Mit einer definitorischen Klärung des Begriffs „Qualität“, unter Betrachtung verschiedener Ansätze, wird im folgenden Kapitel zunächst das Verständnis von Qualität dargelegt, das dieser Untersuchung zugrunde liegt. Anschließend werden drei Qualitätsmanagementsysteme einander gegenübergestellt, die in berufsbildenden Schulen zur Zeit der Einführung des Qualitätsmanagements an der untersuchten Schule genutzt wurden[133] bzw. gegenwärtig einen hohen Verbreitungsgrad aufweisen.[134] Neben dem EFQM-Modell sind dies die Qualitätsnorm DIN EN ISO 9000ff sowie das Q2E-Modell. Das EFQM-Modell wird dabei in der von der untersuchten Schule eingesetzten Version betrachtet. Die Gegenüberstellung der Modelle beinhaltet jeweils die dem Modell zugrunde liegenden Konzepte und ihre Entwicklung sowie ihren strukturellen Aufbau.
Das Q2E-Modell wurde originär in und für berufsbildende Schulen entwickelt und wird als systematisches Qualitätsmanagementsystem bereits in fünf Bundesländern als Grundlage schulischer Qualitätsarbeit genutzt.[135] Die Qualitätsnorm DIN EN ISO 9000ff sowie das EFQM-Modell wurden ursprünglich für den privatwirtschaftlichen Sektor entwickelt, finden aber ebenfalls Anwendung im öffentlichen Sektor. Sie fanden zur Zeit der Einführung des EFQM-Modells an der untersuchten Schule erste Anwendung in berufsbildenden Schulen in Deutschland und wurden zu dieser Zeit als gleichwertige Alternativen diskutiert.[136] Ihr Verbreitungsgrad an berufsbildenden Schulen und bisherige empirische Befunde werden bei ihrer Vorstellung, soweit sie belegt sind, kurz betrachtet, bevor alle drei Modelle in einer vergleichenden Analyse bezüglich ihrer Eignung als Qualitätsmanagementsystem an einer berufsbildenden Schule, die sich zu einem regionalen Kompetenzzentren nach niedersächsischer Prägung entwickelt, gegenübergestellt.
Für ein einheitliches Verständnis des Begriffs Qualität, bedarf es zunächst einer definitorischen Abgrenzung. Etymologisch stammt der Begriff Qualität von dem lateinischen Wort qualitas ab und wird übersetzt mit Beschaffenheit, Eigenart, Brauchbarkeit und Güte.[137] Der Begriff wird also für mehrere Bedeutungen synonym benutzt, was ihn in seiner Verwendung vom jeweiligen Kontext abhängig macht.
Es wurden diverse Ansätze zur Definition des Begriffs „Qualität“ entwickelt. Die Unterschiedlichkeit bei der Auslegung des Begriffs ist ein Nachteil bei der Arbeit mit Systemen des Qualitätsmanagements, da es keine einheitliche, allgemein akzeptierte Definition gibt, die ein gemeinsames Verständnis ermöglicht. So definiert die Norm EN ISO 9000:2008 Qualität als Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt.[138] Diese Definition des Begriffs zeigt, dass der Begriff „Qualität“ für sich genommen keine wertende Aussage trifft und nur in Verbindung mit Attributen, die situativ und kontextuell auf bestimmte Erfordernisse abgestimmt sind, als Referenz zur Bewertung der Güte einer Sache genutzt werden kann. Entsprechend muss die „Qualität“ von Produkten oder Dienstleistungen durch Attribute spezifiziert werden, um objektiv - und damit im Maße ihrer Qualität im Vergleich zur Referenz - bemessen werden zu können.[139] Qualität ist, dieser Definition folgend, stets auf die Erfüllung von Anforderungen, in Bezug auf bestimmte Erfordernisse, ausgerichtet und Resultat einer Bewertung.[140]
Neben der Definition der deutschen Normierungsgremien haben sich im Laufe des vergangenen Jahrhunderts vier verschiedene Definitionsansätze zur Qualität herausgebildet: (1)Produktbezogener Ansatz, (2)Prozessbezogener Ansatz, (3)Kundenbezogener Ansatz sowie (4)Wertebezogener Ansatz.[141]
Im produktbezogenen Ansatz der ersten Definition bezieht sich der Begriff „Qualität“ auf die Beschaffenheit eines Produktes. Demzufolge werden
„…den Produkten [...] objektiv messbare Eigenschaften zugeordnet, die sich überprüfen und kontrollieren lassen.“[142]
Ausschließlich funktionale Qualitäten eines spezifischen Produktes werden dabei zur Beurteilung der Qualität herangezogen. In dieser Definition des Begriffs findet sich bereits die Definition der deutschen Normungsgremien wieder, da auch in diesem Ansatz die Qualität im Hinblick auf Merkmale bezüglich bestimmter Erfordernisse, hier die so genannten funktionalen Qualitäten, definiert wird. Die Definition der Qualität beim produktbezogenen Ansatz ist die Urform der Qualitätsdefinitionen, die bis zur Mitte der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts Gültigkeit besaß.[143]
Im prozessbezogene Ansatz wurde dem Herstellungsverfahren eines Produktes besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Nicht mehr allein die Qualität des Produktes bei der Endkontrolle, sondern die einzelnen Prozesse bei dessen Herstellung sowie einzelne Komponenten des Produktes wurden auf ihre Qualität hin überprüft. Qualität wird in diesem Ansatz über den Fertigungsprozess definiert, hebt sich also von der alleinigen Beurteilung des Produktes bei einer Endkontrolle ab. Dennoch steht die funktionale Qualität des Produktes nach wie vor im Fokus der Betrachtung, aber, und das ist das Neue, flankiert von der Beurteilung aller Prozesse bei der Fertigung.
