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E-Book

Usability von Produkten und Anleitungen im digitalen Zeitalter

Handbuch für Entwickler, IT-Spezialisten und technische Redakteure

AutorGertrud Grünwied
VerlagPublicis
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl250 Seiten
ISBN9783895787300
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis37,99 EUR
Technische Produkte können nur erfolgreich sein, wenn die Gebrauchstauglichkeit, die Usability, frühzeitig im Entwicklungsprozess geplant und in allen Produktphasen verankert wird. Dies betrifft smarte Geräte, Softwareprodukte, Webanwendungen und Apps genauso wie komplexe und umfangreich dokumentierte Maschinen, Fahrzeuge und Systeme.
In ihrem Buch vermittelt Gertrud Grünwied eine ganzheitliche Sicht auf intuitiv bedienbare Produkte und deren Anleitungen. Sie bietet das relevante Know-how zu User-Centered Design und eine Übersicht zur Auswahl von Usability-Methoden. Usability-Maßnahmen beschreibt sie schrittweise von der Planung, der Durchführung und Auswertung bis zur Optimierung von Produkt und Anleitung. Der Praxisteil präsentiert Fallstudien für Anleitungen mit und ohne Produkt sowie für eine Dienste-App im Internet, außerdem eine Betrachtung zu Kosten, Nutzen und Implementierungszeitpunkt von Usability-Methoden.
Die dargestellten Usability-Maßnahmen erstrecken sich nicht nur auf das technische Produkt selbst, sondern auch auf die Nutzungssituation und die smarte Benutzerinformation, zum Beispiel das Nachschlagen in der Bedienungsanleitung zur Fehlerbehebung, Dokumentations-Apps zum Kennenlernen von Systemfunktionen oder das Üben und Lernen anhand einer Produktsimulation per Video-Tutorial oder Animation.
Damit richtet sich das Buch an alle Mitarbeiter produzierender Unternehmen und ihrer Dienstleister, die an Usability-Aspekten beteiligt sind - Produktmanager, Entwickler, IT-Spezialisten, Designer, Technische Redakteure und Mitarbeiter in Schulung und Service, aber auch an Studierende der Informatik und Ingenieurwissenschaften einschließlich Technischer Redaktion und Kommunikation.
Inhalt: Anforderungen an Usability von Produkten und Anleitungen '4.0' - Prozesse und Planung - Nutzer- und Nutzungsforschung - Gestaltung - Evaluation - Anwenden der Methoden und ihre Wirtschaftlichkeit - Fallstudien - Software-Tools und Normen

Prof. Dr. Gertrud Grunwied ist Grundering des Studiengangs Technische Redaktion und Kommunikation sowie Leiterin des Usability-Labors an der Hochschule Munchen. Sie ist Mitglied der tekom, der Usability Professionals Association und Expertin in nationalen und internationalen Normungsgremien. Als Leiterin des Steinbeis-Beratungszentrums 'Dokumentation und Usability - EVIDOC' begleitet sie Industrieprojekte. Die Elektroingenieurin und Informatikerin promovierte im Bereich der Humanbiologie uber Usability bei der Mensch-Computer-Interaktion; 2015 erhielt sie den Oskar-von-Miller Preis fur Qualitat in der Lehre.

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Leseprobe

3 Usability


„Every application has an inherent amount of irreducible complexity. The only question is who will have to deal with it, the user or the developer.“

Larry Tesler (Der Erfinder von Copy and Paste)

3.1 Stellenwert von Usability in der Digitalisierung


Digitale Transformation, smarte Medien und innovative Technologien führen zu einer neuen Dimension von Usability. Die Nutzung der digitalen Geräte wird immer effektiver, effizienter und zufriedenstellender. Da die Digitalisierung sich vielfach als weitgehend automatisierter Prozess zwischen Maschinen äußert, stellt sich die Frage nach neuen Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine. In welchen Fällen muss der Mensch noch bei Geräten eingreifen und diese bedienen und steuern? Etwa bei Notfällen, wie Theodor Holm („Ted“) Nelson vorgab: „A user interface should be so simple that a beginner in an emergency can understand it within ten seconds.“ 41

Zur Veranschaulichung des hohen Stellenwerts von Usability bei 4.0-Produkten und Anleitungen soll der Beitrag in der Textbox aus Sicht der Marktforschung bei car2go dienen.

