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E-Book

Warum unsere Chefs plötzlich so nett zu uns sind

und warum sie es sogar ernst meinen

AutorWolfgang Jenewein
VerlagecoWing
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl196 Seiten
ISBN9783711052322
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
... wer führen will, muss Menschen mögen ... und wer immer noch auf Anweisungen, