Zur unternehmerischen Freiheit gehört auch die Finanzierungsfreiheit. Der Kaufmann kann sein eigenes Vermögen einsetzen (Eigenkapital) oder Kapital Dritter (Fremdkapital). Finanzierungsfreiheit bedeutet nicht gleichzeitig Finanzierungsmöglichkeit. Die Fremdkapitalgeber erwarten nicht nur die Rückzahlung der Darlehen, sondern auch ihre angemessene und laufende Verzinsung. Sie erwarten auch, dass der Kaufmann, dem sie vertrauen – und nichts anderes als Vertrauen steht hinter den Begriffen Kredit und Kreditor –, sein eigenes Kapital investiert. Dieser wird sein Engagement u. a. von der Rendite seines eingesetzten Kapitals abhängig machen. Diese steigt (bei gleichbleibender Gesamtkapitalrendite), wenn der Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital sinkt. Andererseits steigt mit der Verschuldung die Abhängigkeit von den Fremdkapitalgebern. Deren Risiko steigt.
Die Abstimmung von Rendite und Risiko, das Streben nach Unabhängigkeit und Sicherheit sowie die Verfügbarkeit eigener Mittel spiegeln sich in der Kapitalstruktur des Unternehmens wider. Eine optimale Kapitalstruktur kann daher nur unter Beachtung jeweils einen Aspekts – bspw. Kapitalkosten – erreicht werden.
Eigenkapital kann einmal abstrakt, als reine Saldogröße, verstanden werden.[1] In diesem Sinne bezeichnet man als Eigenkapital den Überschuss des Vermögens über die Schulden. In diesem abstrakten Sinne ist Eigenkapital nicht greifbar. Es ist nicht gegenständlich greifbar, sondern nur betragsmäßig berechenbar.
Beispiel 1: Betraglicher Nachweis von Eigenkapital
Der gegenständliche Nachweis gelingt allerdings dann, wenn dem Unternehmen Vermögensgegenstände – üblicherweise Zahlungsmittel − zugeführt werden.
Beispiel 2: Gegenständlicher Nachweis von Eigenkapital
Die Bilanz dient u. a. der Information der Anteilseigner und Gläubiger. Die Kapitalstruktur ist für ihre Entscheidungen, ob und zu welchen Konditionen sie dem Unternehmen Mittel zur Verfügung stellen, relevant. Es kann nicht dem Unternehmen überlassen werden, ob es diese als Eigen- oder Fremdkapital ausweist, sondern es bedarf – wie in anderen Fragen der Rechnungslegung auch – weitgehend transparenter und objektivierter Vorschriften.
Unglücklicherweise ist weder der Begriff des Eigenkapitals, noch der Begriff des Fremdkapitals gesetzlich definiert. Es haben sich jedoch Merkmale herausgebildet, nach denen unterschieden wird, ob es sich bei den fraglichen Kapitalbestandteilen um Eigen- oder Fremdmittel handelt. Danach setzt die Qualifikation als Eigenkapital dreierlei voraus:[2]
1. Nachrangigkeit, also Rückzahlung in der Insolvenz erst nach Befriedigung der Ansprüche der Gläubiger;
2. Erfolgsabhängigkeit der Vergütung sowie Teilnahme am Verlust bis zur vollen Höhe sowie
3. Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung.
Eigenkapital muss nicht zurückgezahlt werden. Die Anteilseigner erhalten ihr eingesetztes Vermögen zunächst nur durch den Verkauf ihres Anteils an Dritte wieder zurück. Ein Rückzahlungsanspruch gegen die Gesellschaft besteht nur bei Kündigung des Anteils und ist nur unter engen gesetzlichen bzw. gesellschaftsvertraglichen Voraussetzungen möglich. Die Nachrangigkeit ist beim gezeichneten Kapital stets gegeben. Bei hybriden Instrumenten, also Titeln, die erst über ihre Ausstattung im Einzelfall als Eigen- oder Fremdkapital qualifizieren, ist die Reichweite der Nachrangigkeit umstritten: Ist ein Rücktritt hinter die Gläubiger ausreichend, oder auch der Eintritt in die Reihe der (echten) Gesellschafter erforderlich? Der Kommentierung genügt Ersteres, die Rechtsprechung verlangt Letzteres.
Abbildung 2: Merkmale zur Abgrenzung von Eigenkapital und Fremdkapital
Dass das Eigenkapital erfolgsabhängig vergütet wird, ergibt sich zum einen schon aus dem buchhalterischen Zusammenhang: Verluste vermindern das Reinvermögen und zehren damit das Eigenkapital auf. Der auf die Anteilseigner entfallende Teil am Gesamtvermögen des Unternehmens reduziert sich und entsprechend verringern sich die Ansprüche aus der Auskehrung dieses Vermögens. Ob und inwieweit sich diese Verluste auch in der laufenden Rechnung der Anteilseigner niederschlagen, hängt von der Rechtsform der Gesellschaft ab. Kapitalgesellschaften entfalten gegenüber ihren Anteilseignern eine sog. Abschirmwirkung. Hier verhindert die eigene Rechtspersönlichkeit, dass ein Verlust unmittelbar den Anteilseignern zugewiesen wird. Nur mittelbar wirken sich diese ggf. über eine Abwertung von Beteiligungsansätzen oder Forderungen aus. Etwas anderes gilt bei Personengesellschaften. Diese besitzen zwar auch eine (eingeschränkte) eigene Rechtspersönlichkeit, sind jedoch hinsichtlich der Gewinne transparent. Nach Maßgabe der gesetzlichen bzw. gesellschaftsvertraglichen Regelungen werden hier die Verluste unmittelbar den Anteilseignern zugerechnet.
