Hoş geldiniz Türkiye’ye
İstanbul: Blick über den Bosporus vom Pinienhügel Büyük Çamlıca
Willkommen in der Türkei, in einem Land zwischen Orient und Okzident, das vielschichtiger, aufregender und widersprüchlicher kaum sein kann.
Das Gros aller Türkeiurlauber bekommt dies aber gar nicht mit. Es lernt nur einen kleinen Teil der über 8000 km langen Küste kennen, manche nur ihre gebuchte Clubanlage, den Traumstrand davor und das künstliche Shoppingdorf dahinter. Wer aber durch das Land reist, erfährt die Türkei als Verkleidungskünstlerin: Sandstrände werden zu zerlappten Steilküsten, fruchtbare Ebenen zu schroffen Berglandschaften, graubraune Steppen zu subtropischer Üppigkeit, Olivenhaine zu unendlichen Baumwollfeldern, moderne Metropolen zu armseligen Lehmdörfern und vom Wohlstand verwöhnte Großstädter zu bescheidenen Bauern. Im Sommer verglüht man in der Hitze Şanlıurfas bei über 40 °C im Schatten, in den eisigen Wintern Erzurums erstarrt man bei 40 °C unter Null zum Eismann. Je nach Jahreszeit können Sie mit dem Kajak über tosende Flüsse rasen, idyllische Bergalmen erwandern, von Drei- und Viertausendern im Tiefschnee zu Tale carven, durch versunkene Städte tauchen oder mit dem Gleitschirm von Vulkanen starten und die Wolken küssen.
So wie sich die Natur in allen Formen verewigt hat, so haben es auch die Menschen. Unzählige Zivilisationen blühten und vergingen, hinterließen ein Land voller Geschichte und Geschichten, einen Schmelztiegel der Kulturen und Völker - wieder aufgerichtete römische Säulenstraßen, verblasste Fresken byzantinischer Kirchen oder mystische seldschukische Gräberfelder erinnern z. B. daran. Durch antike Kassenrenner wie Pergamon oder Ephesus pilgern jährlich Millionen Besucher, anderswo spielen Kinder Fußball zwischen hellenistischen Trümmern.
Tipps und Informationen zur Reise können wir Ihnen liefern, nicht aber die Entschlüsselung des faszinierenden Rätsels Türkei, des bunten Mosaiks aus Antike und Gegenwart, aus westlich-modernem Denken und konservativer Frömmigkeit. Sie werden Menschen begegnen, die Ihnen den Eindruck vermitteln, dass das Land ganz klar den Fuß in der Tür nach Europa hat: gebildete Menschen mit der heißen Liebe nach Fortschritt und von ausschweifendem Frohsinn, weniger prüde als die Amerikaner des mittleren Westens.
Doch Sie werden auch auf Menschen treffen, die genau dieses liberale Leben ihrer Landsmänner und -frauen als dekadent, unmoralisch und bis auf die Knochen verderbt ansehen. Dazu brauchen Sie nicht einmal bis in den Südosten des Landes fahren, wo die Ideen Atatürks vielerorts auf dem Postweg hängen geblieben sind, wo Frauen verschleiert zum Markt huschen, während ihre Männer in der Moschee über die Vorzüge des Gottesstaates plaudern; wo verkaufte Bräute, Polygamie und Ehrenmord leider keine Klischees sind. Die türkische Gesellschaft ist so unterschiedlich wie die einzelnen Glaubensrichtungen des Islam. Gemein ist allen Türken allerdings eine unglaubliche Gastfreundschaft.
1644 km liegen zwischen İstanbul und dem Van-See ganz im Südosten des Landes, mehr als zwischen İstanbul und Wien. Die Türkei ist ein riesiges Land im Spagat zwischen Ost und West. Machen Sie sich bereit für eine wundervolle Zeit zwischen moderner Lebensfreude und trister Orthodoxie, zwischen Feudalismus und Demokratie, zwischen Kommerz und Koran, zwischen Minirock und Schleier. İyi eğlenceler, viel Spaß.
Begegnungen im lykischen Hinterland
Land und Leute unter dem Halbmond - die Türkei in Fakten und Zahlen
Offizieller Name: Türkiye Cumhuriyeti (Republik Türkei).
Nationalflagge: Weißer Halbmond und Stern auf rotem Grund.
