WIE WIRKEN BALLASTSTOFFE IM KÖRPER?
Dass Ballaststoffe sich positiv auf die Gesundheit auswirken, ist wissenschaftlich vielfach bestätigt. Es ist jedoch keine wirklich neue Entdeckung. Die unterstützende Wirkung von Brot aus grobem Mehl auf die Verdauung wurde schon im 5. Jahrhundert v. Chr. in dem Hippokrates zugeschriebenen Werk »Die Alte Heilkunst« erwähnt. In jüngerer Zeit sind Erkenntnisse dazugekommen, die die vielfältige Wirkung von Ballaststoffen auf die Gesundheit zeigen. So kann eine ausreichende Zufuhr sich günstig auf den Stoffwechsel auswirken und helfen, Übergewicht vorzubeugen oder zu reduzieren. Auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus Typ 2, Magen-Darm-Erkrankungen und andere durch unseren Lebensstil begünstigte Krankheiten kann verringert werden.
FRÜHER UND HEUTE
Leider ist die Ballaststoffaufnahme in den meisten Industriestaaten heute deutlich niedriger als in früheren Zeiten und liegt in der Regel unter den empfohlenen Richtwerten. Einer der Gründe ist die zunehmende Verarbeitung von Lebensmitteln: Unter anderem haben moderne Mahltechniken die Entfernung der Randschichten des Getreidekorns, der sogenannten Kleie, wesentlich vereinfacht. In früheren Zeiten war die Abtrennung der Kleie, die den Hauptanteil der Ballaststoffe enthält, nicht so vollständig möglich. Selbst das einst nur reichen Bevölkerungsschichten vorbehaltene feine Mehl enthielt noch vergleichsweise mehr Ballaststoffe als heutiges Weißmehl.
Vorteile natürlicher Pflanzenkost
Auch bei anderen Lebensmitteln hat sich der Gehalt an Ballaststoffen verringert. So enthalten Wildpflanzen, die früher gesammelt wurden, um den Speiseplan zu bereichern, mehr Fasern und Ballaststoffe als die modernen Kulturpflanzen, bei deren Züchtung oftmals auf mehr Zartheit und Süße hingearbeitet wird. Untersuchungen an heute noch als Jäger und Sammler lebenden Menschen haben ergeben, dass die meisten trotz eines zum Teil beachtlichen Anteils an tierischer Nahrung deutlich mehr Ballaststoffe aufnehmen als Menschen in Industrieländern. Dasselbe gilt auch für Angehörige traditioneller Ackerbaugesellschaften. Bei ihnen trägt allerdings auch der insgesamt höhere Verzehr von pflanzlichen Grundnahrungsmitteln wie Brot, Getreide, Wurzeln und Hülsenfrüchten zur guten Ballaststoffzufuhr bei.
FUTTER FÜR DIE DARMFLORA
Unser Körper beherbergt bis zu zweimal so viele Mikroorganismen wie eigene Zellen. Die meisten davon leben im Dickdarm. Diese Darmbakterien ernähren sich von Bestandteilen unserer Nahrung. Dabei unterscheiden sich die Bakterienarten in ihren Vorlieben für bestimmte Nährstoffe. Manche bauen bevorzugt Kohlenhydrate ab, andere Eiweiß oder Fett. Entsprechend bestimmt unsere Ernährung die Zusammensetzung der Darmflora und Ballaststoffe spielen dabei eine wichtige Rolle. So ist die Darmflora von Menschen, die sich vorwiegend von pflanzlichen, unverarbeiteten Lebensmitteln ernähren, deutlich artenreicher als die von Menschen, die mehr tierische und stärker verfeinerte Lebensmittel konsumieren, wie in Industrieländern üblich.
Einflussnahme ist möglich
Auch Abbauprodukte aus den Nährstoffen beeinflussen das Darmgewebe und damit unsere Gesundheit. So begünstigt ein hoher Konsum von tierischen Produkten und somit von Protein und gesättigten Fettsäuren die Bildung von Substanzen mit schädlichen Auswirkungen auf die Darmgesundheit. Dazu gehören Schwefelwasserstoff, Nitroso- und Phenolverbindungen sowie verschiedene biogene Amine, organische Stickstoffverbindungen. Einige von ihnen werden sogar als krebserregend eingestuft. In welchem Ausmaß sie entstehen, hängt stark von der Zusammensetzung der Darmflora ab.
Dagegen führt eine ballaststoffreiche Ernährung zu einer Zunahme von günstigen Mikroorganismen wie zum Beispiel Lactobazillen und Bifidobakterien. Letztere gedeihen besonders gut durch fermentierbare Oligosaccharide und Inulin, die in Gemüsearten wie Zwiebeln, Topinambur, Artischocken und Kohlsorten vorkommen. Lactobazillen und Bifidobakterien produzieren unter anderem Vitamine der B-Gruppe, die der menschliche Organismus teilweise absorbieren und für seine Gesundheit nutzen kann.
Komplexere, schwerer abzubauende Kohlenhydrate, wie sie besonders in Vollkorngetreide vorkommen, werden langsamer fermentiert und gelangen bis in die unteren Teile des Dickdarms. Dort unterdrücken sie den sonst vorherrschenden Proteinabbau und hemmen das Entstehen der oben genannten potenziell schädlichen Stoffwechselprodukte. Dazu tragen auch die bei der Fermentation gebildeten organischen Säuren bei.
ABBAU VON BALLASTSTOFFEN ZU KURZKETTIGEN FETTSÄUREN IM DARM
Kurzkettige Fettsäuren halten die Darmschleimhaut gesund und schützen uns so vor Infektionen und sogar Dickdarmkrebs.