Die Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung verlangt, dass aus Sicht des Bilanzstichtages die dem Unternehmen überlassenen Mittel noch mindestens fünf Jahre zur Verfügung stehen. Soweit es sich um die gesetzliche bzw. gesellschaftsvertraglich erforderliche Kapitalausstattung (gezeichnetes Kapital) handelt, ist diese Langfristigkeit ohne weiteres gegeben. Wird die Ausschüttung freien Vermögens beschlossen, so handelt es sich bei den dafür vorgesehenen Kapitalteilen mit Beschluss der Ausschüttung (Gewinnverwendung) um Fremdkapital, das entsprechend ausgewiesen werden muss.
Eine Beachtung der Fristen ist schließlich bei sog. mezzaninen Finanzierungen erforderlich (Genussrechte, stille Beteiligungen etc.). Zunächst als Eigenkapital qualifizierende Bestandteile können bei Erreichen des dafür maßgebenden Zeithorizontes in Fremdkapital umqualifizieren.
Ganz allgemein setzt sich das Eigenkapital aus dem gesetz- und/oder satzungsmäßigen Haftkapital zusammen sowie weiteren, den Gesellschaftern zustehenden Bestandteilen des Reinvermögens, das diese im Unternehmen „stehen lassen“. Dabei kann es sich um Zuführungen handeln, die außerhalb der vorgeschriebenen Kapitalziffer geleistet werden (Kapitalrücklagen) oder aus dem Gewinn gebildete Rücklagen (Gewinnrücklagen). Werden Gewinnanteile nicht ausgeschüttet und auch nicht den Rücklagen zugeführt, so werden sie in das nächste Geschäftsjahr vorgetragen (Gewinnvortrag). Schließt das Geschäftsjahr mit einem Jahresfehlbetrag und wird dieser nicht durch die Auflösung von Rücklagen ausgeglichen, wird ein Bilanzverlust ausgewiesen. Dieser wird in das folgende Geschäftsjahr als Verlustvortrag vorgetragen.
Auch bezüglich der Rücklagen gilt, dass diese zwar betraglich, aber nicht gegenständlich nachzuweisen sind. Die Bildung von Rücklagen hat nur wenig mit dem „Zurücklegen“ im umgangssprachlichen Sinne zu tun. Rücklagen werden zur unternehmerischen Risikovorsorge gebildet. Sie werden aus freiem Vermögen dotiert, das nicht notwendigerweise auch in liquider Form vorhanden sein muss.
Abbildung 3: Bilanzielles und Wirtschaftliches Eigenkapital
Im Detail unterscheidet sich das bilanzielle Eigenkapital von Kapital- und Personengesellschaften. Zum einen sehen nur Kapitalgesellschaften zwingend ein haftendes Kapital vor, so dass es auch nur hier ein gezeichnetes Kapital geben kann. An dessen Stelle treten bei Personengesellschaften die Konten der unbeschränkt haftenden Gesellschafter. Zum anderen sieht das Gesellschaftsrecht für Personengesellschaften zunächst eine Vollausschüttung vor. Die Einbehaltung von Gewinnen, die Bildung von Rücklagen ist gesetzlich nicht vorgesehen.[3] Soll dies dennoch erfolgen, sind entsprechende Regelungen im Gesellschaftsvertrag erforderlich. Schließlich werden bei Personengesellschaften Konten geführt, auf denen die Einlagen und Entnahmen der Gesellschafter verbucht werden (sogenannte variable Kapitalkonten).[4] Diese sind erforderlich, weil bei Personengesellschaften – anders als Kapitalgesellschaften – die Gesellschafter unabhängig von der Gewinnsituation Entnahmen tätigen können.
Im Unterschied zum haftenden Kapital der Kapitalgesellschaften weisen Personengesellschaften lediglich Kapitalkonten der einzelnen Gesellschafter aus. Was der Kapitalanteil eines Gesellschafters genau repräsentiert, ist umstritten. Der größte gemeinsame Nenner der unterschiedlichen Meinungen besteht in der Charakterisierung als eine Ziffer, die das Verhältnis der Rechte (oder Pflichten) der Gesellschafter angeben soll.[5] Es handelt sich grundsätzlich um die geleistete Einlage, zuzüglich der Einlagen und Gewinne, abzüglich der Verluste und Entnahmen. Der Vergleich...