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E-Book

'Und dann kam der Richtige'

Frauen erzählen die Liebesgeschichten ihres Lebens

AutorJeannette Villachica
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783451803833
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Frauen denken viel über die Liebe nach, unser gesamtes Liebesleben haben wir jedoch selten im Blick. Welche Erfahrungen haben wir gemacht, seit wir als Zwölfjährige den Jungen aus der Parallelklasse beäugten? Wer hat uns in der Liebe wie geprägt und was haben wir aus unseren Beziehungen mitgenommen? Frauen zwischen 19 und 76 Jahren erzählen ihre bezaubernden, erschütternden, lustigen und erotischen Geschichten - und liefern intime Einblicke in heutige Liebesbiografien.

Jeannette Villachica, 1970 in Hamburg geboren, war Übersetzerin und Redakteurin. Seit 2002 arbeitet sie als freie Journalistin in Hamburg für deutschsprachige Print- und Onlinemedien mit Themenschwerpunkten im Bereich Kultur, Gesellschaft, Reise.

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Leseprobe

»Uns verbindet das Dorf, aus dem wir kommen«


Julia, 29,
führt seit fünf Jahren eine Fernbeziehung

Es hat gedauert, bis Julia und Alexander ein richtiges Paar wurden. Und das, obwohl sie sich seit ihrer Kindheit kennen und sich bereits als Teenager ineinander verliebt hatten. Julia war es wichtiger, erst einmal die Welt zu sehen und herauszufinden, was sie aus sich machen kann. Sie ging nach England, studierte in Italien, hatte Beziehungen zu Italienern und genoss das italienische Familienleben. Jahrelang dachte sie kaum an Alex, obwohl sie sich regelmäßig in ihrem Heimatort sahen. Bis Julia nach dem Ende einer leidenschaftlichen Beziehung seelisch am Boden lag und ihr ein Bekannter, der sich in sie verliebt hatte, die Frage stellte: Wer ist der Mensch, den du nie verlieren möchtest?

Bis ich vierzehn war und anfing, in den Jugendclub zu gehen, haben Alex und ich einander nie besonders beachtet. Wir sind im selben 600-Einwohner-Dorf aufgewachsen und aufs selbe Gymnasium gegangen, er ist aber vier Jahre älter als ich. Im Jugendclub sah ich ihn dann öfter. Dort trafen sich alle Jugendlichen unseres Dorfes, die einigermaßen aktiv waren. Das waren nicht viele, vielleicht zwanzig. Das erste Mal haben wir voneinander Notiz genommen, als wir das Osterfeuer vorbereiteten. Das klingt jetzt sehr kitschig, aber ich stand auf einem Stapel Holz, und er hat mir Zweige hochgereicht – das war unser erster Blickkontakt. Ich dachte: Ah ja, du bist auch da. Und: Ist ja ganz niedlich. Trotzdem war er für mich sehr weit weg. Ich fühlte mich sehr jung, noch gar nicht bereit für eine Beziehung. Damals hätte ich nie etwas unternommen, damit wir zusammenkommen, und er auch nicht.

Ungefähr zwei Jahre später fand im Jugendclub eine Party statt – zwischendurch hatte ich andere Freunde gehabt, nichts Ernstes. Auf dieser Party lief ein Lied, das macht mir heute noch Bauchflimmern: »The Time of My Life« aus »Dirty Dancing«. Da hat Alex mich zum Tanzen aufgefordert, ohne dass wir uns je vorher groß unterhalten hätten. Ich war im siebten Himmel … An dem Abend haben wir uns auch geküsst. Weil ich aber total betrunken war, und er wahrscheinlich auch, war danach alles wieder wie vorher. Wir fanden einander wohl beide gut, uns fehlte aber der Mut. Vielleicht lag es auch daran, dass er immer extrem hübsche Freundinnen hatte, mit langen Haaren. Ich dachte, an die reiche ich nie ran, so werde ich nie sein. Außerdem hatte ich zu dem Zeitpunkt eine ziemlich coole Liebesgeschichte mit einem aus meiner Klasse, der Musik machte. Den fand ich wahrscheinlich noch ein bisschen besser, trotz des Erlebnisses mit dem Kuss und Dirty Dancing. Mit dem anderen hatte ich einfach mehr zu tun: Wir waren gleich alt, waren zusammen auf Klassenfahrten, hatten Kurse zusammen.