Bedeutung von Usability aus Sicht der Marktforschung bei car2go
Insbesondere für Unternehmen, die mehr als eine zentrale Benutzungsschnittstelle im Rahmen der Customer Journey aufweisen, spielt eine gute Usability eine entscheidende Rolle bei der Gewinnung und Weiterentwicklung von Kunden. car2go, der weltweit größte Anbieter von flexiblem Carsharing, ist ein hervorragendes Beispiel:
Drei verschiedene Schnittstellen müssen auf Usability hin optimiert und darüber hinaus perfekt aufeinander abgestimmt werden, um dem Kunden eine benutzerfreundliche und nahtlose Inanspruchnahme des Carsharing-Services gewährleisten zu können:
  • Die Website des Unternehmens (www.car2go.com) – zum Abruf von allgemeinen Informationen, Kontodaten und Rechnungen sowie für die Erst-Registrierung als Kunde.
  • Die car2go App – zur Abwicklung des gesamten Miet- und Nutzungsprozesses der Fahrzeuge.
  • Das Carsharing-Fahrzeug selbst und dessen dahinter liegende App-gesteuerte Telematik. Unter die Telematik-Funktionen fallen etwa das Öffnen und Schließen des Autos sowie der Abmiet-Prozess.
Eine optimal aufeinander abgestimmte User Interaction ist gegeben, wenn der Kunde beim Anmieten des Fahrzeugs mit dem Smartphone (Bild 17 rechts) und beim Einsehen der für die Fahrt angefallenen Rechnung auf der Website einen stringent gehaltenen User Flow erlebt.
Seit Anfang 2015 investiert car2go im Rahmen der User Experience Division der globalen Marktforschungsabteilung systematisch in die Erforschung und Optimierung der Usability dieser Benutzungsschnittstellen. Zu den regelmäßig durchgeführten Maßnahmen zählen:
  • Qualitative Grundlagenforschung zu Nutzungsmotiven und -anforderungen, realisiert in Form von Tiefeninterviews, Fokusgruppen oder ethnografischen Ansätzen.
  • Online-Panel-Befragungen über vorrekrutierte Probanden-Pools im Internet zur Überarbeitung der Konzepterklärungen und Anleitungen – beispielsweise das Testen unterschiedlicher Wordings/Tonalitäten über quantitative Erhebungen.
  • Leitfadengestützte Usability-Interviews mit Vorgabe konkreter Bedienaufgaben im Labor oder im Fahrzeug selbst, teilweise mit Einsatz von Eyetracking.
  • Remote Usability-Tests, zum Beispiel über Access-Panel-Studien oder Crowd-basiert.
  • Interne Workshops unter Beteiligung der Product Owner und der Softwareentwickler, moderiert vom User Experience Research Team.
Die systematische Usability-Verbesserung stellt bei car2go einen entscheidenden Treiber für das übergreifende Kundenerlebnis (Customer Experience) dar. Die Maßnahmen tragen wesentlich dazu bei, die Bindung der Kunden an den Anbieter zu erhöhen und sie schlussendlich zu vermehrten Fahrten mit der Carsharing-Flotte zu animieren. Außerdem werden darüber Weiterempfehlungs-Effekte (Word-of-Mouth) angestoßen, die die Grundgesamtheit der Kunden auf organischem Wege vergrößern.
Sebastian Syperek, Head of Market Research, car2go Group GmbH

Bild 17  Links: car2go App; Rechts: car2go Nutzung im Fahrzeug

3.2 Utility, Usability und multimodale Attraktivität


Zu Beginn sollen die zentralen Konstrukte Utility und Usability in Bezug auf Produkt und Anleitung voneinander unterschieden und definiert werden. Da die Anleitung nach dem Produkthaftungsgesetz integraler Bestandteil des Produkts ist, treffen auf diese die gleichen Anforderungen zu. Utility und Usability sind Eigenschaften eines Produkts, die jedoch keine festen Produkteigenschaften sind, sondern sich erst im Gebrauch durch den Benutzer objektiv und situationsabhängig messen lassen. Die Erfüllung des Produktnutzens und damit auch der Anleitung zeigt sich erst in deren Gebrauch.

