Vorbereitung einer Weinverkostung
In meinem Beruf als Sommelière organisiere ich regelmäßig Weinproben und Verkostungsveranstaltungen aller Art. Ich genieße es, mich darauf vorzubereiten, und fange oft schon mehrere Tage im Voraus damit an. Ich wähle die zu verkostenden Weine aus und schaue dann, welche ich bereits im Keller habe und welche ich noch einkaufen muss. In diesem Kapitel gebe ich Ihnen Tipps aus meinem beruflichen Alltag, die Ihnen die Vorbereitung Ihrer eigenen Weinprobe erleichtern sollen.
Bestimmt hat Ihnen das Auswählen und Einkaufen der sechs vorgeschlagenen Weine (siehe >) Spaß gemacht. Nun sind Sie gespannt, was Sie erwartet. Mir jedenfalls geht es so, wenn ich einen Wein, den ich noch nicht kenne, probieren kann. Ich treffe alle Vorbereitungen und öffne dann mit großer Vorfreude die Flasche. Ich selbst verkoste am liebsten zusammen mit Kollegen. Zum einen ergibt sich dadurch die Möglichkeit des Meinungsaustausches, zum anderen finde ich es immer schade, wenn wegen eines kleinen Probeschlucks eine ganze Flasche geöffnet und der Rest vielleicht weggegossen werden muss. Das hat nicht zuletzt auch mit dem Respekt vor der Arbeit des Winzers zu tun.
Die beste Zeit zum Verkosten
Wir Fachleute verkosten am Vormittag, um zehn oder elf Uhr. Zuvor haben wir ordentlich gefrühstückt, haben statt Kaffee lieber einen milden Tee getrunken und sind damit fit für die anstehende Verkostung. Am Abend, nachdem unsere Sinne tagsüber schon stark beansprucht wurden, fühlen wir uns meist nicht mehr »frisch« genug, um Wein professionell zu verkosten.
Sie selbst probieren vielleicht am Wochenende oder an einem freien Tag, dann ist die Uhrzeit weniger wichtig. Dennoch werden Ihre Sinne vormittags wacher sein als am Abend (bei den meisten jedenfalls). Am Ende geht es darum, dass Sie Spaß haben und die Zeit mit dem Wein und vielleicht auch mit Ihren Freunden genießen. Eine schöne Möglichkeit wäre, sich tagsüber für die Weinverkostung Zeit zu nehmen, danach etwas zu kochen und dann zum Essen die Favoriten der Verkostung zu genießen.
Verkostungsreihenfolge
Bevor es ans Decken des Verkostungstischs geht, erstelle ich vor jeder Probe eine Art Dramaturgie, das heißt, ich achte darauf, welche Weine aufeinander folgen sollen. Würde man einen schweren Rotwein vor einem sehr leichten Weißwein probieren, hätte der Weißwein überhaupt keine Chance mehr, geschmacklich irgendeinen positiven Eindruck zu hinterlassen. Unser Gaumen wäre mit den Aromen und Inhaltsstoffen des Rotweins völlig belegt und der Weißwein würde kläglich scheitern.
Für unsere Verkostung haben Sie sechs Weine eingekauft – drei weiße und drei rote. Damit Sie so viel wie möglich aus den Weinen herausschmecken können, schlage ich Ihnen folgende Verkostungsreihenfolge vor:
1.Riesling
2.Sauvignon blanc
3.Chardonnay
4.Pinot noir/Spätburgunder
5.Merlot
6.Cabernet Sauvignon
Der temperierte Wein und die passenden Gläser gehören ebenso zur Verkostung wie Korkenzieher, Brot und Mineralwasser.
Die Gläser
Wie auf > bereits erwähnt, empfehle ich Ihnen mindestens zwei, besser drei einheitliche Weingläser pro Person. Das erlaubt Ihnen, die Weine ? zunächst alle weißen, dann alle roten ? miteinander zu vergleichen. Klar ist, dass die Gläser absolut sauber sein sollten, denn das Auge trinkt mit! Die meisten Gläser können selbstverständlich im Geschirrspüler mitgespült werden, sie sollten aber keine Fremdgerüche annehmen, zum Beispiel vom Spülmittel. Falls dies doch geschieht, reiben Sie die Gläser am besten mit einem Tuch aus. Dazu ein kleiner Tipp: Halten Sie die Gläser kurz in den Dampf des heißen Wasserkochers. Dadurch beschlagen sie leicht und sind dann einfacher zu polieren. Die Poliertücher sollten übrigens nicht mit Weichspüler gewaschen sein, da sonst wieder neue Schlieren entstehen.
Ein wunderbarer Trick für alle, die das Poliperen von Gläsern nicht zu ihren Lieblingstätigkeiten zählen, ist das sogenannte Avinieren. Dazu geben Sie einen winzigen Schluck des Weins, den Sie zuerst verkosten möchten, ins erste Glas. Damit schwenken Sie das Glas aus und geben diesen Schluck dann von einem Glas ins nächste, bis Sie alle Gläser, die Sie für die Verkostung benötigen, ausgeschwenkt haben. Der Schluck aus dem letzten Glas wird ausgegossen. Danach sind die Gläser perfekt vorbereitet und Sie haben sich das aufwendige Polieren erspart.
