11. Kapitel
Die Güterstände im Überblick
I. Einleitung
Ob und vor allem wie das vorhandene Vermögen bei einer Trennung und Scheidung geteilt wird, richtet sich nach dem Güterstand, in dem die Eheleute leben.
Das Gesetz kennt im Wesentlichen drei unterschiedliche Güterstände: Die Zugewinngemeinschaft, die Gütertrennung und die Gütergemeinschaft.
Die Praxis zeigt, dass Eheleute oft ein falsches Verständnis von den einzelnen Güterständen haben oder diese vereinbaren, ohne die Folgen für den Fall der Scheidung zu kennen. Prädestiniert hierfür ist der Güterstand der Gütertrennung. Er wird nicht selten gewählt, um eine vermeintliche wechselseitige Haftung für die Schulden des anderen Ehepartners auszuschließen. Hierauf hat eine gewählte Gütertrennung jedoch keinen Einfluss. Eheleute haften nicht automatisch für die Schulden des anderen Ehepartners, nur weil sie die Ehe miteinander geschlossen haben. Die Haftung gegenüber einem Gläubiger tritt ein, wenn eine persönliche vertragliche Verpflichtung zu Grunde liegt oder für den anderen Ehepartner eine Bürgschaft/Sicherheitenstellung übernommen wurde.
Im Folgenden sind daher die einzelnen Güterstände mit ihren Auswirkungen für den Fall der Scheidung dargestellt. Dabei wird deutlich, dass die Vermögensauseinandersetzung bei der Scheidung in 2erster Line ein wechselseitiger Ausgleich ist. Eine echte Vermögensteilung findet hauptsächlich dort statt, wo Eheleute in Bruchteilen an den Vermögenswerten beteiligt sind. Dies gilt beispielsweise bei Immobilien, wenn beide Eheleute zu ½ als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen sind.
II. Die Zugewinngemeinschaft
Seit dem Inkrafttreten des Gleichbehandlungsgesetzes vom 18.6.1957 hat der Gesetzgeber in § 1363 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt, dass der gesetzliche Güterstand die Zugewinngemeinschaft ist. Die Bestimmung lautet wie folgt:
Die Ehegatten leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wenn sie nicht durch Ehevertrag etwas anderes vereinbaren.
Eheverträge sind auch heute – in Zeiten einer hohen Scheidungsquote – immer noch die Ausnahme. Selbst in Unternehmerkreisen oder sehr vermögenden Familien sind sie nicht selbstverständlich.
Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft besteht also immer dann, wenn kein Ehevertrag vor einem Notar geschlossen wurde. Nicht damit zu verwechseln ist das Unterzeichnen der eigentlichen Eheschließung vor dem Standesbeamten. Dies ist kein Ehevertrag und ändert nicht den Güterstand.
Die Eheleute treten in den gesetzlichen Güterstand mit dem Tag der standesamtlichen Eheschließung ein.
Die Zugewinngemeinschaft ist aber, anders als der Name es vermuten lässt, keine Vermögensgemeinschaft. § 1363 Abs. 2 BGB lautet wie folgt:
Das Vermögen des Mannes und das Vermögen der Frau werden nicht gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten; dies gilt auch für Vermögen, das ein Ehegatte nach der Eheschließung erwirbt. Der Zugewinn, den die Ehegatten in der Ehe erzielen, wird jedoch ausgeglichen, wenn die Zugewinngemeinschaft endet.
3Die Eigentumsverhältnisse werden also durch die Eheschließung nicht verändert. Jeder ist und bleibt Eigentümer seines Vermögens. Auch das Vermögen, das während der Ehe erwirtschaftet wird, „fließt nicht in einen Topf“ und wird nicht zum gemeinschaftlichen Vermögen.
Aus der Trennung der beiden Vermögensmassen während der bestehenden Ehe folgt auch – entgegen einem weit verbreiteten Irrtum –, dass es keine „automatische“ gesetzliche Haftung für die Schulden des Ehepartners gibt. Ebenso wie das Vermögen sind auch die bestehenden Schulden der Eheleute getrennt voneinander. Gemeinsame Schulden gibt es nur dann, wenn die Verpflichtung auch gemeinsam eingegangen wurde. Sind es die Schulden nur eines Ehepartners, weil er allein im Darlehensvertrag steht, haftet der andere Ehegatte hierfür nicht.
Der Tatsache, dass das Vermögen des Mannes und das Vermögen der Frau nicht automatisch gemeinschaftliches Vermögen wird, steht selbstverständlich nicht entgegen, dass Eheleute, ebenso wie Geschwister, Freunde oder Geschäftspartner gemeinsam Vermögen erwerben oder halten können. Sie können beispielsweise zusammen eine Immobilie kaufen. In diesem Fall ist dann jeder Eigentümer seines Miteigentumsanteils und dementsprechend im Grundbuch mit seinem Bruchteil eingetragen.
Die Zugewinngemeinschaft differenziert also sehr genau, wem der einzelne Vermögenswert gehört, wer Eigentümer oder Inhaber ist. Die einzelnen Güter der Eheleute sind während der Ehe nicht nur strikt voneinander getrennt, jeder verwaltet auch sein Vermögen allein. Allerdings mit einer Einschränkung. Ein Ehepartner darf ohne die Zustimmung des anderen nicht über sein Vermögen „im Ganzen“ verfügen. § 1365 BGB regelt dies wie folgt:
Ein Ehegatte kann sich nur mit Einwilligung des anderen Ehegatten verpflichten, über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen. Hat er sich ohne Zustimmung des anderen Ehegatten verpflichtet, so kann er die Verpflichtung nur erfüllen, wenn der andere Ehegatte einwilligt.