Utility und Usability treten in Verbindung miteinander auf und sind Eigenschaften des übergeordneten Konstrukts der User Experience. User Experience ist weiter gefasst und bezieht sich auf die Gesamtheit der Erfahrungen, die ein Nutzer mit einem Produkt oder Service macht.

Bild 18 gibt einen Überblick über die Konstrukte Utility, Usability und multimodale Attraktivität in Bezug auf Produkt und Anleitung.

Bild 18  Utility, Usability und multimodale Attraktivität in Bezug auf Produkte und Anleitungen

Utility

Die Tauglichkeit (Utility) eines Produkts oder einer Anleitung ist dann gegeben, wenn die vom Benutzer benötigte Funktionalität bzw. Information zur Verfügung gestellt wird.

Ein digitales Produkt ist also für den Benutzer nützlich, wenn es sich im Zeitalter der Digitalisierung um ein smartes Produkt handelt. Ein solches Produkt weist die technischen und technologischen Merkmale von Cyber-physikalischen Sytemen) und IoT) auf, wie etwa Vernetzung oder Autonomie.

Eine Anleitung ist für den Benutzer nützlich, wenn sie smarte Informationen bietet und so für eine optimale Benutzerassistenz (User Assistance) sorgt. Benutzerassistenz umfasst alle Arten von Benutzerinformation. Sie unterstützt den Benutzer etwa durch Use-Case-orientierte Anleitungen, Workflow-Assistenten oder individualisierte Information.

Usability

Bei Usability geht es darum, wie gut ein Benutzer die Funktionalität bzw. die Information nutzen kann, die ein Produkt bzw. eine Anleitung anbietet. Usability wird auch als Gebrauchstauglichkeit oder Benutzerfreundlichkeit bezeichnet. Die Kriterien für eine gute Usability sind Effektivität, Effizienz und Zufriedenstellung (DIN EN ISO 9241-11), die sowohl für technische Produkte als auch für Informationsprodukte gleichermaßen gelten.

Effektivität bezieht sich sowohl auf die vollständige Zielerreichung bei der Produktfunktion wie bei der Informationsaufnahme. Unter Effizienz ist der verhältnismäßige Aufwand des Benutzers zu verstehen, um mit einer Funktion ein Ziel zu erreichen oder eine Anleitung zu finden, aufzunehmen und umzusetzen. Die Zufriedenstellung umfasst die positiven Einstellungen gegenüber der Produkt- und Anleitungsnutzung.

In diesem Buch sind die Kriterien sowie die Grundsätze der Dialoggestaltung wie Aufgabenangemessenheit, Selbstbeschreibungsfähigkeit etc. im normativen Teil erläutert und mit Beispielen getrennt nach Produkt und Anleitung beschrieben (Kapitel 3.5.2 „Gestaltung von Software und Systemen“).

Multimodale Attraktivität

Nach Krömker stellt die visuelle Attraktivität eine weitere von Utility und Usability zu unterscheidende Produkteigenschaft dar, die sich auf die User Experience auswirkt.42 Die Beschränkung bei Krömker auf die rein visuelle Sinneswahrnehmung wird hier erweitert. Sie umfasst alle Modalitäten (siehe auch DIN EN ISO 9241-112), das heißt, die visuelle, akustische und taktil/haptische Art der Ein- und Ausgaben bei der Mensch-Maschine-Interaktion. Die Wahrnehmung kann visuell über die Augen, auditiv über die Ohren, aber auch haptisch über die Haut erfolgen. Eine 3D-Animation ist visuell anschaulich, eine Höranleitung ist auditiv prägnant verfolgbar. Produktoberflächen können durch vielfältige Bearbeitungsmethoden haptisch ansprechend gestaltet werden. Die multimodale Attraktivität wird hier also auf...

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