Dann habe ich mein Abitur gemacht und bin für ein Jahr nach England gegangen. Als ich aus England zurückkam, hatte Alex angefangen, auf Partys Musik zu machen. Auf so einer Party saß ich bei ihm, und wir haben uns sehr genial unterhalten. Ich glaube, da hat es bei uns beiden so richtig gefunkt. Auf einer anderen Party hat er sich dann offenbart. Das war wieder ganz wild, denn wie gesagt, es ist ein kleines Dorf, und zu der Zeit ist er gerne mit Katrin, einer guten Freundin von mir, ins Bett gegangen. Das hat mich schon gestört. Und ich hatte extreme Schuldgefühle, weil sie mehr von ihm wollte als er von ihr. Auf der anderen Seite hatte ich extrem starke Gefühle für Alex, das konnte ich auch nicht leugnen. Es war ein holpriger Start, aber ab dem Zeitpunkt sahen wir uns dauernd. Wir lagen stundenlang zu Hause im Bett und erzählten. Es war sehr schön, wir waren beide total verknallt, haben das aber größtenteils heimlich gelebt, weil im Jugendclub meine Freundin war und wir nicht vor ihren Augen turteln wollten.

Ich war neunzehn und hatte bis dahin noch keinen Sex gehabt, nur Petting oder mal probiert, und es hatte nicht geklappt. Eigentlich wäre Alex der ideale Typ fürs erste Mal gewesen. Er ist sehr sensibel und kann sich total zurücknehmen. Ich wäre bei keinem besser aufgehoben gewesen, aber er hat mir sehr viel bedeutet. Mir schwirrten Horrorgeschichten im Kopf herum, was die Schmerzen angeht und was alles schieflaufen kann. Mein erstes Mal wollte ich lieber mit jemandem haben, bei dem es mir nicht so viel ausmachte, mich zu blamieren.

Obwohl ich so verliebt war, bekam ich nach zwei, drei Monaten zu Hause Panik. Aus England hatte ich so viele Ideen mitgebracht, was ich jetzt machen könnte, hatte so viel Energie … Ich wollte mich erst einmal selbst finden, herausfinden, was man alles aus sich machen kann, auch, wie sexuell die grundlegenden Dinge funktionieren. Deshalb habe ich versucht, wieder einen Auslandsaufenthalt anzukurbeln, auch weil ich mehrmals diesen Traum hatte: Mein Zimmer wird immer kleiner und ich komme nicht mehr raus. Wahrscheinlich lag das auch der Mentalität im Dorf, wo keiner über den Tellerrand guckte. Die Gespräche drehten sich um den Jugendclub – ich war interessiert an der Welt, an neuen Dingen. Das war mir in dem Moment wichtiger, als meine Beziehung mit Alex zu leben. Obwohl ich so starke Gefühle für ihn hatte und schon so lange, wenn auch irgendwie diffus, davon geträumt hatte, mit diesem Menschen zusammen zu sein, dachte ich: Irgendwie passt mir das jetzt gar nicht. Ich musste meine Energie erst loswerden, wollte etwas tun, etwas bewegen.

Deswegen habe ich bei einem Projekt in Italien angefangen. Das erste Jahr in Florenz bildete ich mir ein, Alex und ich wären weiterhin zusammen. Eigentlich hatten wir nie darüber gesprochen, ob wir überhaupt »zusammen« sind. In dem Jahr ist Alex kein einziges Mal nach Italien gekommen. Das nahm ich ihm damals ein bisschen übel. An Weihnachten haben wir uns wiedergesehen, aber wie das war, daran kann ich mich gar nicht erinnern.

