2. Unternehmenskommunikation
Im Sinne einer zielgerichteten Auseinandersetzung mit der Forschungsfrage sollen in diesem Kapitel aus den verschiedenen Modellen und konzeptionellen Überlegungen zur Unternehmenskommunikation lediglich diejenigen Aspekte ausführlich dargestellt und kritisch diskutiert werden, die in Bezug auf derzeitige und zu erwartende zukünftige Herausforderungen durch Social Media von besonderem Interesse sind.
Das heißt, dass geschichtliche Entwicklungen der Forschung und Praxis, sprachpolitische oder wissenschaftsideologische Semantik, interdisziplinärer Theoriendissens oder mikro- und makrotheoretische[19] Betrachtungen eine untergeordnete Rolle spielen. Demgegenüber sollen praktische Entwicklungen und wissenschaftliche Ansätze zur strategisch gemanagten und zur integrierten Kommunikation in Unternehmen, sowie die zunehmende Differenzierung innerhalb der Stakeholdersegmentierung, vermehrt Beachtung finden.
Für den Begriff Unternehmenskommunikation kursiert eine Vielzahl von Definitionen und ähnlichen oder verwandten Bezeichnungen, wie beispielsweise Public Relations (PR), Corporate Communications, Organisationskommunikation, Marktkommunikation, Marketing, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Im Folgenden soll der Begriff und das dahinterstehende Konzept der Unternehmenskommunikation von den anderen genannten Bezeichnungen sowie deren jeweiligen konzeptionellen Grundlagen abgegrenzt werden. Die vorliegende Arbeit verfolgt somit nicht das Ziel alle verschiedenen Ansätze gleichwertig gegenüberzustellen. Im weiteren Verlauf sollen lediglich die zur Beantwortung der Forschungsfrage relevanten Konzepte betrachtet werden.
Der Begriff der Unternehmenskommunikation wird von Wissenschaftlern und Praktikern wird in unterschiedlicher Weise verwendet. Mast grenzt ihn von der Organisationskommunikation ab, indem die Autorin die Unternehmenskommunikation als ein spezielles Teilgebiet der breiter definierten Organisationskommunikation und analog dazu Unternehmen als spezielle Form einer Organisation versteht.[20]
Nach umfassender Literaturrecherche unterteilt Westermann die verschiedenen Definitionen von Unternehmenskommunikation in zwei wesentliche Kategorien.[21] Die Differenzierung erfolgt dabei im Wesentlichen anhand des Gesichtspunkts, ob zu Markt- und Produktthemen kommuniziert wird oder nicht, wie die folgende Tabelle verdeutlicht.
Tabelle 1: Kategorisierung der Definitionen von Unternehmenskommunikation
Quelle: in Anlehnung an Westermann 2003: S. 35
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll der Fokus auf der integrierten und strategisch gemanagten Kommunikation liegen. Laut Mast wird „das Element der Integration in der Unternehmenskommunikation seit Anfang der 1990er Jahre in Wissenschaft und Praxis gleichermaßen betont.“[22] Im deutschsprachigen Raum haben besonders Bruhn und Zerfaß wesentliche Beiträge für den Ansatz der integrierten Kommunikation geliefert, die synonym auch als ganzheitliche, vernetzte oder synergetische Kommunikation bezeichnet wird.[23]
Zerfaß definiert Unternehmenskommunikation als die Summe aller „Kommunikationsprozesse, mit denen ein Beitrag zur Aufgabendefinition und –erfüllung in gewinnorientierten Wirtschaftseinheiten geleistet wird und die insbesondere zur internen und externen Handlungskoordination sowie Interessenklärung zwischen Unternehmen und ihren Bezugsgruppen (Stakeholdern) beitragen.“[24]
Als Ziele von Unternehmenskommunikation nennt Zerfaß die Verständigung und darauf basierend die Beeinflussung von bestimmten Rezipienten. „Systematisch unterscheidbare Teilbereiche der Unternehmenskommunikation“, so Zerfaß weiter, „sind Interne Kommunikation, Marktkommunikation und Public Relations.“[25]
Laut Mast sollte für die Bezeichnung der Rezipienten der Begriff Bezugsgruppe anstelle von Zielgruppe verwendet werden. Der Begriff Zielgruppe vernachlässigt die auf Dialog setzenden Maßnahmen der Unternehmenskommunikation und spiegelt somit die Kommunikationsprozesse zwischen Unternehmen und deren Kommunikationspartnern nur unzulänglich wider.[26] Dieser Ansicht folgend sollen im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Adressaten und Partner der internen und externen Unternehmenskommunikation als Bezugsgruppen bezeichnet werden, da dies sowohl die klassischen Empfänger von Inhalten als auch die Initiatoren von Inhalten sowie Dialogpartner umfasst.