Beim Verkosten ist es übrigens nicht notwendig, ein bereits benutztes Glas vor dem Einschenken des nächsten Weins mit Wasser auszuspülen (selbst dann nicht, wenn Sie von einem Weißwein direkt zu einem Rotwein übergehen). Das Glas ist ja bereits aviniert. Durch die vorgegebene Reihenfolge bei der Verkostung ergibt es sich ohnehin, dass die Weine zunehmend kräftiger werden. Die Geruchsmoleküle, die vom Vorgängerwein im Glas hängen bleiben, beeinträchtig die Aromatik des nachfolgenden Weins in keiner Weise. Einzige Ausnahme: Wenn ein Wein einen massiven Korkschmecker hat, sollten Sie das Glas austauschen oder zumindest gründlich reinigen.
Weinnotizen
Falls Sie Ihre Eindrücke schriftlich festhalten möchten, können Sie dafür Verkostungsbögen vorbereiten. Dazu schreiben Sie entweder alle Vorgaben per Hand auf oder erstellen auf dem Computer einen Vordruck in Tabellenform. Eine einfache Variante könnte folgende Rubriken enthalten:
Weinfarbe (weiß, rosé, rot); Duft (fruchtig, floral, würzig, Sonstiges – siehe >); Geschmack (Süßegrad, Säure, Körper, Fruchtaromen, Gerbstoff, Textur, Nachhall – siehe >); Gesamteindruck (Ausgewogenheit des Weins, Entwicklungspotenzial, persönliche Anmerkungen, wie Ihnen der Wein gefallen hat).
Ambiente
Die passende Atmosphäre für eine Weinverkostung entspricht nicht unbedingt jener für ein romantisches Date. Um die Weinfarbe gut zu erkennen, empfiehlt sich eine helle Raumbeleuchtung (mit ein Grund, warum Profis tagsüber verkosten). Sorgen Sie zudem am Verkostungstisch für einen weißen Hintergrund, vor dem Sie die Gläser schräg halten können, um die Weinfarbe besser zu erkennen. Das kann ein Stück Papier sein, eine weiße Serviette oder ein weißes Tischtuch.
Wenn Sie nicht allein verkosten, sollten Sie und Ihre Mitverkoster auf intensives Eau de Toilette und Parfum verzichten. Je weniger Fremdgerüche, desto optimaler die Verkostungsbedingungen. Während der Verkostung sollten Sie von Zeit zu Zeit für Frischluftzufuhr sorgen. Wenn mehrere Weine offen auf dem Tisch stehen, ist die Raumluft nach kurzer Zeit alkoholgeschwängert.
Wasser zur Verkostung
Zur Geschmacksneutralisierung und Erfrischung sollte genügend Mineralwasser bereitstehen. Als Faustregel gilt: zwei Glas Wasser auf ein Glas Wein. Stilles Mineralwasser ist für eine Weinverkostung besser geeignet. Durch Kohlensäure würde der Alkohol zügig ins Blut befördert und sich dann schneller bemerkbar machen.
Korkenzieher
Die vielen unterschiedlichen Typen von Korkenziehern, die es heute gibt, sind allesamt einfach in der Handhabung. Ich persönlich bevorzuge ein simples Kellnermesser mit einem Doppelhebel, das heißt, der Hebel hat ein Gelenk, sodass der Korkenzieher zweimal am Flaschenhals angesetzt werden kann. Das ist eine sehr nützliche Erfindung, um besonders lange Korken sicher aus der Flasche zu bekommen, ohne dass sie abbrechen. Mit am Werkzeug ist ein kleines Messer, mit dem die Kapsel sauber von der Flasche getrennt werden kann, und mit einem kleinen Haken am Hebel des Korkenziehers kann auch noch ein Kronkorken entfernt werden. Somit sind alle Werkzeuge zum Öffnen von Flaschen im Kellnermesser vereint. Praktisch ist auch, dass es in der Schublade nur wenig Platz beansprucht, im Gegensatz zu den wesentlich größeren Flügelkorkenziehern oder Glockenkorkenziehern, die beide auch noch ein extra Messer erfordern, um die Kapsel abzutrennen.
Die Spirale des Korkenziehers wird etwa in einem 45-Grad-Winkel angesetzt, um sie möglichst mittig in den Korken zu bekommen. Sie sollte nicht vollständig in den Korken eingedreht werden, da sie ihn sonst durchstechen könnte und Korkbrösel in den Wein rieseln würden. Das ist zwar nicht weiter schlimm, lässt sich aber durch die richtige Technik vermeiden.
Temperatur der Weine
Die Weißweine stehen bereits in Ihrem Kühlschrank und sind mit 5 bis 6 °C für die Verkostung perfekt temperiert. Normalerweise ist diese Temperatur etwas zu kühl, für die Verkostung jedoch ideal, damit Sie sich ausreichend Zeit lassen können, bevor die Weine zu warm werden. Schenken Sie sich vom Weißwein etwa 100 ml ein (diese Füllmenge empfiehlt sich auch bei Rosé- und Rotwein) und gießen dann wenn nötig wieder nach. So ist der Wein immer ideal temperiert. Sobald ein Weißwein zu warm wird (je nach Weinstil in der Regel bei 10 °C und mehr), kann er an Format verlieren. Die Säure ist dann weniger erfrischend, der Wein wirkt plump und breit. Manchmal treten sogar Weinfehler zutage, die...