Im neuen Jahr lernten eine Freundin von mir in Florenz und ich ein paar Typen kennen. In der Gruppe war auch Luca, der mir gut gefiel. Das habe ich meiner Freundin zu Hause am Telefon erzählt, und dann ging es los: Durch sie erfuhr ich, dass Alex wieder mit Katrin ins Bett stieg und Katrin völlig fertig war, weil er auf Dauer immer noch nicht mehr von ihr wollte. Als ich das hörte, war es für mich vorbei. Ich schrieb ihm eine SMS: »Jetzt können wir aber Schluss machen.« Und er schrieb zurück: »Lass uns doch Ostern darüber reden.« Aber das war mir zu viel. Dieses ganze Hin und Her und jetzt das noch mit Katrin … Ich dachte: Ihr könnt mich mal! Ich bleibe jetzt in Italien und studiere hier. Dann habe ich mit Luca angebändelt und an Ostern, drei Wochen später, war er bei mir zu Hause. Luca hatte ein Riesenauto, das stand dann bei meinen Eltern vor der Tür. Alex kam und wollte reden, und ich habe gesagt: »Äh, ich habe jetzt hier Luca.« Er wusste nicht, dass ich über ihn und Katrin Bescheid wusste. Vielleicht hat er es geahnt, aber er hat es Jahre später noch geleugnet. Na ja, das waren die wilden Zeiten.

Als Alex merkte, dass es wirklich aus war, ist er die Straße runtergegangen und hat geheult. Klingt wie eine Seifenoper, wenn ich das so erzähle. Ich war dann mit Luca drei Jahre lang zusammen. Es hat sich aus der Clique heraus so ergeben. Ich habe sicher auch Trost gesucht. Jedenfalls bin ich dann ziemlich schnell bei Luca und seiner Mutter eingezogen. Mit seiner Mutter verstand ich mich super. Das Problem war mit der Zeit, dass ich mehr mit ihr sprach als mit ihm, was daran lag, dass er lieber auf den Fernseher starrte und absolut nicht an Politik interessiert war – für eine Politikstudentin nicht ideal. Luca war zwar wie Alex der Typ bester Kumpel, witzig und fröhlich, ihn interessierte aber kaum, was in der Welt vorging. Das habe ich nach und nach gemerkt. Fußball war eher seine Welt. Alex interessiert sich auch für Fußball, aber eben noch für sehr viel mehr.

Ich war anfangs sicher mehr in Alex verliebt als in Luca. Luca habe ich aber mit der Zeit lieben gelernt. Er war zwar kein idealer Gesprächspartner für mich, dafür hatte er sozial viel drauf, hat ein Picknick hier organisiert, Volleyballspielen da, wollte mit mir ans Meer fahren oder raus zu seiner Schwester. Ich selbst tendiere sehr zum Arbeiten und ergreife praktisch nie die Initiative für solche Dinge, obwohl ich sie total gerne tue. Irgendwie habe ich immer viel zu viel zu tun – wahrscheinlich nehme ich die Arbeit zu ernst. Andererseits: Politik macht man nun mal mit Leib und Seele. Jedenfalls war das bei all meinen Freunden so, dass sie mich bei Freizeitaktivitäten mitgerissen haben.

Mit Luca hatte ich dann mein erstes Mal. Das war okay. Danach war ich ein bisschen beruhigt, was den Sex angeht. Es lief ganz gut sexuell bei uns, bis von seiner Seite nicht mehr viel kam. Er fing an, auf dem Sofa zu schlafen und ohne mich auszugehen. Ein Grund war sicher, dass ich mich für ein Erasmus-Stipendium in Frankreich beworben hatte, ohne ihm davon zu erzählen. Als ich ihm sagte, ich hätte die Zusage für ein Jahr in Lyon, war er entsetzt und meinte: Nein, das geht nicht. Ich hätte nie gedacht, dass er das nicht mitmacht. Am Anfang wollte Luca noch mit nach Deutschland kommen. Durch unsere Reisen nach Deutschland, Belgien und nach England hat er aber verstanden, dass das nicht so einfach ist, wenn man kein Deutsch oder wenigstens gut Englisch spricht. Bevor wir zusammenkamen, war er ja nie außerhalb Italiens gewesen.

Lyon habe ich dann abgesagt, auch weil ich bei ihm wohnte und nicht wusste, wohin mit meinen Sachen, falls das mit uns auseinandergeht. Zwei Monate später haben wir uns trotzdem getrennt. Es krachte richtig, wir warfen Dinge nacheinander … Gut, dass seine Mutter gerade nicht zu Hause war. Bis ich ein WG-Zimmer für mich gefunden...

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