Hilfe zu Teil wird. Relevant ist auch, welche Art von Trost, Erklärung und Hilfe das Kind bekommt. Hinzu kommen individuelle Risikofaktoren, die die Art der Trauer beeinflussen. Diese sind:

 

1. frühere traumatische Lebenserfahrungen

2. altersbedingtes Fehlen des sprachlichen Ausdrucks für innerpsychische Prozesse

3. psychosoziale Belastungen im sozialen Umfeld

4. Akute Belastungssituationen der Eltern, wie wenig Geld, arbeitslos etc., was zur Folge haben kann, dass dem Kind zu wenig oder gar keine Zuwendung zu teil wird.

Liegt einer dieser Faktoren vor, kann es zu einer pathologischen Trauerreaktion kommen. Das Kind zieht sich möglicherweise in sich selbst zurück, geht Gesprächen aus dem Weg, ist oft tieftraurig bis depressiv. Es kann z.B. zu Essstörungen oder dissozialem Verhalten kommen.

 

2.2   Todesverständnis bei Kindern und Jugendlichen


 

Große Fortschritte wurden auf den Gebieten der Pädiatrie, der Psychologie des Kindesalters und der Pädagogik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erzielt. Dabei gab es jedoch kaum Untersuchungen zum Problem Tod und seine Auswirkungen auf Kinder. Möglicherweise war und ist die gedankliche Verbindung von Kindern und Tod unangenehm oder scheint unangemessen, sind Kinder doch die Hoffnungsträger für Leben und Zukunft. Auch Fehleinschätzungen über kindliches Verhalten könnten der Grund dafür sein. Eine Fehleinschätzung ist zum Beispiel der Mythos, dass Kinder keinerlei Verständnis vom Tod haben, in dieser Hinsicht nicht neugierig sind und daher weder Besorgnis noch Trauer empfinden. Ein anderer Mythos besagt, die Kinder seien zu zart, um die grausame Tatsache und Wirklichkeit des Todes bewältigen zu können. In der heutigen Zeit sind solcherlei Meinungen weitestgehend verschwunden.[26] Wie Kinder Trauer und Tod erleben und verstehen, ist in großem Maße, neben vielen anderen Faktoren von ihrem Entwicklungsstand und ihren kognitiven Fähigkeiten die Welt zu begreifen abhängig. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen gibt es entscheidende Faktoren für das Begreifen vom Tod- Sein. Diese sind:

 

Nonfunktionalität – zwischen belebten und unbelebten Dingen in der Umwelt unterscheiden

Irreversibilität – zwischen gestern, heute und morgen unterscheiden und die Unumkehrbarkeit des Todes begreifen können

Universalität – die Einsicht, dass alles Lebende vergänglich ist

Kausalität – Verständnis dafür, dass die Ursache des Todes biologischer Natur ist

Es gibt inzwischen zahlreiche Untersuchungen, welche eine Fülle von Daten erbrachten und zu wertvollen Erkenntnissen führten. Trotzdem bleiben noch viele Fragen offen.[27]

 

2.3 Todesverständnis anhand verschiedener entwicklungspsychologischer Modelle


 

In diesem Kapitel sollen die Bindungstheorie von J. Bowlby sowie das Entwicklungsmodell von J. Piaget vorgestellt werden um u. a. zu verdeutlichen, dass es, wie Bowlby zeigt, einen Zusammenhang zwischen Bindungstyp und Trauerreaktionen gibt. Bei Piaget ist es das ständige Streben nach Ausgleich, der Mensch will sein Gleichgewicht, im Sinne von Ausgeglichensein, erlangen und ist immer auf der Suche nach Identität. Piaget betrachtet den Menschen als ein offenes System. Darunter versteht er einen Organismus, der sich wandelt, auf Einflüsse der Umwelt reagiert, sich anpasst und die Umwelt selbst beeinflusst. Somit gliedert der Mensch seine Welt.[28]

 

In diesem offenen System ist vieles möglich. Dennoch sind dem Menschen Grenzen gesetzt, z. B. die biologische Grenze. Zur Offenheit des Systems gehören Denkstrukturen und Gefühle, die für andere Menschen nicht ohne weiteres erkennbar sind.

 

2.3.1 Bindungstheorie nach J. Bowlby und M. Ainsworth


 

J. Bowlby wurde bereits im vorigen Kapitel vorgestellt. Mary D. Salter Ainsworth[29] forschte gemeinsam mit ihm an der Bindungstheorie.

