3.1 Zielstellung und empirische Vorgehensweise
Seit Anfang der 1990er Jahre versucht man, Auswirkungen der Temperieranlagen in historischen Gebäuden mittels Versuchen, begleitender Messungen und Erfahrungsberichten zu bestätigen oder zu widerlegen. Auffällig ist in der wissenschaftlichen Diskussion, dass aussagekräftige (mit Vor- und Nachuntersuchungen untermauerte) Publikationen, die über den Erfolg oder Nichterfolg einer Temperieranlage berichten und dies mit begleitenden Messungen belegen, kaum existieren. Es ist daher von besonderem Interesse, bereits bestehende Anlagen im Nachhinein zu bewerten.
Um diesem Ziel näher zu kommen, wurden drei unterschiedliche Vorgehensweisen gewählt. Erstens wird die Aussagekraft gesammelter Veröffentlichungen beurteilt. Zweitens sollen sowohl Nutzer als auch Planer von Temperieranlagen befragt werden. Der dritte methodische Ansatz schließt das Besuchen von Objekten mit eingebauten Temperieranlagen ein.
Die drei unterschiedlichen Methoden, die im Folgenden veranschaulicht werden, sind maßgeblich von der Prüfung unterschiedlicher Faktoren initiiert und wurden bereits vor der empirischen Erforschung festgelegt. Zu den Faktoren, die an die Forschungsfrage angelehnt sind, zählen Energieeinsparung, Trockenlegung von Mauerwerk, ideale Raumheizung, Inaktivierung von Schadsalzen, Investitionskosten, Erfolg aus Sicht der Nutzer sowie denkmalpflegerische Aspekte. Im Hinblick darauf wurden sowohl Veröffentlichungen ausgewertet als auch Gespräche mit Planern und Betreibern geführt sowie Objekte (mit installierten Temperieranlagen) unter diesen Gesichtspunkten besucht und kritisch betrachtet.
Dass man sich nicht auf einen, sondern vielmehr auf drei Ansätze bezog, entstand auf der Basis, möglichst einer Vielzahl von Publikationen, Meinungen und Objekten Raum zu geben, um diese anschließend zu diskutieren. Im Folgenden werden die einzelnen Arbeitsweisen skizziert. Die Aussagen aller Befragten sowie die schriftlichen Angaben der Veröffentlichungen werden ohne Kommentar wiedergegeben.
In älteren und aktuellen Publikationen sowie im Internet werden eine Vielzahl von Temperier- und Bauteiltemperieranlagen vorgestellt. Der überwiegende Teil dieser Veröffentlichungen gibt an, dass die Temperierung bei jedem Objekt und in jedem Einsatzgebiet uneingeschränkt funktioniert. Studiert man diese Quellen, um Hintergrundinformationen zu den bereits genannten Faktoren zu erhalten, fällt auf, dass diese wichtigen Informationen oft fehlen.
Ziel dieser Publikationsrecherche soll sein, die große Anzahl der Veröffentlichungen auf ihre Aussagekraft hin zu bewerten. Ein Vergleich der einzelnen Temperieranlagen stand nicht im Vordergrund. Des Weiteren musste eine Beschränkung auf 88 Anlagen allein schon aus Kapazitätsgründen erfolgen. Um festzustellen, inwieweit die Fülle der Publikationen aussagekräftig ist und einer sachlichen Bewertung standhält, wurden Temperieranlagen recherchiert, die angegebenen Informationen in Tabellen dokumentiert und anschließend ausgewertet.
Als Vorlage für die Recherche dienten zugängliche Informationen aus dem Internet, aus Veröffentlichungen, von Gesprächen mit Nutzern sowie von eigenen Objektbegehungen. Daher können auch unbeabsichtigt falsche Angaben übernommen worden sein. Außer bei den Anlagen, die persönlich besucht wurden, sind bei allen anderen keine weiteren Daten hinzugefügt worden. Wenn möglich, wurde auf die Übernahme von Referenzlisten der Planungsbüros verzichtet, da der Informationswert sehr gering ist. Die Darstellung der angeführten Temperieranlagen erhebt weder den Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Repräsentativität, da nicht von allen Objekten Daten vorliegen, die einer wissenschaftlichen Bearbeitung zugrunde gelegt werden können.
Zuerst wurden die Objekte bei der Erstellung der Tabellen einer von fünf Gebäudegruppen zugeordnet. Zu diesen Gruppen zählen Kirchen, Schlösser und Burgen, Museen, öffentliche Gebäude sowie Wohnhäuser. Jede Veröffentlichung einer Temperieranlage wurde nach fünf Kriterien untersucht. Diese enthalten Aussagen über das Objekt, die Temperieranlage, Ergebnisse der Temperierung, weitere Objektangaben und über die Art der Veröffentlichung. Zu jedem Kriterium gehören weitere Unterpunkte, die alle aus den jeweiligen Veröffentlichungen entnommen wurden. Die Tabellen mit den Angaben der Temperieranlagen sind in Anlage 1 aufgeführt
Um die Tabellen auszuwerten, wählte man aus den 27 erstellten Kriterien 15 aus, die nötig erscheinen, um die Wirkung einer Temperieranlage bewerten zu können. Mit diesen 15 Kriterien wurde eine Summentabelle gebildet, das heißt, alle Angaben zu den einzelnen Gebäudegruppen wurden addiert. Diese Summenbildung ist in Tabelle 2 abgebildet. Anhand dieser Tabelle konnten nun Aussagen über den Informationsgehalt der Publikationen vorgenommen werden.
