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E-Book

Unerschrocken

Mit dem Glauben durch angstvolle Zeiten

AutorThomas Dienberg OFMCap
VerlagCamino
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783961579945
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Im vergangenen Jahr ist der Angst-Index der Deutschen rasant angestiegen. Hauptgründe dafür sind die Bedrohung durch Terror, Extremismus und der Vertrauensverlust in die Politik. Thomas Dienberg setzt sich mit diesen Ängsten auseinander und zeigt anhand von Beispielen, wie wir Wege finden können, die uns durch die Angst tragen. Große Vorbilder wie Oscar A. Romero, Martin Luther King oder Edith Stein kommen zu Wort und ermutigen uns, unerschrocken in die Zukunft zu blicken.

Professor P. Dr. Thomas Dienberg OFMCap, geb. 1964, Kapuziner seit 1983, Priesterweihe 1991. Studium der Theologie in Münster, Nijmegen, Wien und USA; seit 2001 Professor für Theologie der Spiritualität der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Münster, von 2002 bis 2014 Rektor der PTH. Vorstandsvorsitzender des Instituts für Kirche, Management und Spiritualität, zahlreiche Publikationen und Vortragstätigkeit. Mitherausgeber der Zeitschrift Wissenschaft und Weisheit.

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Leseprobe

Vom Umgang mit der Angst


Das Benennen von Ängsten allein hilft nicht, wenn sie nicht auch Wege aufzeigen, wie mit diesen Ängsten, ob sie nun real sind oder nicht, umzugehen ist. Das scheint mir viel wichtiger und auch hilfreicher zu sein. Es ist die Aufgabe meines Lebens, mit meinen Ängsten leben zu lernen, sie in mein Leben zu integrieren und nicht gegen sie anzukämpfen. Dann können sie sogar zu einem Anstoß für das Leben werden, dann können sie hilfreich sein und sind nicht mehr destruktiv. Vielleicht steht die Angst heute allzu sehr im Verruf. Angst darf nicht sein, sie darf es nicht geben. Doch stimmt das, geht das überhaupt – und will ich das?

Kann Angst nicht sogar ein guter Ratgeber sein, ein Antriebsmotor, der nicht immer in die falsche Richtung geht? Warum eigentlich immer das schlechte Gerede über Angst?

Einen anderen Ton und für mich weitaus hilfreicher im Umgang mit den Ängsten, Sorgen und Befürchtungen, die Leben bedeuten, schlägt das Wirtschaftsmagazin »brand eins« in seiner Ausgabe vom April 2017 an. Das Grundthema des Heftes lautet schlicht und ergreifend: »MUT«. Es fängt an mit einem Plädoyer wider die Empörung: »In Zeiten der Empörung ist der wahre Mut auf der Seite der Coolen und Nüchternen. Wir brauchen keine Helden. Wir brauchen mehr Sachverstand« (Lotter, 48). Der Autor verweist auf die ständige Empörung über irgendetwas oder irgendjemanden, die nicht weiterhilft, die eher abstumpfen lässt und die er in ihrer nunmehr schon ritualisierten Form als eine Sonderform des geistigen Tiefschlafs bezeichnet (vgl. Lotter, 49). Widerstand ist gut, doch Widerstand ohne eine Lösung oder eine Alternative, nur aus der Haltung heraus, dagegen sein zu müssen, ist keine wirkliche Alternative. Es ist eine Gewaltform ohne Zukunft. Luther war ein Mann des Widerstands mit einer konkreten Alternative, ohne gleich alles über Bord zu werfen. Und genau deswegen hatte er Erfolg. Er war mutig im Widerstand und mutig in der Entwicklung von Neuem. Der Autor plädiert für diesen Pragmatismus und ebenso für die Tugend des Gleichmuts: »Es braucht Nüchternheit, Pragmatismus, um das Schlechtere mit Besserem zu überwinden. Das ist Gleichmut. Man darf ihn nicht mit der Gleichgültigkeit verwechseln, die nichts weiter darstellt als Desinteresse, Abgestumpftheit und Fatalismus. Nichts davon dient der Orientierung und dem Neuanfang. Gleichmut hingegen ist Gelassenheit. … Es ist heute weitaus mutiger, zu den Gelassenen zu gehören als zu den Empörten. Es gehört keine Courage dazu, sich aufzuregen und ›Nein!‹ zu rufen – und dann nichts mehr zu tun. Furchtlos sind diejenigen, die sagen: Es muss uns was Besseres einfallen. Lasst uns nachdenken. Vor allen Dingen dann, wenn die Alternative, wie heute, keineswegs so klar ist. Nüchterner Optimismus verzagt nicht an der Zukunft« (Lotter, 50 f.). Gelassenes Handeln ist von daher ein überlegtes und ein bedachtes Tun, kein vorschnelles und aktionistisches.

Ein anderes Element, das der Autor in diesem Zusammenhang anführt, ist die Selbstbeherrschung als einer notwendigen Sozialtugend. Reflexion ist hilfreich und ermöglicht Alternativen. »Ruhe bewahren, gelassen sein, das heißt nicht: Ruhe geben. Im Gegenteil. Es bedeutet aber die Verpflichtung, selbst zu denken. Und weiter, als es die ganz einfachen Reflexe zulassen. Das gilt auch für jene Reflexe, die moralisch bedingt sind. Wenn man also denkt, was man denken soll. Oder anfängt, für andere zu denken. … Bevormundung ist kein Kavaliersdelikt, auch wenn sie aus der jeweils edelsten Perspektive erfolgt. Wer anderen die eigenen Wertvorstellungen aufdrücken will, handelt nicht gelassen, nicht cool, sondern fahrlässig, nicht selten gegen die eigenen Prinzipien. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel. Das permanente Moralisieren der Politik ist uncool, weil es auch davon ablenkt, dass man liefern muss. Oder sein Angebot gründlich überdenkt. Nur wer andere selbst denken lässt, ist cool. Auch wenn das, was dabei herauskommt, einem nicht gefällt. Keep calm. Carry on.« (Lotter, 54 f.). Mit einem altmodischen Wort ausgedrückt wird hier über den Großmut gesprochen, der anderen Menschen etwas zutraut.

Gleichmut, Gelassenheit und Großmut sind ein ganz wichtiges Dreigespann, das für einen konstruktiven Mut unerlässlich ist. Für den Benediktiner Notger Wolf hat Angst sehr viel mit dem Herzen zu tun, und er fordert dazu auf, dass Menschen heute, vor allem die Christen, zu Mutbürgern werden (Wolf, 71). Für ihn sind vor allem Christen Menschen, die eben keine Feiglinge sind: »Für ein jüdisch-christliches Abendland, für uns als Christen, gibt es kein Aufgeben und Erstarren in Angst. Christen sind keine Feiglinge und Angsthasen, sondern Hoffnungsträger!« (Wolf, 13 f.). Gleichzeitig sieht er in der christlichen Tradition der Unterscheidung der Geister und im Gebet wesentliche Hilfen, den Ängsten im Leben zu begegnen und mit ihnen umzugehen. »Das Gebet oder geistliche Übungen. Die Unterscheidung der Geister, egal mit welcher Methode, um zu erkennen, dass viele Ängste unbegründet und wir der Situation gewachsen sind. Eines der einfachsten Mittel verwende ich sehr häufig. Nicht in jeder Lage, das wäre nicht angemessen. Aber doch gar nicht so selten: Ich lache oder bringe andere Menschen zum Lachen.« (Wolf, 38). Es mag einfach sein, doch kann ich wirklich meine Ängste hinweglachen? Kann ich mir sagen: Du brauchst keine Angst zu haben? Wenn mir in manchen Situationen jemand so etwas zusagt, dann hilft mir das nicht. Dann ist das kein Trost, sondern nur eine Vertröstung, die eben nicht weiterhilft.

Sven Petry, der ehemalige Gatte der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry, weist Ende 2016 darauf hin, dass die Botschaft der Weihnacht lautet: »Fürchtet euch nicht!« Das ist ein Satz, den die Engel den Hirten zusagen, ein Satz, der immer wieder in der Bibel auftaucht und eine der tragenden Aussagen der Heiligen Schrift ist. Trägt diese Botschaft auch mich? Sven Petry schreibt in seinem höchst lesenswerten Buch mit dem gleichnamigen Titel »Fürchtet euch nicht«: »Europa gibt zu Weihnachten 2016 also ein verunsichertes, ein sorgenvolles, ein teilweise ratloses, teilweise furchtsames Bild ab. Trotzdem wird das Abendland auch in diesem Jahr wieder Weihnachten feiern und die Botschaft des Engels an die Hirten hören: ›Fürchtet euch nicht!‹ Die Frage ist, ob wir auch richtig zuhören. Angesichts der Weltlage, der vielfachen sehr realen Bedrohungen, Unsicherheiten und Unwägbarkeiten ist die Versuchung groß, diesen Zuspruch als naiv abzutun. Ich bin jedenfalls darauf vorbereitet, diesen Vorwurf in unterschiedlichen Formulierungen zu hören: Naiver Pfaffe – keine Ahnung von der Welt – die Kirche soll erst einmal vor der eigenen Türe kehren – Schönredner – Systemprediger – einfältiger Gutmensch – ich bin gespannt, wie lang die Liste wird. Wer in Zeiten von Verunsicherung, Angst, Depression und Polarisierung von Hoffnung spricht, riskiert, sich zwischen die Stühle zu setzen. Aber angesichts der biblischen Botschaft gehört ein Christenmensch heute vielleicht ganz genau dorthin zwischen die Stühle, wo es unbequem wird« (Petry, 74 f.). Gleichmut, Gelassenheit und Großmut: Hier sind sie wieder, das Dreigestirn des Mutes und der Unerschrockenheit. In einer Zeit der Angst nicht die Angst beschönigen, sie nicht klein- oder wegreden, sie ernst nehmen und gleichzeitig etwas dagegenzusetzen, den Blick auf die Hoffnung lenken, die der Motor des Lebens ist, das ist mutig. Denn das bedeutet, gegen den Strom zu schwimmen. Das ist kein plumper oder blinder Optimismus, sondern der Aufruf zu Gelassenheit in aller Ungewissheit des Lebens und den Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft. Gelassenheit hilft im Umgang mit den Ängsten des Lebens, indem sie diese relativiert und die Ängste in Beziehung setzt zu dem, was Leben auch noch heißt und was wirklich wichtig im Leben ist, trotz und in aller Angst.

Eine Gelassenheit fordert Petry auch im Umgang mit sich selbst und den anderen, indem man voreinander die Furcht ablegt und einander sozusagen mit offenem Visier begegnet, dem anderen also vertraut und ihn somit zum Dialog einlädt. Dazu gehört auch das Vertrauen in die Welt und die Zukunft. Ist heute nicht vielmehr ein schleichender Pessimismus festzustellen? Vieles läuft aus dem Ruder, vieles ist nicht mehr zu handhaben. Sehr viele Menschen empfinden sich und ihr Leben als ein kleines Rädchen im Getriebe einer großen Maschine, und fühlen sich darin machtlos. Das führt zu Angst: »Nicht zu wissen, was man als Nächstes tun und wie man auf eine Situation reagieren soll, die man nicht herbeigeführt und auch nicht unter Kontrolle hat, ist eine wichtige Ursache von Angst und Furcht« (Baumann, 14).

Ich gebe hier nicht einem ungebrochenen Optimismus das Wort, aber einem zaghaften, der sich nicht unterkriegen lässt, der mich immer noch unerschrocken sein lässt – oder zumindest die Sehnsucht danach erklingen lässt.

Unerschrockenheit in aller Angst, ein zaghafter Optimismus in allen negativen Entwicklungen:...

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