Jänner
Ich klebe am Ofen und erfinde Wörter gegen Eis und Schnee. Draußen herrscht Gevatter Winter und drinnen stapeln sich wie zum Trotz, aber vor allem zum Trost Kräuterbücher und Gartenmagazine.
„Im Jänner geht´s schon hinaus zu“, pflegte meine Oma zu sagen. Ein immer noch tröstlicher Satz, der, wenn er mir in den Sinn kommt, mir ein wenig Mut und Tatendrang einflößt. „Es stimmt“, überzeuge ich mich selber, „ich kann schon spüren, dass die Tage länger werden. Es kann nicht mehr so lange dauern …“ Es klingelt an der Haustür. Die Heiligen Drei Könige statten mir einen Besuch ab. Als ich die Tür vom Vorraum zur Küche öffne, setze ich damit dem Geruch von Weihrauch den Duft nach frischer Hagebuttenmarmelade entgegen und die kleinen Könige schauen mich erwartungsvoll an. Selbstverständlich dürfen sie sich mit Marmeladestriezel und Tee stärken, bevor sie weiterziehen. Ich kann mich noch gut erinnern, wie es war, als ich vor langer Zeit, den Stern in meiner Obhut, mit gefrorenen Zehen und Fingern von Haus zu Haus zog. Heißes und Süßes hat damals immer gutgetan. Und tut es heute noch.
Die Hagebutte
Das ist einer der vielen Gründe, warum ich an eisigen Jännertagen mit Hingabe Marmelade einkoche. Ich verwende dazu entweder Früchte, die ich vor dem Winter geerntet und tiefgefroren habe, oder Hagebutten, die bei einem Winterspaziergang in meinen Korb gehüpft sind. Letztere sind kostbar, weil sie im Jänner nur mehr in kleinen Mengen zu finden und mit hungrigen Tieren fair zu teilen sind. „Wenn du zu Neujahr drei rohe ‚Hätscherl’ isst – so nennt man im Burgenland die Hagebutte –, brauchst du das ganze Jahr keinen Doktor.“ Auch eine Weisheit meiner Oma, die ich aber nur augenzwinkernd weitergeben möchte. Im Gegensatz dazu verrate ich Kindern das Rezept meines Großvaters für Juckpulver aus Hagebuttenkernen heute noch ganz gerne. Das Entfernen der Hagebuttenkerne für die Zubereitung meiner „Königsmarmelade“ übernimmt Gott sei Dank jemand für mich. Das dauert immer einige Fußballmatches lang, aber der Aufwand lohnt sich allemal.
Die rot leuchtenden Fruchtschalen sind eine Augenweide, auch wenn sie auf unseren heimischen, an Wald- und Wegesrändern verbreiteten Heckenrosen sitzen. Sie tragen von Oktober bis Jänner kreativ zur Landschaftsgestaltung bei und bieten obendrein vielen Tieren Unterkunft und Nahrung.
Auch von den Menschen wird die Hagebutte als Nahrung und ganz besonders als Heilmittel seit vielen Jahrhunderten geschätzt. Mit Brei aus den Früchten heilte man Bauchschmerzen, Durchfall und Grippe, und auch in meiner Kindheit ging keine fiebrige Erkältungskrankheit ohne ein paar Tassen Hagebuttentee vorbei.
Die Frucht ist für mich gleichermaßen ein kleiner Doktor und eine große Vitaminbombe. Sowohl Schale als auch Kerne besitzen viele Heilkräfte: So verwende ich die Schalen außer zur Zubereitung von Tee auch für einen Aufguss zur Linderung von Rheuma.
Und unter meinen Kosmetikprodukten findet sich immer ein Fläschchen mit Hautöl, hergestellt aus den Kernen der Früchte. Es unterstützt die Zellerneuerung meiner Haut und macht sie schön und straff.
In der kalten Jahreszeit braucht mein Immunsystem besondere Zuwendung und Unterstützung. Der extrem hohe Vitamin-C-Gehalt, das Provitamin A und die Mineralsalze der Hagebutte sorgen bestens dafür und machen sich sogar noch in einem Mus, Likör oder Sirup, in einer pikanten Soße oder heißen Bowle bemerkbar.
Hagebutten-„Königsmarmelade“
ZUTATEN
1 kg Hagebuttenschalen
½ kg 1:2 Gelierzucker
⅛ l Orangensaft
2 EL geriebene Orangenschale
½ Zimtstange
3 Gewürznelken
⅛ l Sanddornsirup
Mark einer ausgekratzten Vanille
Blattgold
ZUBEREITUNG
1 Im Jänner steht die Zubereitung von Hagebuttenmarmelade ganz oben auf meiner Hitliste. Definitiv nach einigen Frösten geerntet – denn erst dann werden die Früchte richtig süß – und von ihren Kernen befreit, gebe ich die verlesenen Hagebuttenschalen gemeinsam mit dem Gelierzucker und dem Saft einer Bio-Orange samt geriebener Schale in einen Topf. In einem Leinensäckchen hänge ich eine halbe Zimtstange und Gewürznelken dazu. Ein Schuss Sanddornsirup und eine Vanilleschote passen auch hervorragend dazu.