 

Sie definierte drei Klassen von Bindungsstilen (Ainsworth) und Trauerbewältigung:

 

sicher gebunden --- normale Trauer

 

ambivalent-unsicher--- chronische Trauer

 

vermeidend --- keine Trauer, viel somatische (körperliche) Reaktionen

 

Die Vertreter der Bindungstheorie nehmen an, dass die Entwicklung einer sicheren Bindung zwischen einem Kleinkind und dessen primärer Bezugsperson in der Kindheit die Grundlage für die Fähigkeit ist, stabile und intime soziale Beziehungen im Erwachsenenalter aufrecht zu erhalten. Soziale Entwicklung nimmt ihren Anfang damit, dass sich zwischen dem Kind und seiner Mutter (oder einer anderen Bindungsperson) eine starke emotionale Beziehung entfaltet.

 

Bindung wird dabei als Neigung des Menschen verstanden, enge, von intensiven Gefühlen getragene Beziehungen zu anderen zu entwickeln. Dieses gefühlsgetragene Band bleibt über Raum und Zeit hinweg erhalten und ist sehr spezifisch, denn keine der Personen kann ausgetauscht werden. Es wird neben Nahrungsaufnahme und Sexualität als primäres angeborenes menschliches Grundbedürfnis gesehen, sichert es dem Säugling doch Nähe, Zuwendung und Schutz einer vertrauten Person. Das heißt, fühlt er sich müde, krank, ängstlich, unsicher oder allein, so werden die von Geburt an vorhandenen kommunikativen Fähigkeiten wie Schreien, Lächeln, Weinen, Anklammern aktiviert, welche die Nähe zur Bezugsperson wieder herstellen soll.[30] Damit ein Kind diese Bindung überhaupt entwickeln kann, müssen sein Verhaltensrepertoire und seine sensorischen Fähigkeiten genügend ausgebildet sein. Im Verlaufe der ersten Lebensmonate wird dieses Bindungsverhalten immer spezifischer auf wenige Bezugspersonen ausgerichtet. In der Regel ist die Mutter die wichtigste Bindungsperson, aber auch Väter, Geschwister, Großeltern, die eine enge Beziehung zum Kind aufbauen, kommen in Frage.

 

Andere Bedürfnisse des Kleinkindes wie das komplementäre Bedürfnis nach Exploration und autonomem Verhalten stehen in einer Wechselbeziehung zu seinem Bindungsverhalten. So lange die vertraute Bindungsperson als verfügbar und prinzipiell bereit wahrgenommen wird, um auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen, überwiegen Exploration und Zuwendung zur Umwelt. Sobald eine Gefahr auftaucht, sei es in der äußeren Umwelt oder eigener Kummer, Unsicherheit, Krankheit oder sich eine Einschränkung in der Verfügbarkeit und Reaktionsbereitschaft der Bindungsperson andeutet, überwiegt das Aufsuchen von Nähe und Kontakt. In zahlreichen Untersuchungen wurde belegt, dass der Mangel an engen Beziehungen sich auf die körperliche Entwicklung auswirkt. Kinder, die in Familien leben, in denen sie mit emotionaler Distanz der Eltern konfrontiert sind und wenig Fürsorge erhalten, leiden oft an Untergewicht, überdies verzögert sich der Aufbau ihrer Knochen. Fühlen sie sich hingegen zufrieden und können sich der Zuneigung ihrer Mutter sicher sein, so bewegen sie sich von ihr weg und erkunden ihre Umgebung. Bindung beginnt bereits mit der Geburt, wenn das Neugeborene seine angeborenen physiologischen Rhythmen in eine eigene Ordnung bringen und mit der Umwelt koordinieren muss. Atemgeschwindigkeit, Pulsfrequenz, Körpertemperatur, Blutzucker und Cortisolspiegel müssen mit dem Schlaf-Wach-Rhythmus in Einklang gebracht werden. Die Mutter trägt dabei durch ihre Pflegehandlungen zur Überformung bei, indem sich Mutter und Kind affektiv aufeinander einstimmen. Für die Bindung ist wichtig, ob und inwieweit die Mutter im zeitlich für das Kind richtigen Rhythmus das Angemessene tut. Je näher sie den sich bildenden Eigenrhythmen des Säuglings kommt, desto eher kann das Kind ein Gefühl, Ursache zu...

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