Als Stakeholder werden in dieser Arbeit diejenigen Bezugsgruppen verstanden, die von den Zielen und Entscheidungen von Unternehmen beeinflusst werden oder betroffen sind und die ihrerseits Unternehmen durch ihr Handeln beeinflussen können. Aus diesen Gründen sollten Unternehmen die Erwartungen und Interessen ihrer Stakeholder kennen und berücksichtigen. Zu den Stakeholdern eines Unternehmens gehören typischerweise die eigenen Mitarbeiter, Kapitalgeber, Kunden, Lieferanten, Medien, Regierungen, spezielle Interessen- und Umweltgruppen, Behörden, lokale Organisationen, Anrainer, Wissenschaftler, Konkurrenten, Gerichte, Gewerkschaften etc.[27]
Anspruchsgruppen wiederum sind diejenigen Stakeholder, die durch ihr aktives Handeln, d.h. durch die Interaktion und Organisation untereinander, einem Unternehmen gegenüber ihre Interessen durchzusetzen versuchen. Als Unterscheidungskriterium soll in der vorliegenden Arbeit dementsprechend verstanden werden, ob Teile der Bezugsgruppen ein Unternehmen theoretisch beeinflussen könnten (Stakeholder) oder ob sie ein Unternehmen in Bezug auf eine konkrete Entscheidung oder Handlung aktiv beeinflussen oder dies zumindest versuchen (Anspruchsgruppe).[28]
Analog zu dem hier benutzten Verständnis von Anspruchsgruppen sprechen Grunig und Hunt ihrerseits von publics. Diese kritischen und aktiven Stakeholder sollten nach Ansicht der Autoren vermehrt in die Entscheidungsprozesse eines Unternehmens eingebunden werden. Die Einbindung kritischer, aktiver Anspruchsgruppen, sowie die Pflege der Beziehungen zu sämtlichen weiteren Bezugs- und Stakeholdergruppen, sind von elementarer Bedeutung für effizientes und effektives Kommunikationsmanagement.[29] Welche Bedeutung soziale Medien in diesem Zusammenhang für die Unternehmenskommunikation haben, wird in Kapitel 3 theoretisch diskutiert und in Kapitel 5 praktisch untersucht.
2.2. Funktionen und Ziele der Unternehmenskommunikation
Unternehmenskommunikation soll im Sinne der Unternehmensführung und im Einklang mit der Unternehmensstrategie die laufende Leistungserstellung unterstützen, immaterielles Kapital aufbauen, Wettbewerbsvorteile, Rentabilität und Liquidität schaffen. Die Sicherung der Legitimität (license to operate) stellt ein weiteres Ziel dar. Dies soll unter anderem durch die Steigerung der Bekanntheit eines Unternehmens, der Marken oder Produkte sowie durch Kundenbindung erreicht werden.[30]
Schmid und Lyczek ergänzen, dass durch Kommunikation die Produkte eines Unternehmens in die Wahrnehmung der Kunden implementiert werden, die Interessen der Stakeholder als Ergebnis des internen und externen Dialogs im Unternehmenshandeln Berücksichtigung finden und dass ein Unternehmen letztlich selbst in die Wahrnehmung seiner Stakeholder rückt.[31]
Als Endprodukte der integrierten Unternehmenskommunikation sollen Image, Reputation und Marken entstehen und verankert werden. Während Marken die Frage beantworten, in welcher Form und mit welchem Versprechen sich ein Unternehmen gegenüber seinen Bezugsgruppen positioniert und differenziert, stellt das Image das spontane, intuitive Bild eines Unternehmens bei einzelnen Stakeholdern dar. Die Reputation, laut Hettler „schon immer ein wichtiges Ziel der Unternehmenskommunikation“[32], bezeichnet hingegen eine meist langfristig orientierte, aggregierte Bewertung von Handlungen und Eigenschaften eines Unternehmens in der Öffentlichkeit.[33]
Die Basis für ein positives Image und eine gute Reputation bildet Vertrauen. Je mehr Vertrauen ein Unternehmen genießt, desto handlungsrelevanter werden die Botschaften eines Unternehmens von den Empfängern und Dialogpartnern bewertet.[34] Damit die einzelnen Bezugsgruppen einem Unternehmen allerdings vertrauen können, müssen Unternehmen zunächst die Aufmerksamkeit ihrer Stakeholder gewinnen. Dies zu gewährleisten und langfristig sicherzustellen gehört daher ebenfalls zu den Aufgaben der Unternehmenskommunikation.[35]
2.3. Kommunikationsmanagement und integrierte Kommunikation
Zerfaß definiert Kommunikationsmanagement als „den Prozess der Planung, Organisation und Kontrolle von Unternehmenskommunikation.“[36] Schulz differenziert die Planungsphase und unterteilt diese in Situationsanalyse und...