4 Jeder Mensch ist Psychologe. Was raten Sie gegen schlechte Stimmung?
Es ist wirklich so (und es wird durch Untersuchungen bestätigt, die man eigentlich gar nicht braucht, weil die persönliche Erfahrung dies bereits zeigt):
99 Prozent – und vermutlich mehr – aller seelischen Hilfe wird nicht von Psychologen und Psychotherapeuten gegeben, sondern von Mensch zu Mensch. In diesem Sinn ist jeder Mensch Psychologe. Der wirkliche Experte für den Menschen ist der Mensch selbst. Fachleute können dann aufgrund von Forschungen noch einen Zusatznutzen schaffen, wie es hier in diesem Buch versucht wird.
Auch gute Menschen haben manchmal schlechte Laune
Die Regel gilt. Sie sind Psychologe. Und sicher werden Sie auch oft in dieser Rolle gefordert, zum Beispiel dann, wenn es sich um alltägliche – dafür leider aber sehr häufige – Dinge handelt, wegen der sowieso kein Mensch „zum Psycho“ gehen würde.
Die wohl häufigste Art des Unglücklichseins sind negative Stimmungen. Es ist leider so: Auch gute Menschen haben manchmal schlechte Laune.
Wie können Sie negative Stimmungen vertreiben? Es geht. Gegen schlechte Laune gibt es nämlich zwei gute „seelische Naturheilmethoden“.
Manchmal können wir schlechte Laune sogar ein bisschen genießen. Dann rollen wir uns zusammen wie der Hund oder die Katze, wenn die Welt für sie nicht in Ordnung ist. Wir kriechen richtig in uns rein, und irgendwann ist der Anfall vorüber. An einem verregneten Wochenende einfach im Bett bleiben, essen, dösen, lesen. Wunderbar.
Aber wenn wir völlig schlecht beieinander sind, geht nicht einmal das. Dann nervt uns nicht nur die Fliege an der Wand, sondern sogar die Tatsache, dass wir selbst genervt sind.
Wo kommen die negativen Stimmungen her?
Sie haben die Antwort gerade gelesen: Sie liegt in den drei Worten „schlecht beieinander sein“.
Was wir dann tun können? Auch das haben Sie gerade schon gelesen, diesmal vier Worte: „richtig in uns reinkriechen.“
Das ist eine seelische Naturheilmethode. Sie wirkt ohne Arzt, Therapeuten und Apotheker. Und sie wirkt nicht nur, wenn wir ein langes Wellness-Wochenende Zeit dafür haben. Es geht in wenigen Minuten. Warum und wie – das hat die moderne Bewusstseinsforschung herausgefunden.
Wir wissen heute sehr viel mehr über Gefühle, Stimmungen, negatives Denken, Stresshormone und Glückshormönchen als noch vor ein paar Jahren. Und wenn man tausend Seiten wissenschaftlicher Texte mit Theorien und chemischen Formeln in einem Satz zusammenfasst, wird klar, was „schlecht beieinander sein“ heißt:
Negative Grundstimmungen kommen daher, dass Kopf und Körper nicht in Harmonie miteinander sind, sondern gegeneinander arbeiten.
Übel gelaunt. Wissen Sie warum?
Zwei Ursachen für eine schlechte Grundstimmung gibt es. Die müssen wir kennen und genau voneinander unterscheiden. Denn für jede gibt es eine eigene seelische Naturheilmethode.
Fall 1: Wir sind körperlich aufgedreht. Aber im Kopf herrscht die Bettschwere. Dieser Zustand heißt Nervosität.
Der Körper läuft volle Kraft voraus, aber er läuft auch wie eine Flipperkugel hin und her, volle Kraft zur Seite und volle Kraft zurück. Wir rasen herum, ein Schluck Kaffee im Stehen, wir suchen die Zeitung, die wir gerade noch in der Hand hatten, und im Bad müssen wir einen Moment überlegen, warum wir eigentlich Zahnpasta auf die Zahnbürste getan haben.
Oder anders herum, Fall 2: Der Kopf ist wach und aktiv, die Gedanken rasen wie wild, wie die Flipperkugeln, hierhin und dorthin. Aber der Körper hat seine Betriebstemperatur noch nicht erreicht.
Typisches Beispiel: Wir stehen morgens auf, die Glieder sind noch bleischwer, wir tappern herum, aber im Kopf sind wir schon irgendwo in der Welt, bei der Arbeit, bei anderen Menschen, wir proben schon die wichtigen Telefongespräche durch, machen Einkaufslisten, Arbeitspläne, Tagespläne.
In beiden Fällen sind wir „nicht ganz bei uns“ – das sind vier kurze Worte, die erklären, woher schlechte Laune kommt. Und wenn sie da ist und uns dann noch ein fröhliches „Guten Morgen“ entgegenträllert, oder ein „beeil’ dich, in 15 Minuten fährt die Bahn“, dann platzt uns der Kragen, auch wenn wir Hemd oder Bluse noch gar nicht anhaben.
Was also tun gegen schlechte Feelings?
