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Ursachen und Hintergründe von neofaschistischen Einstellungen bei Jugendlichen. Möglichkeiten antifaschistischer Sozialarbeit

Möglichkeiten antifaschistischer Sozialarbeit

AutorUlrike-Anna Kindler
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl98 Seiten
ISBN9783638559546
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 1989 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, Fachhochschule Bielefeld, 67 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Neofaschistische Wandschmierereien häufen sich ebenso wie ausländerfeindliche Parolen an Mauern, Wänden und Parkbänken. Neofaschistische Aktionen und Gewalttaten, vor allem gegen ausländische Mitbürger nehmen zu. Organisierte neofaschistische Gruppierungen wie die 'Nationalistische Front' (NF), die 'Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei' (FAP) u.v.a. agieren in aller Öffentlichkeit und aktivieren leider in immer stärkerem Maße Jugendliche zu ihrem Sympathisantenkreis. Mit nationaler, sozialer und ökologischer Demagogie wenden sie sich vorwiegend an Jugendliche, genauer gesagt an junge Arbeiter, junge Arbeitslose und Schüler (vgl. dazu Klartext-Ausgaben der NF bis einschließlich 1988). Ebenso haben neofaschistische Gruppierungen Einfluss genommen auf Fußballfanclubs wie z.B. die Borussenfront und auf die Skinhead-Kultur. Schon 1983 gab Michael Kühnen seinen Anhängern von der 'Aktionsfront Nationaler Sozialisten / Nationaler Aktivisten' (ANS/NA) in seinem Rundbrief 'Die innere Front' Nr. 5, S. 11 den Auftrag, den Einfluss der Bewegung auf Skinheads, Fußballfans etc. auszudehnen. Gesagt - getan; es wurde probiert und hatte Erfolg. Mittlerweile ist die ANS/NA zwar verboten, die Rekrutierung in Kreisen der Fußballfans haben andere neofaschistische Organisationen, wie z.B. die FAP übernommen. Um aber eine antifaschistische Strategie in der Jugendarbeit entwickeln zu können, ist es notwendig zu klären, wie sich der Neofaschismus in der BRD entwickelt hat. Ebenso wichtig scheint es mir, zu untersuchen, welche Ideologie den neofaschistischen Gruppierungen zu Grunde liegt, wo die Unterschiede liegen und welches Erscheinungsbild bzw. welche Erscheinungsbilder hier zutage treten. Dem folgend ist erst einmal eine Definition des Begriffes 'Neofaschismus' nötig. Unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung des Neofaschismus und der gesellschaftlichen Situation Jugendlicher soll probiert werden, eine antifaschistische Strategie für die Jugendarbeit zu entwickeln. Einige Beispiele sollen hier stellvertretend stehen für viele Projekt, die noch folgen mögen.

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Leseprobe

3. Darstellung neofaschistischer Ideologien und Erscheinungsbilder unter besonderer Berücksichtigung neofaschistischer „Jugend-Organisation“


 

Eine einheitliche Ideologie haben neofaschistische Organisationen und Gruppierungen nicht. Dennoch lassen sich gemeinsame Grundmuster feststellen, die allen Gruppen zu eigen sind.

 

Michael Kühnen sagte mir mal: Der Eindruckt täuscht. Auch wenn wir sehr unterschiedlich erscheinen, wenn es darauf ankommt, schlagen wir gemeinsam los.

 

3.1 Ideologie und Erscheinungsbild von Neofaschismus in der BRD


 

Trotz unterschiedlichen Auftretens von neofaschistischen Gruppierungen und Organisationen kann gesagt werden: „Im Mittelpunkt rechtsextremer Ideologie steht, begrifflich gesehen, die Propagierung eines völkischen Nationalismus, der, zur ‚Volksgemeinschaft’ hochstilisiert, von einer grundsätzlichen Gleichheit ‚der’ Deutschen, ‚des’ Volkes ausgeht“ (Rotermundt zit. nach: Hartmann u.a. 1985, S. 33). Ohne dieses Element wäre neofaschistisches Gedankengut nicht erklärbar.

 

3.1.1 Die Ideologie und gemeinsame Grundmuster neofaschistischer Gruppen


 

Einen zentralen Stellenwert für alle neofaschistischen Gruppierungen haben

 

die Begriffe ‚Volk’ und ‚Vaterland’. Diese Begriffe sind emotional stark besetzt und es lassen sich auch andere Werte davon ableiten.

