Dichte Nebelbänke sind an der Einfahrt zur San Francisco Bay die Regel. Kein Wunder, dass die europäischen Entdecker und Eroberer über einen Zeitraum von 230 Jahren daran vorbeisegelten.
Dämonische Raffgier - Kalifornien im Goldrausch
Am 12. Mai 1848 wurde das gutgläubige, zwischen endlosen Indianerterritorien und der Weite der Sieben Meere gelegene Dörfchen beinahe mit einem Schlag zum ruchlosesten Ort jenseits des Mississippi, als nämlich der backenbärtige Mormone Sam Brannan, Ladenbesitzer und Verleger des California Star, eine Flasche mit blütengelbem Staub am Portsmouth Square schwenkte: „Gold! Gold! Gold from the American River!“ Entdeckt wurde es, klumpenweise, von James Marshall, Zimmermann auf den riesigen Ländereien von Nueva Helvetia, beim Graben eines Mühlenkanals im Einzugsbereich des Sacramento River. Stolzer Gutsbesitzer war der ursprünglich aus dem Kanton Basel stammende, laut Stefan Zweig „Bankrotteur, Dieb und Wechselfälscher“ Johann August Sutter, der sich 1834 nach Amerika eingeschifft hatte. Frau und Kinder blieben der Armenfürsorge überlassen. Erst 16 Jahre später folgten sie ihm nach Amerika.
Sutter war ein personifizierter Vorläufer des amerikanischen Traumes, des selbsterfinderischen „Nichts ist unmöglich“, des Glaubens an die immer wiederkehrende zweite Chance im Leben. 1838 durchquerte er die Prärien des Westens und arbeitete sich in wenigen Jahren zu einem der reichsten Männer Kaliforniens empor, wurde Patron über eine Heerschar von Arbeitskräften, Obstplantagen, Rinder-, Pferde- und Maultierherden, Dämme, Mühlen, Schmieden, Gerbereien, Käsereien und Winzereien, deren Reben er aus Frankreich einführte, ebenso wie den Pleyel-Flügel, das Lieblingsklavier von Chopin. Sein zum Fort ausgebautes Anwesen war mit 18 Kanonen bestückt.
Der goldene Spatenstich blieb nicht lange ein Geheimnis. Über Nacht ließen alle Neu-Helvetier ihre Arbeit liegen und begannen zu graben und zu sieben. Als jemand in Sam Brannans Laden mit Goldstaub bezahlte, brach über Sutters Reich die Sintflut herein. Der California Star schrieb: „1000 Seelen waschen Gold und haben dem Boden schon 100.000 Dollar entrissen.“ Am folgenden Tag musste der Zeitungsbetrieb eingestellt werden. Die Drucker wühlten bereits in den Adern unzenschwerer Nuggets. Alle Farmen und Fabriken in und um San Francisco standen plötzlich still. Haushalte, Schiffe, Amtsstuben und Militärposten wurden Hals über Kopf verlassen und Sutters Reich wurde zum Schlachtfeld von besessenen, in erbämlichsten Camps hausenden Diggern. 1849 waren bereits über 100.000 von der Ostküste, aus Europa, China, Russland, aus ganz Amerika und dem Rest der Welt auf dem Weg nach Kalifornien. Sie kamen übers Meer und über den Isthmus von Panama, ums Kap Horn herum oder in Wagenkolonnen auf mehrere Monate langen Landrouten.
Nicht alle erreichten ihr Ziel, viele starben an Gelbfieber, Malaria, Cholera, Hunger, vor Durst, bei Indianerattacken oder im Streit um die Claims. San Francisco verwandelte sich binnen Kürze in einen anarchistischen Moloch aus Barackenlagern, Bretter- und Segeltuchverschlägen und einer nicht mehr zu bewältigenden Rattenplage. In den Bordellen, Trinkhallen und Opiumhöhlen schafften Prostituierte aus allen Kontinenten an. Um 1850 verdoppelte sich die Einwohnerzahl alle zehn Tage, während sich die indianische Urbevölkerung im Zuge des Goldrausches um 90 % dezimierte. Auf Skalps und abgeschnittene Indianer-Ohren waren Prämien ausgesetzt, ganze Dorfgemeinschaften wurden mit Knüppeln und Äxten massakriert, heimatlose Indianer wie Sklaven verkauft. Das der kalifornischen Erde entrissene Gold stärkte die Union und verhalf ihr später im Bürgerkrieg auch zum Sieg über die südlichen Sklavenhalter-Staaten.
Sam Brannan widmete sich der Ausbeutung der Goldgräber und seiner mormonischen Glaubensbrüder, denen er Waren mit mehreren Hundert Prozent Gewinn verkaufte und Geld für nicht vorhandene Claim-Rechte abknöpfte. Ohne jemals einen Spaten in die Hand zu nehmen, wurde er in Windeseile zum Millionär. Das Leben und Überleben in den Claims war extrem teuer. Ein Ei kostete bis zu 3 $, was heute rund 84 $ entspräche, ein Pfund Reis 8 $ (220 $), ein Pfund Butter 20 $ (560 $), eine Schaufel 36 $ (1000 $). Eine monatliche Zimmermiete entsprach dem Kaufpreis einer Villa im Osten der USA. Der größenwahnsinnig gewordene Brannan übernahm sich jedoch zusehends, verfiel dem Alkohol und der Vielweiberei, verstrickte sich in gewaltige Fehlinvestitionen und einen Berg von Schulden. Er starb 1870 als Hausierer in San Diego und hinterließ nicht mal mehr das Geld für seine Bestattung.
Auch Johann Sutter endete in bitterer Armut. Er verklagte den Staat Kalifornien auf 50 Millionen Dollar für die Zerstörung seines Grund und Bodens und für den ihm seiner Meinung nach zustehenden Anteil am Gold. Nach vierjährigem Prozess wurden seine Ansprüche 1855 vom Obersten Gericht tatsächlich anerkannt. Doch ein Mob aus Goldgräbern stürmte daraufhin das...