Vielfältige Wechselbeziehungen
Über unsere Ernährung können wir also Einfluss auf die Darmflora nehmen. Und obwohl die Zusammensetzung der Darmflora im Wesentlichen langfristige Ernährungsmuster widerspiegelt, können sich auch kurzfristige Änderungen im Speiseplan auswirken.
Unterschiede in der Darmflora wurden auch bei Menschen mit bestimmten Erkrankungen im Vergleich zu gesunden Menschen beobachtet. Sogenannte Dysbiosen, also eine Zunahme von schädlichen Mikroorganismen im Darm, treten zum Beispiel bei entzündlichen Darmerkrankungen und Allergien auf. Sie sind außerdem aber auch bei Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus Typ 2 und Dickdarmkrebs zu beobachten.
In Tierversuchen konnte zudem gezeigt werden, dass keimfrei aufgezogene Mäuse, die keine Darmflora ausbilden, anders als normale Tiere von einer fett- und zuckerreichen Kost nicht adipös wurden. Dies geschah erst, nachdem ihnen die Darmflora von adipösen Tieren eingeimpft worden war. Umgekehrt verbesserten sich bei übergewichtigen Menschen nach Übertragung von Darmbakterien schlanker gesunder Personen die Insulinwirkung und der Zuckerstoffwechsel.
Trotz großer individueller Unterschiede in der Zusammensetzung der Darmflora lassen sich also gewisse Muster erkennen, die mit der Ernährungsweise und auch mit manchen ernährungsbedingten Erkrankungen wie Adipositas im Zusammenhang stehen.
KURZKETTIGE FETTSÄUREN
Bei der bakteriellen Fermentation werden in unserem Körper Kohlenhydrate, besonders fermentierbare Ballaststoffe und resistente Stärke, zu kurzkettigen Fettsäuren abgebaut. Diese Fettsäuren werden vom Körper anders verwertet als langkettigere Fettsäuren, da sie direkt in die Leber transportiert werden. Somit beeinflussen sie den Cholesterinspiegel nicht. Welche kurzkettigen Fettsäuren gebildet werden, hängt von den produzierenden Bakterien und den als Ausgangsmaterial dienenden Ballaststoffen ab.
Säuren senken pH-Wert im Darm
Im Zusammenhang mit der Nahrung sind vor allem Essigsäure, Propionsäure und Buttersäure von Bedeutung. Als schwache Säuren senken sie den pH-Wert im Darm und hemmen dadurch das Wachstum von einigen krankheitserregenden Keimen, was wiederrum die Darmbarriere schützt und verhindert, dass schädliche Stoffe aus dem Darminneren in den Körper eindringen. Vor allem Buttersäure, die vorwiegend aus resistenter Stärke gebildet wird, unterstützt den Erhalt der Darmbarriere und scheint sogar hemmend auf Krebszellen zu wirken. Außerdem fördert ein leicht saures Milieu die Aufnahme von Mineralstoffen wie Kalzium. Darüber hinaus können kurzkettige Fettsäuren die Blut-Hirn-Schranke passieren. Im Gehirn stimulieren sie dann unter anderem die Freisetzung von appetithemmenden Botenstoffen.
BALLASTSTOFFE & KALORIEN
Da kurzkettige Fettsäuren vom menschlichen Körper verwertet werden können, liefern zumindest manche Arten von Ballaststoffen geringe Mengen an Energie – im Durchschnitt 1,5 bis 2,5 Kilokalorien pro Gramm. Das wird inzwischen bei der Berechnung des Nährwerts von Lebensmitteln berücksichtigt, indem man 2 Kilokalorien pro enthaltenem Gramm Ballaststoffe berechnet. Im Vergleich zu den Hauptnährstoffen ist das aber ein kleiner Beitrag. Vor allem Fett und Kohlenhydrate liefern mit 9 beziehungsweise 4 Kilokalorien pro Gramm zwei- bis über viermal so viele Kalorien.
GUTE VERDAUUNGSHELFER
Viele Menschen leiden an Darmträgheit und Verstopfung. Mit zunehmendem Alter treten diese Probleme besonders häufig auf. Eine Ursache dafür ist neben Bewegungsmangel und Stress eine zu geringe Ballaststoffzufuhr.
Fest steht, dass unverdauliche Nahrungsbestandteile wie Ballaststoffe neben Bakterien und abgelösten Darmzellen einen Großteil der Stuhlmasse ausmachen. Aufgrund ihrer Fähigkeit, Wasser zu binden, führen sie zu weicherem Stuhl, der leichter ausgeschieden wird. Nicht fermentierbare Ballaststoffe, wie sie zum Beispiel in Getreidekleie vorkommen, werden auch von Darmbakterien nicht abgebaut und haben daher die größte Auswirkung auf das Stuhlvolumen und die Geschwindigkeit der Darmpassage.
Eine ballaststoffreiche Ernährung hat sich darüber hinaus auch als vorbeugender Schutz gegen Divertikulose, eine Veränderung der Darmwand in Form von kleinen Ausstülpungen, erwiesen, da sie den Stuhl weicher macht und so weniger Druck für die Darmentleerung nötig ist.
Bewegung und Ernährung
Eine höhere Ballaststoffzufuhr ist zusammen mit mehr körperlicher Aktivität eine effektive erste Maßnahme gegen Verstopfung. So wird beispielsweise bei pflegebedürftigen Senioren eine ballaststoffreiche Kost erfolgreich gegen Darmträgheit eingesetzt. Der Verbrauch von Abführmitteln kann dadurch meist deutlich reduziert werden.
Allerdings ist zu bedenken, dass Verstopfung eine Vielzahl von Ursachen haben kann, darunter...