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Väter behinderter Kinder. Situation, Beratungs- und Hilfsangebote

Situation, Beratungs- und Hilfsangebote

AutorFelix Heinrich
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl98 Seiten
ISBN9783638722506
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Pädagogik - Heilpädagogik, Sonderpädagogik, Note: 1,0, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg (Institut für sonderpädagogische Förderschwerpunkte), 104 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Thema dieser Arbeit sind Beratungs- und Hilfeangebote für Väter behinderter Kinder. Kapitel 1 beschäftigt sich mit der Frage, zu welchen Veränderungen, Belastungen und Herausforderungen es in der Familie durch die Geburt eines Kindes mit Behinderung kommen kann. Kapitel 2 erläutert die grundlegenden Prozesse männlicher Sozialisation; dabei werden Prinzipien, mit Hilfe derer Männer ihr Mannsein 'bewältigen' - ihre Identität behaupten - genauer betrachtet. Kapitel 3 befasst sich mit Konzepten und Vorstellungen von Vaterschaft und den damit verbundenen Aufgaben und Funktionen. Kapitel 4 schließlich handelt von Vätern behinderter Kinder. Herausforderungen und Belastungen, denen Väter behinderter Kinder aufgrund ihrer Sozialisation sowie ihrer Stellung und Funktion in der Gesellschaft bzw. in der Familie ausgesetzt sind, werden vorgestellt. Durch die Behinderung können Väter ihre männliche Identität in Frage gestellt sehen. Die in Kapitel 2.3 beschriebenen Prinzipien zur Bewältigung des Mannseins verlieren an Wirksamkeit. Es werden 'gebrochene' Prinzipien beschrieben, mit denen sich Väter behinderter Kinder auseinandersetzen müssen. Kapitel 5 beschäftigt sich mit Beratungs- und Hilfsangeboten für Väter behinderter Kinder. Es wird erläutert, was unter diesen Angeboten zu verstehen ist und welche Ziele mit ihnen verfolgt werden. Beratungs- und Hilfeangebote - so die Auffassung dieser Arbeit - sind größtenteils Angebote der Familienbildung. Aus diesem Grund werden die wesentlichen Bestandteile der Familienbildung skizziert und es wird untersucht, wo sich Angebote für Väter behinderter Kinder im System der Familienbildung verorten lassen. Des Weiteren werden Faktoren erörtert, welche Vätern die Inanspruchnahme von Beratung und Hilfe erleichtern. Schließlich wird am Beispiel der 'Häuser für Kinder und Familien' dargestellt, wie Väter in die familienorientierte Bildungsarbeit nachhaltig eingebunden werden können. In Kapitel 6 werden drei Beratungs- und Hilfsangebote für Väter behinderter Kinder aus der Praxis vorgestellt. Diese Angebote sollen Anregungen für die Gestaltung ähnlicher Programme geben und zeigen, welche Gesichtspunkte bei der Konzeption und Durchführung solcher Angebote beachtet werden müssen. Kapitel 7 schließlich fasst die zentralen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammen und schließt mit einem Fazit.

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wunschkind

 

da

 

bist du

 

nun also

 

 das kind

 

das ich mir

 

gewünscht habe

 

und bist

 

nun so

 

wie ich  

 

es mir

 

niemals

 

wünschte

 

       Dorothee Zachmann

 

Die Geburt des Wunschkindes

 

Die Bedeutungen von Kindern haben sich im vergangenen Jahrhundert grundlegend gewandelt. Kinder sind für die materielle Absicherung und Unterstützung der Eltern nicht mehr wichtig. Ihre Arbeitskraft ist für die Familie im Zuge tiefgreifender ökonomischer Strukturveränderungen keine Bereicherung mehr. Auch haben Kinder nicht mehr die Funktion eines „sozialen Netzes“ für ihre Eltern. Fürsorge bei Krankheit, Erwerbslosigkeit oder im Alter wurde zu einem großen Teil institutionalisiert und professionalisiert; sie ist nicht mehr selbstverständliche Pflicht der Nachkommen. Stattdessen werden Kinder für ihre Eltern mehr und mehr zum finanziellen Risiko (Stork 2005).

