TEAMCHEF MENSCH
Über die Jahrtausende ist zwischen Mensch und Vierbeiner eine enge Partnerschaft entstanden. Jedes Wort, jede Geste scheint unser Freund Hund zu verstehen. So mancher Zweibeiner vergisst darüber, dass sein Gefährte kein Mensch im Hundepelz ist, sondern seine arteigenen Bedürfnisse hat. Ein partnerschaftliches, vertrauensvolles Miteinander ist die Grundlage für eine gute Beziehung zwischen Mensch und Hund. Doch »Chef« sollte stets der Mensch bleiben.
ALLES CHEFSACHE
Führungsqualität beweisen
STAMMVATER WOLF lebt nicht etwa in unorganisierten Horden, sondern in Familienverbänden. Aus umfangreichen Freilandforschungen ist bekannt, dass die Elterntiere ihre Nachkommen führen, bis die meisten von ihnen, vor allem die »Kopfstarken«, mit Erreichen der Geschlechtsreife abwandern und selbst eine Familie gründen. Bis dahin lernen die Youngsters die Regeln des Zusammenlebens. Das heißt: sich in die Gemeinschaft einzugliedern und sich anzupassen. Die erfahrenen Alttiere sorgen außerdem für Sicherheit und Nahrung und lehren ihre Sprösslinge alles, was für das Überleben wichtig ist.
Vieles davon, aber längst nicht alles, lässt sich auf das Mensch-Hund-Team übertragen. Denn obwohl der Mensch ein echter Sozialpartner für den Hund ist, leben zwei verschiedene Arten zusammen – zudem nicht in der freien Natur, sondern in einer durchstrukturierten, zivilisierten Umgebung voller Regeln. Aber dank seiner Entwicklung vom Wild- zum Haustier bleibt der Hund, auch wenn er längst erwachsen ist, im Vergleich zum erwachsenen Wolf in einer Art jugendähnlichem Stadium. Das macht ihn im Gegensatz zu seinen wilden Verwandten abhängiger, umgänglicher und sehr anpassungsfähig. Dadurch, dass er domestiziert, also zum Haustier wurde, kann der Hund sein Leben lang im menschlichen »Rudel« bleiben und muss nicht irgendwann selbst für sein Überleben sorgen und seinen Nachwuchs auf das Leben vorbereiten.
Doch wie die Jungwölfe braucht auch unser Hund ein »erfahrenes Alttier«, das ihn durchs Leben führt. Er braucht also einen Zweibeiner, der ihm Sicherheit gibt, berechenbar ist, Gefahren abwendet, Regeln und Grenzen festlegt und für seinen Youngster sorgt.
Macht der Mensch seine Sache gut, wird sein Hund ihn gern als Teamchef respektieren und ihm immer vertrauen. Allerdings leben, anders als in einer Wolfsfamilie, Hunde aller Charaktere beim Menschen – vom kopfstarken »Leadertyp« bis zum »Weichei« –, was natürlich ganz unterschiedlich hohe Ansprüche an die Führungsqualitäten der Zweibeiner stellt. Je besser Mensch und Hund im Typ zusammenpassen, desto weniger Probleme gibt es.
RASSEGERECHT
Jede Rasse hat ihre Besonderheit
JEDER HUND ist eine individuelle Persönlichkeit. Aber es gibt von Rasse zu Rasse erhebliche Unterschiede in ihren rassetypischen Eigenschaften. Denn über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte wurden bestimmte Eigenschaften gezielt in der Zucht gefördert, damit der Hund für seine Aufgaben auch taugt. Vielen ist gar nicht bewusst, dass Bellos Verwandte fast alle für ganz bestimmte Aufgaben gezüchtet wurden oder noch immer werden. So hat auch Bello selbst bestimmte Eigenschaften, die Vertreter einer anderen Rasse oft nicht haben.
Wenn beispielsweise ein Parson Jack Russell Terrier im Fuchsbau auf einen wehrhaften Gegner trifft, darf er nicht verunsichert aus dem Bau kommen und mit »Hilf mir, was soll ich jetzt machen?« Herrchen fragen, was zu tun ist oder sich gar hinter ihm verstecken. Nein, er muss seinen »Mann« stehen, selbst entscheiden und sich mit dem wehrhaften Wild auseinandersetzen. Weil gezielt mit solchen Hunden, die diese Eigenschaften haben, gezüchtet wurde und wird, tut er das auch voller Passion, Willensstärke, Durchhaltevermögen und einer Portion Draufgängertum. Wen wundert es da, dass das selbstbewusste Energiebündel Artgenossen gegenüber manchmal an Größenwahn leidet und der Normalo-Hundebesitzer bei der Erziehung einen sehr langen Atem haben muss. Es bedarf nämlich einiges an Überzeugungskraft, einen solchen Vierbeiner zur Zusammenarbeit und zum Gehorsam zu bewegen.