4Beispiel: Die Eheleute heiraten. Sie schließen keinen notariellen Ehevertrag. Es gilt damit der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Das Haus, in dem sie mit dem gemeinsamen Sohn leben, steht im Alleineigentum der Ehefrau. Beide Eheleute haben ihre Ersparnisse investiert. Der Ehemann ist jedoch kein Miteigentümer, da er seiner pflegebedürftigen Mutter zum Unterhalt verpflichtet ist und insoweit Rückgriffe fürchtet. Weiteres Vermögen ist nicht vorhanden.
Die Ehefrau lernt einen Franzosen kennen und beschließt, in Zukunft mit ihm in Nizza zu leben. Die Trennung von ihrem Mann erfolgt „von heute auf morgen“. Sie möchte sofort alle Brücken abbrechen und nach Frankreich umziehen. Die Scheidung, die sie nach Ablauf des Trennungsjahres einleiten möchte, wird sie von dort aus betreiben. Da sie Startkapital benötigt, veräußert sie das Haus. Ihr Mann hat zu dem Verkauf weder vorher eingewilligt, noch diesen nachträglich genehmigt. Er möchte erst die beidseitigen Ansprüche an dem Haus klären lassen, denn in der Immobilie ist ebenso sein Geld vorhanden und er fürchtet jetzt um seinen angemessenen Ausgleich.
Der Kaufvertrag der Ehefrau ist unwirksam. Da die Eheleute außer dem Haus nichts besitzen, handelt es sich um eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen. Insoweit gilt bei dem gesetzlichen Güterstand die genannte Beschränkung gemäß § 1365 Abs. 1 BGB zum Schutz des anderen Ehegatten und seiner Zugewinnausgleichsforderung.
Die Ehefrau hätte noch die Möglichkeit, einen Antrag bei dem zuständigen Vormundschaftsgericht zu stellen. Dieses kann nach § 1365 Abs. 2 BGB die Zustimmung des Ehemannes ersetzen, wenn der Verkauf des Hauses einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprach und der Ehemann ohne ausreichenden Grund seine Zustimmung verweigert hat. Die Frage der ordnungsgemäßen Verwaltung orientiert sich dabei am Interesse der Familie. Der Verkauf der Immobilie entsprach im Beispiel sicher nicht dem Familieninteresse. Vielmehr hat die Ehefrau ausschließlich ihre eigenen Interessen verfolgt. Sie wollte mit dem Verkaufserlös ihren Neuanfang in Frankreich finanzieren. Das Vormundschaftsgericht würde bei dieser Motivation eine Ersetzung der Zustimmung wohl ablehnen.
5Die Regelung des § 1365 BGB ist eine ganz zentrale Vorschrift, wenn es um die Frage geht, ob ein Ehepartner Vermögen nach der Trennung veräußern kann und damit die Zugewinnausgleichsforderung des anderen gefährdet.
Bei der Beendigung der Ehe durch Scheidung oder Tod findet gemäß § 1363 Abs. 2 BGB ein Ausgleich dessen statt, was während der Ehezeit erwirtschaftet wurde: Der sogenannte Zugewinnausgleich. Beide Eheleute sind am Zugewinn hälftig beteiligt. Der Gesetzgeber trägt damit dem Grundgedanken der Gleichberechtigung Rechnung. Er unterscheidet nicht, wer „das Geld verdient hat“. Berufstätigkeit und Haushaltsführung werden innerhalb der Ehe als gleichwertig behandelt. Der Gesetzgeber möchte damit auch verhindern, dass jede finanzielle Transaktion der Eheleute – eventuell über viele Ehejahre hinweg – rückabgewickelt werden muss. Er orientiert sich daher an dem Stand des Vermögens am Anfang und am Ende der Ehe (Siehe 3. Kapitel, I.)
III. Die Gütertrennung
Die Gütertrennung ist ein von den Eheleuten gewählter Güterstand, der durch einen Ehevertrag vereinbart und notariell beurkundet sein muss. Der Eintritt der Gütertrennung ist in § 1414 BGB explizit geregelt:
Schließen die Ehegatten den gesetzlichen Güterstand aus oder heben sie ihn auf, so tritt Gütertrennung ein, falls sich nicht aus dem Ehevertrag etwas anderes ergibt. Das Gleiche gilt, wenn der Ausgleich des Zugewinns ausgeschlossen oder die Gütergemeinschaft aufgehoben wird.
Bei der Gütertrennung gilt das Motto: „Jeder ist seines Glückes Schmied“. Die Gütertrennung ist ein Güterstand, der bei einer Scheidung ohne jede güterrechtlichen Folgen bleibt. Es wird weder geteilt, noch ausgeglichen. Die Vermögen der Eheleute sind absolut getrennt voneinander. Jeder kann nach Belieben und ohne Zustimmung des anderen über sein Vermögen verfügen. Auch die Regelung 6des § 1365 BGB...