 

Die emotionale Bedeutung der Kinder hingegen hat zugenommen. Die Geburtenplanung ermöglicht eine bewusste Entscheidung für oder wider Elternschaft. Fortschritte im medizinischen Bereich haben die Kindersterblichkeit verringert. Eltern können es sich heute leisten, eine tiefgehende emotionale Beziehung zu ihrem Nachwuchs aufzubauen. Mit dem Kinderwunsch verbindet sich immer mehr der Wunsch nach Sinn, Erfüllung und Glück (Stork 2005): „Kinder machen Freude und Spaß, erweitern die Persönlichkeit, die eigene Kompetenz und  

 

das Selbstwertgefühl, machen glücklich, stolz, gehören einfach zu einer Familie dazu…“ (Werneck 1997, 277). Noch ungeboren und ungezeugt sind Kinder heute bereits „Kristallisationspunkt elterlicher Imaginationen“ (Götz 1997a, 146): Sie werden mit Wünschen und Hoffnungen besetzt. Dem Kind aus Fleisch und Blut voraus geht der Traum vom perfekten Wunschkind, vom „Glücksbringer“ und „Sinnstifter“(Götz 1997a, 147).

 

Abschied vom Wunschkind

 

Nur wenige (oder keine?) Kinder entsprechen dem Ideal des Wunschkindes voll und ganz. In einem Prozess der Annäherung werden überhöhte Vorstellungen allmählich an das wirkliche Kind angeglichen.

 

Was aber geschieht, wenn „Ist-Kind“ und „Soll-Kind“ ganz und gar unvereinbar scheinen? Was ist, wenn das Wunschkind mit einer Behinderung geboren wird? Was bedeutet es für Eltern ein behindertes Kind zu haben? Was erwartet sie? Wie verändert sich ihr Leben? Wie kommen sie mit der Situation klar?

 

Die Forschung hat sich in den letzten Jahren in zunehmendem Maße mit den Eltern behinderter Kinder beschäftigt (Engelbert 1999, 11). Das Interesse wissenschaftlicher Untersuchungen galt allerdings lange Zeit fast ausschließlich den Müttern behinderter Kinder. Bis in die achtziger Jahre wurden die Väter behinderter Kinder von der Wissenschaft nahezu ignoriert (Eckert 1999, 39ff). Die Annahme, dass Väter von der Behinderung ihres Kindes weniger berührt werden als Mütter war einer der Gründe dafür: Da sich Männer – gemäß traditioneller Vorstellungen – nach außen hin eher sachlich und beherrscht geben und es oft vermeiden Gefühle zu zeigen, ging man von einem geringeren Maß an Betroffenheit aus. Den Vätern wurde auch zugute gehalten, dass sie durch ihre berufliche Tätigkeit weniger mit der Behinderung konfrontiert wären und so mehr Möglichkeiten zum Rückzug hätten (Engelbert 1999, 90). Mittlerweile gibt es empirische und kasuistische Untersuchungen zur Situation und zum Erleben von Vätern behinderter Kinder (z. B. Hinze 1993; Kallenbach 1997 und Kallenbach 1999a). Es wurde nachgewiesen, dass durch die Behinderung Väter wie auch Mütter in ihrer gesamten Lebenssituation betroffen sind. Die oft tiefgreifenden psychosozialen und physischen Belastungen, denen Familien durch das behinderte Kind ausgeliefert sind, prägen auch die Gefühlswelt des Vaters, beeinträchtigen dessen Selbstverständnis und verändern seine Lebenseinstellung (Kallenbach 2004). Aus Berichten von Vätern behinderter Kinder geht hervor, dass ihr Erleben von starken Gefühlen der Angst, Unsicherheit und Bedrohung bestimmt wird (Kallenbach 1999a). Sie betrachten den Umstand der Behinderung ihres Kindes als einen „Anschlag auf ihr Ich“ und fühlen sich in ihrer männlichen Identität bedroht (Kallenbach 1999b). Vätern fällt es oft schwer, über die Behinderung des Kindes und ihre persönliche Betroffenheit mit anderen zu reden. Beratungs- und Hilfsangebote sollen Väter behinderter Kinder bei der Bewältigung ihrer Lebenssituation unterstützen und begleiten.

 

Fragestellung und Struktur der Arbeit

 

Thema dieser Arbeit sind Beratungs- und Hilfeangebote für Väter behinderter Kinder. Um solche Angebote verstehen und bewerten zu können, ist es notwendig die Lebenssituation von Vätern behinderter Kinder näher zu betrachten. Väter behinderter Kinder sind keine homogene Gruppe. Dennoch gibt es, abgesehen von der Tatsache ein behindertes Kind zu haben, universelle Gemeinsamkeiten:

 

Väter behinderter Kinder sind Teil einer Familie.[1]

 

Väter behinderter Kinder sind Väter.

