Bei den objektivistischen Ansätzen wird Unternehmenskultur ontologisch als eine Variable unter anderen aufgefasst. Unternehmenskultur ist dem Individuum vorgelagert und stellt ein funktionales Subsystem des Unternehmens dar. Es handelt sich um einen integrierten Bestandteil im Kontingenzmodell. Ein Unternehmen hat Kultur.
Diese ontologische Sichtweise des Realismus bedingt erkenntnistheoretisch eine positivistische Perspektive, die dazu führt, dass Kultur von außen analysier- und steuerbar ist, da aufgrund des resultierenden deterministischen Menschenbildes das Verhalten des Einzelnen weitgehend von der Situation bestimmt wird.
Die methodologische Orientierung ist nomothetisch und quantitativ, dementsprechend intersubjektiv überprüfbar und entspricht mithin den klassischen Methoden der empirischen Sozialforschung.
Unabhängig von den Wahrnehmungen der Mitarbeiter erfasst der außenstehende Kulturanalytiker Manifestationen von Kultur. Man stellt durchaus fest, dass die manifesten Erscheinungsformen auf Werte und Normen zurückgehen, geht aber davon aus, dass sich diese an den Manifestationen ablesen lassen. Diagnostiziert werden leicht beobachtbare Merkmale wie Riten, Symbole, sichtbare Verhaltensweisen und geäußerte Werte. Entspricht diese Diagnose nicht einer angestrebten Soll-Kultur, d.h. erfüllt sie nicht ihre Funktion in Hinsicht auf
Unternehmensziele, wird die Kultur zielgerichtet geändert. Diese funktionalistisch- systemorientierte Sichtweise weist der Kultur wichtige Funktionen zu: Koordination, Integration und Motivation (Dill/Hügler, 1997, S.147).
Unter Koordination wird die Abstimmung verschiedener Subsysteme eines Ganzen im Hinblick auf ein übergeordnetes Ziel verstanden.
Durch Koordination wird einer Systemdifferenzierung und der damit verbundenen Gefahr zentrifugaler Tendenzen durch Ziel- und Interessenskonflikte entgegengewirkt (Sackmann , 1990, S.157).
Durch Integration werden Mitarbeiter untereinander und mit dem System verbunden. Durch Kultur als “sozialer Klebstoff“ (Sackmann, 1990, S.157) soll ein “Wir- Gefühl“ erzeugt werden. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl fördert die Motivation der Mitarbeiter dahingehend, dass ein Konsens über Normen und Werte einen Sinnzusammenhang erzeugt und mithin eine intrinsische Motivationslage entsteht, Dinge um ihrer selbst willen zu tun. Propagiert wird eine starke, einheitliche (homogene) Kultur. Führungskräften fällt bei dieser instrumentalistischen Betrachtungsweise eine besondere Rolle der Kulturschaffung, -gestaltung und - steuerung zu .
Objektivistische Ansätze sind zu positivistisch und deterministisch ausgerichtet um das facettenreiche Phänomen Unternehmenskultur erfassen zu können. Dem naturwissenschaftlichen Paradigma verpflichtet, werden Oberflächenphänomene und Manifestationen quantitativ untersucht, ohne den tieferen Schichten von Kultur Beachtung zu schenken. Unternehmenskultur wird dementsprechend funktional als beliebig gestaltbare Variable aufgefasst.
Der “Macher-Typus“ der Eigenschaftstheorie - der stark an ein Wiedererwachen der “great-man-theory“ erinnert - implementiert top-down gesteuert Werte und Normen. Durch instrumentell-rationalistischen Umgang mit Symbolen, Riten, Mythen, etc. muss im Grunde von Manipulation gesprochen werden (Ulrich, 1990, S.277-299). Das rationalistisch-technokratische Paradigma sollte eigentlich überwunden werden (vgl. Peters & Waterman), durch die Ausdehnung auf kulturelle Ebenen wird es aber deutlich gesteigert.
Objektivistische Ansätze neigen dazu, starke einheitliche Kulturen zu propagieren, wobei allerdings übersehen wird, dass Innovationen und nötige Weiterentwicklungen eher durch Subkulturen vorangetrieben werden.
Subjektivistisch interpretative Ansätze gehen in ontologischer Hinsicht davon aus, dass die Wirklichkeit in den Köpfen der Mitglieder entsteht und somit sozial konstruiert wird (sozialer Konstruktivismus, vgl. Osterloh, 1991, S. 175). Dieser Ansatz geht nicht von einer real existierenden Unternehmenskultur als abgrenzbarer, von außen beobachtbarer Variable aus, sondern betrachtet Kultur im nominalistischen Sinne als Ausdruck menschlichen Bewusstseins.