Bei dem kundenbezogener Ansatz wird die Qualität von Produkten oder Dienstleistungen danach eingestuft, wie sie den Ansprüchen der Kunden genügen. Damit taucht zum ersten Mal die Dienstleistung im Zusammenhang mit dem Begriff „Qualität“ auf. Darüber hinaus weicht die Beschränkung der Definition des Begriffs „Qualität“ allein auf die Beschaffenheit eines Produktes zur Beurteilung seiner Qualität einer Produkt- bzw. einer Dienstleistungsbeurteilung nach den Ansprüchen, die ein Kunde an das Produkt oder die Dienstleistung stellt. Diese sind weitreichender als die schlichte Beurteilung der funktionalen Qualität und können beispielsweise Herstellung, Beschaffung, Gebrauch und Entsorgung mit einschließen.
Schließlich wird im wertebezogener Ansatz die Beurteilung der Qualität durch einen Kunden in Relation zu dem Kosten-Nutzen-Aspekt gesetzt.
„Das Preis-Leistungsverhältnis unter Berücksichtigung der Kundenanforderungen steht somit im Mittelpunkt des wertebezogenen Ansatzes.“[144]
Dieser letzte Ansatz zur Definition des Begriffs „Qualität“ erweitert die vorangegangenen Definitionen um die Komponente Kosten-Nutzen-Relation, die sich auf die Kosten zur Herstellung eines Produktes bzw. einer Dienstleistung und den damit erreichten (wirtschaftlichen) Nutzen bezieht. Demnach kann die Qualität von Produkten oder Dienstleitungen als weniger hoch eingestuft werden, wenn sie zwar in vollem Umfang den Kundenwünschen entspricht, aber die Kosten-Nutzen-Relation nicht zufriedenstellend ausfällt. Neben den funktionalen Anforderungen, der Einbeziehung des Fertigungsprozesses und der Kundenzufriedenheit ist die Kosten-Nutzen-Relation ein viertes Merkmal für die Bewertung der Qualität eines Produktes bzw. einer Dienstleistung.
Diese vier Ansätze zur Definition des Begriffs „Qualität“ wurden für Produkte und Dienstleistungen der Privatwirtschaft formuliert. Besonders deutlich wird dies im wertebezogenen Ansatz, der den Aspekt des wirtschaftlichen Nutzens in die Definition von „Qualität“ mit aufnimmt. Öffentlichen berufsbildenden Schulen liegt eine andere Funktionslogik zugrunde als Unternehmen der privaten Wirtschaft. Sie sind als staatliche Institutionen nicht auf die Erzielung von finanziellen Gewinnen ausgerichtet. Es stellt sich folglich die Frage, ob die vier oben beschriebenen Ansätze zur Definition des Qualitätsbegriffs auf öffentliche berufsbildende Schulen übertragbar sind.
Um die Besonderheiten von berufsbildenden Schulen stärker zu berücksichtigen und den Begriff der Qualität an ihre Anforderungen anzupassen, wurden auch hier verschiedene Ansätze entwickelt.[145] Im Zentrum steht dabei der Gedanke, dass Bildung und Erziehung den Kernprozess der schulischen Arbeit bilden. Arnold und Faber weisen auf zwei wesentliche Erkenntnisse hin, die in diesem Zusammenhang zu beachten sind. Demnach ist Bildung
„...weit mehr als zeitpunktbezogene Anforderungen von Schülerinnen und Schülern, Eltern oder der Wirtschaft [...].“[146]
Der Begriff Qualität bezieht sich demzufolge im Bereich Bildung auf mehr als die „fachliche Qualifikationsvermittlung“, die sich im produkt- und im prozessbezogenen Ansatz verorten lässt. Die zweite Erkenntnis bezieht sich auf die permanente Veränderung und Anpassung der...