Kurz gesagt: Wir müssen uns erst einmal wieder richtig einkriegen. Wir müssen zu uns kommen, „bei uns selbst ankommen“. Die Harmonie zwischen Kopf und Körper muss wieder hergestellt werden. Dann vergeht die schlechte Laune.
Die Voraussetzung für gute Stimmung ist also eine Balance von Kopf und Körper. Manchmal hilft Kaffee – aber Vorsicht, wenn der Körper zu hoch dreht, macht Kaffee uns noch nervöser. Ein leider wirksames Mittel für Raucher ist dann, eine Zigarette rauchen. Das regt an und beruhigt zugleich. Deshalb ist es so schwer, vom Tabak loszukommen, wenn es im Leben zu viel „starken Tobak“ gibt.
Die gesunde Methode für gute Stimmung aber wirkt genauso schnell, wie das Rauchen einer Zigarette dauert. Sie folgt der einfachen Regel: „Der Langsamste bestimmt das Tempo.“ Kopf oder Körper. Je nach dem, wer „eingebremst“ werden muss.
Fall 1: Was hilft gegen Nervosität?
Wenn der Körper aufgedreht ist, aber Sinne und Verstand noch nicht auf Touren gekommen sind, führt jeder Druck von innen oder von außen nur zu Stress. Stress aktiviert zwar den Kopf, aber der Körper reagiert dann noch hektischer, und wir werden wie bei zu viel Kaffee noch nervöser.
Gesünder und besser hilft jetzt alles, was Sie über Wellness wissen, um erst einmal den Körper einzubremsen:
• ganz langsam vorgehen
• still hinsetzen
• noch einmal hinlegen
• ein warmes Bad nehmen
• ausgiebig duschen
• Zeitung lesen …
Kurz gesagt: In bessere Stimmung bringt uns jetzt alles, was dem Körper die Ruhe gibt, die im Kopf noch herrscht. In schwereren Fällen helfen Entspannungsübungen, um die Hektik aus dem Körper wieder herauszubekommen. Eine einfache Übung wird am Ende dieses Kapitels beschrieben.
Fall 2: Und umgekehrt? Wenn die Gedanken rasen?
Wenn der Körper nicht mitkommt, weil er die entsprechende Betriebstemperatur noch nicht erreicht hat, müssen die Gedanken eingebremst werden. Wieder also bestimmt der Langsamste das Tempo – in diesem Fall der Körper.
Gegen das Gedanken-Rasen hilft alles, was Sie je über Meditation gehört oder gelesen haben. Und auch, wenn Sie noch nie meditiert haben, können Sie eine Mini-Meditation anweden (siehe Kasten auf S. 29).
Sogar für schwere Fälle, wenn wir grübeln und grübeln und die negativen Gedanken uns einfach nicht verlassen wollen, gibt es eine einfache seelische Naturheilmethode. Sie heißt: Gedanken-Stopp (siehe S. 31).
Wir müssen also kein Opfer schlechter Launen und Stimmungen sein. Dafür, dass sie uns überfallen, können wir meist nichts. Aber wir können etwas dagegen tun. Mit gesunden Hausmitteln für die Seele können wir uns die Ruhe geben, die wir für eine gute Stimmung brauchen.
Hundert Gründe uns zu ärgern – oder auch nicht
Ich habe einmal einen normalen Arbeitsalltag lang mit einem Zettel gelebt. Jedes Mal, wenn es einen Grund gab, mich zu ärgern, habe ich einfach nur einen Strich gemacht. Am Abend waren an die hundert Striche auf dem Zettel: ein Falschparker, fünf Autofahrer – sämtlich Hornochsen–, vielleicht zehn unachtsame Leute in der S-Bahn und auf der Straße, ein paar unfreundliche Kollegen, viele dämliche Anrufe – und dann noch die kleinen Nickeligkeiten in der Partnerschaft.
Meine Frau! Ich könnte Ihnen da Dinge erzählen! Sie kocht gerne, viele Töpfe, viel Gerät. Jeden Abend. Und sie spült große Sachen unter laufendem Wasser ab, heiß und ein Spritzer Spülmittel bei jedem neuen Arbeitsgang.
Das ist unökologisch! Ich warne vor der Klimakatastrophe. Muss ich doch!
Für jeden Spritzer aus der Spülmittelflasche habe ich einen extra dicken Strich auf meiner Ärger-Checkliste gemacht.
Zahnpastatuben quetscht sie nie bis zum Ende aus. Das ist unökonomisch! Und die abgebrannten Streichhölzer tut sie wieder in die Schachtel, nicht einmal verkehrt herum. An jenem Hundert-Striche-Tag habe ich gleich zwei abgebrannte gefunden.
Zwei Striche habe ich gemacht. Und zwei extra. Für ihre Bosheit! Denn seit sie weiß, dass mich das ärgert, macht sie es extra. Wenn ich mir nicht ein Feuerzeug gekauft hätte, hätten wir inzwischen zu Hause bestimmt den Klimakollaps.
Eine müde Mark hat das Feuerzeug gekostet. Kleine Dinge können Großes bewirken.
Mensch ärgere dich und andere...