Die epistemologische Konsequenz besteht darin, dass ein positivistisch orientierter Forscher in seiner Außenbetrachtung keinen Zugang zu dieser Form von Realität hat; er muss zur Erkenntnisgewinnung sozusagen “antipositivistisch“ als Teilnehmer in die soziale Welt verstehend eintauchen (Ochsenbauer & Klofat, 1997, S.75). Kultur als Ausgangspunkt von Prozessen und Strukturen ist somit nicht eine Variable unter anderen und wird zur “Basis-Metapher“ (root metaphor) als Denkfigur und Modellvorstellung (Heinen, 1997, S. 17). Diese Kulturmetapher als Ablösung der systemtheoretischen Maschinenmetapher (vgl. Wollnik, 1991) dient als erkenntnisleitendes Medium, in dem prozessartig “organisatorische Wirklichkeit“ (Marre, 1996, S.14) geschaffen wird. In diesem Sinne ist eine Unternehmung eine Kultur, an deren Entwicklung jedes Organisationsmitglied teilhat und somit zum Kulturgestalter wird.
Diese Betrachtung lässt kein deterministisches Menschenbild zu. Ist Mitgestaltung konstatiert, muss dem zugrundeliegenden Menschenbild eine gewisse Willensfreiheit und Handlungsautonomie implizit sein (Ochsenbauer & Klofat, 1997, S.76).
In methodologischer Hinsicht führt die aufgezeigte Ontologie zu einer ideographischen Position (Einzelfallstudien) auf der Basis qualitativer und interpretativer Methoden. Um das unternehmerische Sinnsystem als “ideelle Essenz“ (Heinen, 1997, S.19) interpretativ zu entziffern, muss der Kulturforscher in Dialog mit den Organisationsmitgliedern treten. Hierzu dienen die Methoden der Phänomenologie, der Hermeneutik und des Symbolischen Interaktionismus. Ziel des subjektivistischen Ansatzes ist nicht die Instrumentalisierung der Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor, sondern eine verstehende Beschreibung der Einzigartigkeit der jeweiligen Kultur.
Hier liegt auch die Hauptkritik am subjektivistischen Ansatz begründet. Die Ergebnisse sind nicht generalisierbar - was durchaus nicht angestrebt war - und lassen zudem keine Ableitung von Gestaltungsmaßnahmen zu. Bei fehlender Verallgemeinerung der Ergebnisse fehlen logischerweise Referenzsysteme, so dass die Rolle des Forschers so herausragend wird, das die Gefahr besteht, dass seine eigene Subjektivität die Ergebnisse massiv beeinflusst. Schreyögg (1991) warnt davor, Unternehmenskulturen zu “Schutzzonen“ (S.203) oder geschlossenen Systemen und den Inhalt kultureller Orientierung für “sakrosankt“ (S.203) zu erklären. Die Kritik zielt zentral auf die “affirmative“ (S.203) Handlungsorientierung, die die Kulturalisten -so nennt er die Vertreter dieses Ansatzes- jeder Kultur gegenüber einnehmen. Allein durch die teilnehmende Aktion des Forschers wird in den schutzbedürftigen authentischen Lebensraum eingegriffen; mit anderen Worten, bringt man ein Stück Welt vor dem Begriff auf den Begriff, hat man es bereits verändert, denn so Schreyögg: “Reflektierte Selbstverständlichkeit ist natürlich keine mehr“ (S.203). Die Problematik besteht also in dem Postulat der Unversehrtheit einer Kultur als moralischem Prinzip, das auch die Veränderung von negativen oder dysfunktionalen Kulturen ausschließt.
Auf ontologischer Ebene versucht der integrative Ansatz sowohl die objektive als auch die sozial konstruierte Realität zugrunde zu legen. Sackmann (1990) präzisiert: “Unternehmen sind also Kulturen und haben zugleich kulturelle Aspekte“(S.160). Die Wirklichkeit eines Unternehmens besteht also aus materiell-objektiven und ideellen Aspekten, die in komplexer Wechselwirkung stehen.
Erkenntnistheoretisch bedeutet diese Integration, dass wissenschaftliche Erkenntnis sowohl aus objektiver Aussenbetrachtung als auch aus involvierter, Erfahrung voraussetzender, Perspektive möglich ist.
Der integrative Ansatz sieht den Menschen als weitgehend willensfrei und autonom. Dementsprechend wird methodologisch das ideographische Verfahren präferiert, aber quantitative Methoden werden nicht aus erkenntnistheoretischen Gründen zurückgewiesen. Um Unternehmenskultur verstehen zu können, werden qualitative Methoden favorisiert, gleichzeitig benötigt man quantitative Methoden zur Erfassung der materiellen Ebene. Es empfiehlt sich somit ein multimethodisches Verfahren (Gontard, 2002, S.23).
In seiner Gesamtheit neigt sich der integrative Ansatz eher dem subjektivistischen Paradigma zu, will aber dennoch nicht die Vorstellung von Gestaltbarkeit aufgeben. Die Einflussnahme auf die Unternehmenskultur gestaltet sich aber deutlich kulturbewusster als bei funktionalistischen Ansätzen. Praktisches Einwirken bezieht sich hierbei auf gezielte Interpretationsmuster und offenen Austausch von verschiedenen Perspektiven von Wirklichkeit. Hierbei erwächst den...