 

Laut Sinus-Studie spenden diese Begriffe ‚Volk’ und ‚Vaterland’ den Gesprächspartnern aus dem neofaschistischen Spektrum Sinn und Geborgenheit (vgl. Sinus-Studie 1981, S. 42).

 

Ebenso emotional besetzt ist der Begriff ‚Heimat’, mit dem ebenfalls Geborgenheit assoziiert wurde. Die engere Heimat wird gleichgesetzt mit einer intakten, funktionierenden Umwelt, Infra- und Sozialstruktur. Dies führt zu einer Verklärung von traditionellen, sozialen Strukturen (vgl. ebd.).

 

Die Komplexität unserer modernen Gesellschaft scheint Sinn und Geborgenheit nicht zu vermitteln. So halten neofaschistische Gruppen an traditionellen Werten fest, an Ehe, Familie und Autorität sowie an Tugenden wie Ordnung, Disziplin, Pünktlichkeit.

 

„Die Familie, einstmals schützende Gemeinschaft für alle ihre aus einem natürlichen Prozeß hervorgegangenen Mitglieder ist heute nur noch eine Konsumgütergemeinschaft ... Die einst schützende Hand der Familie und des Elternhauses, wurde durch die morsche Knochenhand des materialistischen Staatswesens ersetzt. Selbst die Kinder kann dieser Staat nicht schützen. Verbluten sie schon jährlich zu Tausenden auf unseren Straßen ... Einziges Mittel zur Bekämpfung aller Mißstände ist das Bekenntnis zu Volk und Vaterland ...“ (Werbeschrift des ANS-Mädelbundes in: von Hellfeld 1987, S. 69ff).

 

Die ‚Volksgemeinschaft’ ist also ein zentrales Element. Hieraus leitet sich auch die Ablehnung von Pluralismus und Demokratie ab. „Parteien und Gewerkschaften werden als schädliche Interessengruppen angesehen, die nur ihren Eigennutz, nicht aber das Gemeinwohl im Sinn haben und das Volk nur ‚auseinanderdividieren’“ (Sinus-Studie 1981, S. 52).

 

Das ‚völkische Denken’, ebenfalls wichtiger Bestandteil aller Gruppen im neofaschistischen Bereich, zielt auf eine schleichende Inbesitznahme von Politikfeldern, die nicht als ‚Rechts’ gelten. Die Sorge der Bevölkerung um die Erhaltung der natürlichen Umfeld machen sich neofaschistische Ideologen zu nutze.

 

„Faßt man den Begriff ‚Ökologie’ etwas breiter als nur die physische Umwelt betreffend, die es vor der Zerstörung zu schützen gilt, und bezieht man politische, ethnische, kulturelle und andere Wertvorstellungen mit ein, so wird rasch deutlich, daß aus Sicht der Rechtsextremisten eine viel umfassendere, meist nostalgisch verklärte ‚Umwelt’ bedroht ist ...“ (Sinus-Studie 1981, S. 61).

 

So gehört für Neofaschisten auch zur Ökologie die ‚naturbedingten Lebensweisen’, wobei Verhaltensweisen aus der nichtmenschlichen, natürlichen Ordnung auf die Menschen übertragen werden (Sozialbiologismus). Hierzu benutzt, als Legitimation werden die Verhaltensforschungen von Konrad Lorenz. Demnach gibt es ‚Revierkämpfe’, umgesetzt auf den Menschen: den genannten Kampf um Lebensraum und der Erhaltung auf Volk und Nation erreicht werden muss zur „Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes“ (Peters 1980, S. 54).

 

Der NPD’ler Rolf Kosiek drückt den Umweltbegriff in „Junges Forum“ Nr. 3-4/84 wie folgt aus: „... Die natürlichen Ordnungen der Menschen gehören auch zur Umwelt, und ein Umweltschutz verdient seinen Namen nicht, wenn er die Menschen ausspart ... Die kulturelle Veränderung ist vergleichbar mit den meist zerstörerischen Eingriffen der Zivilisation in der Natur und verlangt einen ebenso wirksamen Schutz. Dem Landverlust durch Verbetonieren ist die Landnahme durch die Millionen Ausländer vergleichbar ...“ (Kosiek zit nach: von Hellfeld 1986, S. 36f).

 

In diesem Zusammenhang ist auch der Rassismus zu sehen. „Deutschland den Deutschen! Die ausländische Bevölkerung ... ist auf einen angemessenen Prozentsatz zu begrenzen ... Kriminelle, Kommunisten und Anarchisten sind abzuschieben“ (Programm der DVU zit. nach: Mühldorfer in: Faller/Siebold (Hg) 1986, S. 33).