2 Dann werden die Fruchtschalen und anderen Zutaten langsam erwärmt. Während ich umrühre und sich der Zucker auflöst, steigen mit dem Duft Bilder von blühenden Heckenrosen und Oma-Lachen auf. Bevor ich die Marmelade vom Herd und das Gewürzsäckchen herausnehme, muss sie vier Minuten sprudelnd gekocht haben. Hin und wieder ertappe ich mich dabei, dass ich während des Rührens das Kinderlied vom „Männlein aus dem Wald mit dem purpurroten Umhang“ summe.
3 Dann wird die Hagebuttenmarmelade durch ein Sieb passiert und in sterile Gläser gefüllt. Mit einem Hauch essbarem Blattgold obendrauf wird sie zur königlichen Marmelade und meine handgemalten Etiketten setzen den Einmachgläsern das Krönchen auf.
Mein Tipp
Die Früchte vom Ansatz eines Hagebuttenlikörs sind viel zu schade, um sie zu entsorgen, und werden von mir immer zu einer Marmelade „mit Geist“ weiterverarbeitet.
Der Dost
Am Abend der letzten Raunacht ziehen geheimnisvolle Schwaden durch mein Haus. Ganz im Sinne eines Brauchtums aus einer Zeit, in der das Jahr 13 Mondmonate mit nur 354 Tagen umfasste, gehe ich am 6. Jänner noch einmal mit meiner Räucherschale von Raum zu Raum.
Die fehlenden elf Tage oder zwölf Nächte werden von mir auf bestimmte Weise besonders bedacht. In solchen Nächten nimmt man, so wie ich, die Mythologie ernst, denn dann „tun sich Welten auf“. Eines der zu diesem Ereignis passenden Rituale pflege ich nach wie vor: das Räuchern mit getrockneten Kräutern und Harzen. Der meditative Vorgang reinigt Räume, Tiere und Menschen. Der Rauch vergrault Viren und Bakterien und nimmt negative Energien auf. Wenn ich anschließend Fenster und Türen für wenige Minuten öffne, zieht Störendes hinaus in die Winternacht, und das neue Jahr mit all seinen Abenteuern und Herausforderungen zieht so richtig ganz bei mir ein.
Einer der Hauptbestandteile der „Dreikönigs-Räuchermischung“ ist der Dost. Die bei uns heimische, mehrjährige Wildpflanze ist für mich in erster Linie eine Heil-und Färberpflanze und nur ein klein wenig Gewürzkraut. Wenn ich daran denke, dass sie früher zum Schutz vor allem Bösen verbrannt, aufgehängt oder sogar in Brautschuhe gelegt wurde, hat sie wahrscheinlich auch die Bezeichnung „Zauberpflanze“ verdient.
Der wilde Dost ist in der freien Natur auf eher trockenen Wiesen und Wegesrändern zu finden. Seine rispenähnlichen Blütenstände sind rosa bis lilafarbig und Kinder lieben es, mit seinen Blüten Wolle und andere Dinge herrlich rot zu färben.
„Dreikönigs“-Räuchermischung
ZUTATEN
1 EL getrocknete Blüten und Blätter vom Dost
1 EL getrockneter Thymian
1 EL getrocknetes Kraut und Blüten vom Lavendel
1 EL getrocknete Rosenblüten und -knospen
1 TL Fichten-, Tannen- oder Kiefernharz
1 Stück Räucherkohle
1 feuerfestes Gefäß
ZUBEREITUNG
1 Für die Räuchermischung vermenge ich zwei Teile getrockneten Dost mit je einem Teil getrockneten Thymian, getrockneten Lavendel- und Rosenblüten und ein paar im Mörser zerstoßenen, kleinen Fichtenoder Tannenharzstückchen.
2 Ich nehme mir Zeit und gehe in mich, wenn ich die Kohle anzünde und beobachte, wie sie in der Räucherschale langsam zu glühen beginnt. Ich streue eine kleine Menge der getrockneten Kräuter darauf und gehe, mit der Schale in der Hand, durch das ganze Haus, den Garten, streife auch meine Haustiere und öffne sogar den Kühlschrank. Ich habe mich vorbereitet auf die Wünsche, Bitten und Dankesworte, die sich mit dem Kräuterrauch in den Räumen ausbreiten und letztlich durch das Fenster hinaus und in den Himmel aufsteigen.
Duftende Rauchzeichen
Das Räuchern in den Raunächten ist für mich etwas ganz Besonderes, aber nicht an sie gebunden. Das Reinigungsritual wird von mir bei vielen Gelegenheiten angewendet. In Zeiten, in denen sich die Schnupfenzwerge überall breitmachen, räuchere ich Viren und Bakterien aus. Hin und wieder befördere ich mit dem Kräuterrauch die üble Atmosphäre nach einer Auseinandersetzung aus dem Haus, und manchmal wollen auch Lebensabschnitte mit einem Räucherritual verabschiedet und neue damit begrüßt werden. Ich brauche jedes Jahr eine große Menge Räuchermischung, denn ich habe immer Vieles zu wünschen, zu bitten und zu danken.
Die Birne
Der kleine Sohn meiner Freundin stellte einmal...