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E-Book

Vier minus drei

Wie ich nach dem Verlust meiner Familie zu einem neuen Leben fand

AutorBarbara Pachl-Eberhart
VerlagIntegral
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783641047535
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Ein Schicksal, das erschüttert - und dennoch Mut macht, zu leben
Wie schafft es eine Frau, die ihren Mann und ihre beiden kleinen Kinder durch einen Verkehrsunfall verliert, überhaupt weiterzuleben? Fünf Tage nach dem schrecklichen Ereignis schreibt Barbara Pachl-Eberhart einen offenen Brief an ihre Verwandten und Freunde, der in beeindruckender Intensität ihre Gefühle darlegt. Rasch findet das erschütternde Dokument durch Internet, Zeitungen und Zeitschriften eine große Verbreitung. Die Tragödie dieser Familie bewegt Tausende Menschen.
Zwei Jahre nach dem tragischen Ereignis schildert Barbara Pachl-Eberhart nun ihren Weg in ein neues Leben. Die Offenheit, mit der sie sich ihrem Schicksal stellt, und der Mut, mit dem sie Schritt für Schritt in eine unbekannte Zukunft geht, zeugen auf ergreifende Weise von menschlicher Größe und einem unerschütterlichen Glauben an den Sinn des Lebens.
Die Autorin wurde 2009 mit dem wichtigsten österreichischen Frauenpreis, dem 'Leading Ladies Award', ausgezeichnet.

Die gebürtige Wienerin studierte Querflöte an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien, ehe sie neun Jahre lang als Rote-Nasen-Clowndoctor Kinder durch den Krankenhausalltag begleitete. Heute leitet sie Seminare und Fortbildungen im Bereich der Dialogkreisarbeit, der Trauer- und Sterbebegleitung und der kreativ-konstruktiven Lebensgestaltung.

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Leseprobe
"Ausgesperrt (S. 73-74)

Die ersten Apriltage waren grau und kalt, sogar in meiner Heimat, der grünen Steiermark. Auch in meinem Häuschen war es etwas ungemütlich, die Zimmer waren ausgekühlt, es roch nach Staub, in der Speisekammer hatten sich die Mäuse gütlich getan. Und doch war es der einzige Platz, an dem ich jetzt sein wollte. Meine Eltern hatten mich nach Hause gebracht. Dorthin, wo ich mich Heli und meinen Kindern am nächsten fühlte. Ich wollte allein sein. Das schlechte Wetter störte mich nicht.

Es kam mir gerade recht. So konnte ich mich einfach im Bett verkriechen und musste keinen Schritt vor die Tür tun. Ich dämmerte wie in einem zeitlosen Zustand vor mich hin. Schlief, wann ich wollte, egal, ob es Tag war oder Nacht. Helis Pyjama, Finis »Deckalein«, Thimos Plüschwalfisch waren alles, was ich brauchte. Deutlich spürte ich die Nähe meiner Familie. Im Schlaf, im Traum kam sie mich verlässlich besuchen, lebendig und fröhlich wie eh und je. Früher hatte ich am Tag eine Familie und war in der Nacht auf eigenen Pfaden unterwegs. Jetzt ist es eben umgekehrt: Ich bin am Tag allein und in der Nacht mit euch zusammen. So notierte ich es in mein Tagebuch. Ich habe immer noch eine Familie. Jetzt ist sie nur eben unsichtbar. Daran erinnerte ich mich immer wieder selbst.

Die wachen Stunden verbrachte ich lesend, schreibend, tagträumend. Geborgen und sicher in meiner selbstgeschaffenen Parallelwelt. Einatmen. Ausatmen. Die einzige Aufgabe, die ich gerade noch bewältigen konnte. Manchmal lobte ich mich dafür, dass ich sie so gut bewältigte. Es war ja schließlich nichts mehr selbstverständlich, jeder Atemzug eine Leistung. Ab und zu klopfte jemand an meine Tür. Nachbarn. Freunde, die mir etwas vorbeibringen oder nach mir sehen wollten. Es erschien mir wie ein Zeichen aus einer anderen Welt, die mir zurufen wollte: Komm zurück! Du gehörst hierher! Aber ich machte nicht auf. Noch war ich nicht bereit für die Welt, die auf mich wartete. Sie würde mir wehtun, das ahnte ich - allein schon deshalb, weil sie sich erbarmungslos weiterdrehte.

Da draußen blieb die Zeit nicht stehen. Jede verrinnende Minute drohte mich ein Stück mehr von meinem früheren Leben und von meiner Familie zu trennen. Jemandem zu öffnen, der an meine Tür klopfte - gar mit ihm zu sprechen - hätte bedeutet, mich dem Leben zu öffnen. Genau das schien mir vorerst völlig unmöglich. Außerdem hatte ich Angst. Angst vor dem großen schwarzen Loch. »Warte nur, jetzt geht es dir noch scheinbar gut, aber das Loch kommt bestimmt.«

Das hatten mir nicht wenige meiner Freunde vorausgesagt. Sie wollten damit gewiss keine düstere Prophezeiung abgeben, sondern mich vielmehr beruhigen: Du darfst abstürzen. Du darfst ins Loch fallen. Wir sind auch dann für dich da. Wie hatte man es sich vorzustellen, dieses Loch? Würde ich schreien und toben, wenn ich dort hineinfiele? Weinen, tagelang? Würde ich mich verletzen? Ich hatte keine Ahnung. Wusste nur: Ich will das alles nicht. Es war mir mehr als unheimlich. So zog ich es vor, lieber nichts zu riskieren. Im Bett würde mich das schwarze Loch nicht finden. Im Bett war alles gut und berechenbar."
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