 

Da sie Väter sind, sind sie auch Männer.

 

Väter behinderter Kinder sind Teil einer Familie. Kapitel 1 beschäftigt sich mit der Frage, zu welchen Veränderungen, Belastungen und Herausforderungen es in der Familie durch die Geburt eines Kindes mit Behinderung kommen kann. Mit den Reaktionsweisen der Eltern auf die Behinderung haben sich zahlreiche Studien beschäftigt. Verschiedene Modelle versuchen die Auseinandersetzungs- und Verarbeitungsprozesse zu beschreiben. Es sollen geeignete Modelle identifiziert werden, die zu einer bedarfsgerechten Gestaltung von Beratungs- und Hilfsangeboten für Väter behinderter Kinder herangezogen werden können.

 

Väter behinderter Kinder sind Männer. Sie unterliegen männlicher Sozialisation. Ihr gesamtes Denken und Handeln wird von ihrem Mannsein bestimmt. Kapitel 2 erläutert die grundlegenden Prozesse männlicher Sozialisation; dabei werden Prinzipien, mit Hilfe derer Männer ihr Mannsein „bewältigen“ – ihre Identität behaupten – genauer betrachtet. Wie sich zeigen wird, können diese Bewältigungs­prinzipien durch die Behinderung eines Kindes in Frage gestellt und sogar außer Kraft gesetzt werden.

 

Väter behinderter Kinder sind Väter. Kapitel 3 befasst sich mit Konzepten und Vorstellungen von Vaterschaft und den damit verbundenen Aufgaben und Funktionen. Empirische Ergebnisse sollen Einblick geben, wie Männer die erste Zeit ihrer Vaterschaft erleben. Weiter werden mögliche Veränderungen der Paarbeziehung durch die Geburt eines Kindes dargestellt. Wie sich zeigen wird, wollen sich Väter in zunehmendem Maße an der Erziehung ihrer Kinder beteiligen. Ob dies gelingt, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, die am Ende des Kapitels skizziert werden.

 

Kapitel 4 schließlich handelt von Vätern behinderter Kinder. Herausforderungen und Belastungen, denen Väter behinderter Kinder aufgrund ihrer Sozialisation sowie ihrer Stellung und Funktion in der Gesellschaft bzw. in der Familie ausgesetzt sind, werden vorgestellt. Durch die Behinderung können Väter ihre männliche Identität in Frage gestellt sehen. Die in Kapitel 2.3 beschriebenen Prinzipien zur Bewältigung des Mannseins verlieren an Wirksamkeit. Es werden „gebrochene“ Prinzipien beschrieben, mit denen sich Väter behinderter Kinder auseinandersetzen müssen. Neben Belastungen und Einschränkungen bringt das Leben mit einem behinderten Kind auch Chancen mit sich; auf diese wird am Ende des Kapitels eingegangen. Damit Väter diese Chancen nutzen können, ist es notwendig, ihnen mit Beratung und Hilfe zur Seite zu stehen.

 

Kapitel 5 beschäftigt sich mit Beratungs- und Hilfsangeboten für Väter behinderter Kinder. Es wird erläutert, was unter diesen Angeboten zu verstehen ist und welche Ziele mit ihnen verfolgt werden. Beratungs- und Hilfeangebote – so die Auffassung dieser Arbeit – sind größtenteils Angebote der Familienbildung. Aus diesem Grund werden die wesentlichen Bestandteile der Familienbildung skizziert und es wird untersucht, wo sich Angebote für Väter behinderter Kinder im System der Familienbildung verorten lassen. Des Weiteren werden Faktoren erörtert, welche Vätern die Inanspruchnahme von Beratung und Hilfe erleichtern. Schließlich wird am Beispiel der „Häuser für Kinder und Familien“ dargestellt, wie Väter in die familienorientierte Bildungsarbeit nachhaltig eingebunden werden können.

 

In Kapitel 6 werden drei Beratungs- und Hilfsangebote für Väter behinderter Kinder aus der Praxis vorgestellt. Diese Angebote sollen Anregungen für die Gestaltung ähnlicher Programme geben und zeigen, welche Gesichtspunkte bei der Konzeption und Durchführung solcher Angebote beachtet werden müssen.

 

Kapitel 7 schließlich fasst die zentralen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammen und schließt mit einem Fazit.

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