Wenn sich dagegen ein Border Collie mit Pfeifsignalen und Handzeichen auch über größere Entfernungen so lenken lässt, dass er bestimmte Schafe von der Herde trennt und zu einem bestimmten Punkt treibt, zeigt das, dass der Hund sehr viel Kooperationsbereitschaft und Führigkeit hat. Auch die wurden ihm gezielt angezüchtet. Hier ist Selbstständigkeit wenig gefragt bzw. muss sie kontrollierbar bleiben, denn sie würde die notwendige Zusammenarbeit erschweren oder gar unmöglich machen. Ein derart führiger Hund ist andererseits aber meist sehr viel leichter zu beeindrucken und sensibler. Das sind nur zwei Beispiele aus der Vielzahl der Rassen, die es gibt. Beschäftigen Sie sich also mit der Geschichte Ihrer Hunderasse. Besonders bei Hunden aus Leistungszuchten sollten Sie genau überlegen, ob Sie einem solchen Vierbeiner gerecht werden, wenn Sie ihm die Arbeit, wofür er gezüchtet wurde, nicht bieten können. Das betrifft die meisten Jagdhunde- sowie viele andere Gebrauchshunderassen.
NÜTZLICHES REZEPT 1
HUND BLEIBT HUND
Der Vierbeiner ist kein Mensch
Wenn Sie Ihrem Vierbeiner etwas wirklich Gutes tun möchten, dann sehen und behandeln Sie ihn so als das, was er ist: ein Hund, der zur Familie der hundeartigen Raubtiere gehört. Er ist weder Kuscheltier, noch kann er Partner oder Kind ersetzen. Eine Vermenschlichung überfordert unsere Vierbeiner und richtet Erwartungen an sie, die sie nicht erfüllen können. Das sollten Sie sich im Umgang mit Ihrem vierbeinigen Liebling stets bewusst machen – auch wenn es Ihnen vielleicht noch so schwerfällt.
KRÄFTE MESSEN
Sagen Sie Ihrem Hund, wo es langgeht
»HOPPLA, HIER RIECHT’S ABER GUT«, denkt Bello, schlägt unvermittelt einen Haken und schleift Herrchen an der Leine im Laufschritt hinter sich her. Entrückt versinkt Bello in der hündischen Duftnachricht, Herrchen wartet brav. Nach einer Zeit: »Bello, bist du bald fertig?« Nein, ist er noch lange nicht. »Bello, komm doch jetzt bitte weiter.« Herrchen wird unruhig, Bello lässt sich in keinster Weise stören. Brav, aber leicht genervt wartet Herrchen daher, bis Bello tatsächlich fertig geschnüffelt, die Nachricht auf drei Beinen ausgiebig »überschrieben« hat und endlich weitergeht. Natürlich vorneweg, die Leine immer schön gespannt … Wer von beiden hat wohl das Sagen? Falls diese Szene keine seltene Ausnahme in diesem Mensch-Hund-Team ist, eindeutig der Hund. Denn er entscheidet – wahrscheinlich nicht nur in dieser Situation.
Hündin Cora hat es sich auf dem Sofa bequem gemacht. Frauchen kommt und will sich dazusetzen. Das gefällt Cora gar nicht, und sie knurrt warnend. Auch gut, denkt Frauchen, wenn Cora lieber allein auf dem Sofa sitzt, nehme ich eben den Sessel. Tja, auch hier hat der Vierbeiner das Sagen. Denn der, der die Bewegungsfreiheit des anderen einschränkt (Frauchen darf hier nicht sitzen) und/oder Ressourcen, hier ein bevorzugter Liegeplatz, für sich beansprucht, ist der Boss.
Wer entscheidet, führt. In vielen Situationen im Alltag stellt sich die »Entscheidungsfrage« – etwa wer bestimmt, wann und wie lange gespielt oder gekuschelt wird, wann spazieren gegangen oder auch nur die Terrassentür geöffnet wird. In einer harmonischen Mensch-Hund-Beziehung kann das durchaus auch mal der Vierbeiner sein. In welchem Verhältnis das gut ist, hängt davon ab, welchen Charakter der Hund hat. So darf ein Vierbeiner, der jede Schwäche des Menschen sofort für sich ausnützt und »expandiert«, sehr unabhängig ist oder dazu neigt, seinen Zweibeiner ständig zu etwas aufzufordern, gar nichts bestimmen. Hier gehen alle Initiativen nur noch vom Zweibeiner aus. Einem Hund, der sich dagegen von sich aus gern an seinem Mensch orientiert und der auch Schwächen seines Menschen nicht gleich für Expansionstendenzen nutzt, darf man durchaus hin und wieder nachgeben, wenn er spielen möchte oder kommt, um sich seine Streicheleinheiten abzuholen.
NÜTZLICHES REZEPT 2
DER »KLEBRIGE« HUND
Wenn Bello an den Fersen haftet
Folgt Ihr Hund Ihnen im Haus auf Schritt und Tritt? Ein »klebriger« Hund hat verständlicherweise leichter Probleme, wenn er alleine bleiben muss. Beugen Sie vor, indem Sie innerhalb der Wohnung zeitweise für Distanz sorgen. »Parken« Sie den Hund hin und wieder in seiner Hundebox (? >) oder schließen Sie hinter sich die Tür, wenn Sie beispielsweise ins Bad gehen. Bleiben Sie dort, solange Ihre »Klette« winselt oder an der Tür kratzt.
SOFORT HANDELN
Zeigen Sie Ihrem Hund, was er tun soll
FRAUCHEN ÄRGERT SICH. Sobald sie die Heckklappe oder Tür der Hundebox gerade mal einen Spalt geöffnet hat, quetscht sich Bello aus dem Auto und läuft draußen umher. »So was Blödes«, denkt Frauchen, »aber jetzt ist es egal, er ist ja schon draußen.«
Abgesehen davon, dass sein Verhalten den...