Warten auf Kundschaft - Schuhputzer in Istanbul
Geografie: Mit einer Fläche von 779.452 km2 ist die Türkei gut zweimal so groß wie Deutschland. 3 % der Fläche befinden sich auf dem europäischen Kontinent, der Rest - allgemein als Anatolien bezeichnet - gehört zu Asien. Die Fläche İstanbuls beträgt 5343 km2 - die Stadt am Bosporus ist damit mehr als doppelt so groß wie das Saarland. Die Türkei, in 81 Provinzen untergliedert, erstreckt sich zwischen dem 26. und 45. Grad östlicher Länge und dem 36. und 42. Grad nördlicher Breite. Die Nachbarländer sind Griechenland, Bulgarien, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Iran, Irak und Syrien. Die Türkei ist überaus reich an Bodenschätzen, darunter große Kupfer-, Chrom- und Manganvorkommen. Der höchste Berg ist der Ararat (5137 m ü. d. M.) ganz im Osten des Landes. Die Westküste der Türkei ist geprägt von Mittelgebirgszügen, Ausläufern des anatolischen Hochlandes, die zum Meer hin abfallen. Die bergige Landschaft ist von weiten Flusstälern mit Schwemmlandebenen durchsetzt. Diese Randzone ist geologisch mit den Ägäisinseln verbunden. Entlang der Südküste grenzt die Bergkette des Taurus (mit Höhen von über 3000 m) das anatolische Hochland von der Küste ab. Das Pendant dazu ist an der Schwarzmeerküste das Pontische Gebirge, ebenfalls mit Gipfeln bis über 3000 m. Dazwischen erstreckt sich das zentralanatolische Hochland auf 900-1200 m ü. d. M. Die Gebirge bilden zugleich eine Wetterscheide: Das Pontische Gebirge sorgt dafür, dass im Sommer nur wenige Regenwolken vom Schwarzen Meer Zentralanatolien erreichen, der Taurus verhindert bis in den Spätherbst das Vordringen kalter Luftmassen vom anatolischen Hochland an die Küste. Auf das zentralanatolische Hochland folgt weiter östlich das ostanatolische Hochland, aus dem sich einzelne, mächtige Vulkane erheben. Es ist zugleich das Gebiet der Türkei mit dem kontinentalsten Klima. Die Entstehung der Gebirge begann vor rund 60 Mio. Jahren durch das Aneinanderdriften der Eurasischen und der Arabischen Platte. Die tektonischen Aktivitäten mit Grabenbrüchen und Transversalverschiebungen brachten (und bringen noch immer) katastrophale Erdbeben und schufen ein breites Spektrum vulkanischer Aktivitäten.
Politisches System: Die Türkei war bei Redaktionsschluss eine parlamentarische Demokratie, die Nationalversammlung (das Parlament mit 550 Sitzen) die Legislative. In der Legislaturperiode 2011-2015 stellte die islamisch-konservative AKP mit 326 Sitzen die Mehrheit. Die beiden Oppositionsparteien waren die sozialdemokratische CHP und die nationalistische MHP (alle anderen Parteien scheiterten an der 10%-Hürde), zudem zogen noch 36 unabhängige Kandidaten ins Parlament ein. Präsident ist seit 2014 Recep Tayyip Erdoğan (zuvor war er elf Jahre lang Ministerpräsident), zwei Amtsperioden sind möglich. Der Umbau des Staates in eine Präsidialdemokratie ist geplant. Wie lange der Laizismus (Trennung von Religion und Staat) noch in der Verfassung verankert ist, ist unter diesem Präsidenten fraglich.
Nationalbewusstsein: Das Osmanische Reich war als Vielvölkerstaat ohne ethnisch-sprachliches Nationalbewusstsein konzipiert. Das Ziel Atatürks, den Türken das Selbstwertgefühl einer „Nation“ zu geben, ist bis heute ein Leitmotiv der Innenpolitik des türkischen Staates. Gleichzeitig ist der krude Nationalismus eine Geißel des Landes. Er schränkt die Menschenrechte und Meinungsfreiheit ein und belastet das Zusammenleben mit den ethnischen und religiösen Minderheiten.
Wirtschaft: Die Türkei erlebte viele Jahre ein Wirtschaftswachstum, das weltweit zuweilen nur noch China toppen konnte. In der Rangfolge der größten Volkswirtschaften der Welt nimmt die Türkei nach Erhebungen der OECD mittlerweile Rang 17 ein. Doch der große Boom scheint seit 2013 vorbei zu sein: Das Jahr der Gezi-Proteste, der Korruptionsvorwürfe und der für alle Schwellenländer unvorteilhaften Fed-Entscheidungen ließ Anleger auch aus der Türkei Kapital abziehen. Für 2015 wurde bei Redaktionsschluss ein Wirtschaftswachstum von nur noch 3,5 % prognostiziert (viele EU-Staaten können von einer solchen Prognose aber nur träumen). Andere Experten befürchten einen großen Knall, denn die türkische Wirtschaft gilt mehr und mehr als überhitzt. Die Arbeitslosigkeit schwankte in den letzten Jahren um die...