 

Und noch einmal anders: Im Deutschen Anzeiger schrieb Hans Weidenbach „... das Schicksal Millionen Deutscher ... (sei) ... von Arbeitslosigkeit und sozialer Not geprägt“ (DA Nr. 12, 17.03.89). Milliarden DM werden für Asylanten ausgegeben und das obwohl „mindestens jeder vierte Rauschgifthändler ... Ausländer“ (ebd) ist. „Türkische Heroinhändler, jugoslawische Opiumschmuggler, marokkanische Haschischkuriere oder italienische Kokainschmuggler, die den Suchtstoff auch schon mal in einer Pizza verstecken – sie alle strapazieren die Gastfreundschaft“ (ebd). Solche Ausländerhetze niesester Art findet sich fortlaufend im ‚Deutschen Anzeiger’, der ‚Deutschen Nationalzeitung’ und anderen neofaschistischen Publikationen.

 

Verbunden mit der wirtschaftlichen Situation in der BRD greifen neofaschistische Gruppen vorhandene Ängste in der Bevölkerung auf, Ihre Taktik ist es, Schlagworte aneinander zu reihen, so dass sie scheinbar einen Sinn ergeben.

 

Arbeitslosigkeit, Rauschgiftsucht, Engpässe in der medizinischen Versorgung, Lehrermangel u.a. werden auf die Formel gebracht: „Die Ausländer sind schuld! Die Ausländer klauen dir deinen Arbeitsplatz, belegen dein Bett im Krankenhaus, schrecken auch nicht davor zurück, dir deine Freundin zu klauen“ (Aktionsprogramm der FAP). Gleichzeitig dient diese Ausländerhetze auch zur Abgrenzung der eigenen Rasse, zur Bildung einer nationalen Identität. Das nationale Bewusstsein wird gestärkt und gleichzeitig hat man einen Sündenbock (vgl. Punkt 2.3.3 dieser Arbeit).

 

„... das sozialdarwinistische Konzept von Rasse und Volk, das eine naturgegebene Höherwertigkeit der nordischen Rasse gegenüber allen anderen impliziert“ (Hartmann u.a. 1985, S. 35) ist ebenso ein wichtiges „Element rechtsextremer Ideologie“ (ebd.) So ist der Ethnopluralismus eine Modernisierung des Sozialdarwinismus, also eine naturgegebene Form des menschlichen Zusammenlebens. Er gibt die Definition, dass ein Volk entstehe durch die Eingrenzung und Verteidigung seines ‚Territoriums’ und jedes Volk hat seine eigenen Denkstrukturen, Begriffe und Weltanschauungen. Die weiße Rasse hat größere Fähigkeiten zum abstrakten-logischen Denken als andere Rassen (vgl. Rieger „Rasse ein Problem auch für uns!“, 1969). Diese Ideologie der ‚Herrenrasse’ wird auf dem Wege der ‚Ausländer-raus-Kampagnen’ durch die Hintertür der Bevölkerung mit auf den Weg gegeben. Gleichzeitig wird auch die ‚natürliche Hierarchie’ innerhalb des Volkes vermittelt.

 

Gemein ist allen neofaschistischen Organisationen, Parteien und Vereinigungen auch die Geschichtsverfälschung und –verherrlichung. Es geht vom Vorwurf der Geschichtslüge von Thies Christophersen mit seinem Buch die ‚Auschwitz-Lüge’ bis hin zur Verherrlichung des Nationalsozialismus. „Unter der Naziherrschaft 1933-1945 existierte kein Plan zur physischen Vernichtung der Juden (Endlösung). Es existierten auch keine Vernichtungslager ... Es wurden keine 6 Millionen Juden ermordet ...“ (Eidgenoss Nr. 6/83, S. 4).

 

„Wenn wir am 20. April den 100. Geburtstag von Adolf Hitler feiern, werden wir dieser Kleidung (Uniform) – d. Verf.) neuen Glanz verleihen: derselbe Stoff, dasselbe Braun wie damals“ (Kühnen zit. in: Tempo 2/89).

 

„Unser Traum ist eine Art europäische SA, deren Aktivisten als politische Soldaten des Nationalismus die Straßen freikämpfen und die feindlichen Anschauungen und Organisationen niederringen“ (Kühnen zit. in: Spiegel Nr. 13/89, S. 34)

 

Erreichen wollen die neofaschistischen Organisationen und Parteien eine Rehabilitation des Nationalsozialismus. Dieses steht oft im Zusammenhang mit der Forderung...

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