Tabelle 2: Angaben von veröffentlichten Temperieranlagen (Quelle: Löther, 2005)
[21]
Besonders auffällig ist, dass es wenig Publikationen über öffentliche Gebäude und Wohnhäuser gibt. Dieser Umstand zeigt sich auch in der Tabelle, in der beide Gebäudegruppen zusammen nur 8 Objekte bilden, hingegen der überwiegend größte Teil (80 Objekte) der Tabellen Kirchen, Schlösser, Burgen und Museen beinhaltet. Unter Einbeziehung der Tatsache, dass die Temperierung vom BLfD zunächst nur für Museen und Depots entwickelt worden ist und danach in historischen Ausstellungsgebäuden (Burgen und Schlösser) zur Anwendung kam, erscheint diese Verteilung nachvollziehbar.
Durch fehlende Normen, Planungsunsicherheiten und heftige Kritik u.a. in Bauzeitschriften[22] konnte sich die Temperierung nur schwer im privaten Bausektor durchsetzten. Derzeit gibt es keine aktuellen Angaben darüber, in wieviele private Wohngebäude eine Temperierung eingebaut worden ist. Dies mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass viele Planungsbüros eher mit bekannten historischen Gebäuden anstelle mit gewöhnlichen Wohngebäuden werben. Somit fehlen positive oder negative Aussagen über die Temperierung in Wohnhäusern.
Bei Auswertung der Summenspalte wird deutlich: Je detaillierter die Angaben zur Temperierung sein sollten, desto weniger Informationen stellen die Autoren zur Verfügung. Zum Beispiel konnten von 88 Anlagen nur 22 Daten über die Regelungstechnik, nur 30 über den Erfolg aus Sicht der Nutzer, nur 1 Information über den erforderlichen Normwärmebedarf des Gebäudes liefern und nur 14 Veröffentlichungen Angaben über die benötigte Vor- oder Rücklauftemperatur der Temperierung machen. Der Informationsgehalt der Messwerte bestätigt die Vermutung, dass bei den wenigsten Temperieranlagen eine Vor- oder Nachuntersuchung stattgefunden hat. Dies ist bedauerlich, weil viele dieser Objekte als Vorzeigebeispiele[23] für eine funktionierende Temperierung herangezogen werden.
Der größte Teil der Veröffentlichungen sind oft vor, während oder kurz nach Fertigstellung der Sanierung verfasst worden, so dass eine Aussage über den Erfolg nur bedingt möglich war. Erkenntnisse, ob positiven oder negativen Charakters, können in einer so frühen Phase nicht publiziert werden. Ebenso mangelt es vor allem den Internetpublikationen an fundierten und ständigen Aktualisierungen. [z.B. Minden, Fort C]
Informative Angaben liegen über die Bauart der Temperierung (72), über deren Zielstellung (60) sowie über die erzielbaren Raumtemperaturen (41) vor. Dies zeigt, dass man mit diesen Daten vor allem veranschaulichen will, wo die Temperierung schon überall eingebaut worden ist und mit welcher Zielstellung sie geplant war. Informationen über den Erfolg oder technische Details bleiben meist undokumentiert. So zeigt sich, dass die meisten Veröffentlichungen einen Werbecharakter besitzen und dadurch für eine nachträgliche Bewertung nicht geeignet sind. Es ist anzunehmen, dass sich dieser Trend bei einer noch breiter angelegten Auswertung der Publikationen verstärken würde.
Von 88 veröffentlichten Beiträgen zu Temperieranlagen wurden 13 Anlagen herausgefiltert. Kriterium für diese Auswahl war die besonders detaillierte Ausführung der Publikationen seitens der Autoren. Die in der Tabelle unter dem Stichwort „Dokumentation“ zusammengefassten Berichte halten nicht alle einer wissenschaftlichen Betrachtung stand (z.B. die Temperieranlage der Kirche Obertraublingen und im Heimatmuseum Schwandorf) und werden so auf 13 reduziert. Zusätzlich sollen zwei Untersuchungsberichte zu Versuchswänden vorgestellt werden. Zusammen sind diese 15 Beiträge in der Tabelle 3 dargestellt. Sie gibt weiter einen Überblick, in welchem baulichen Zustand des Gebäudes die Untersuchungen nach Angaben der Berichte durchgeführt wurden. Eine Vorstellung aller 15 Untersuchungen ist in Anlage 3 zu finden.
Tabelle 3: Art der Untersuchungen...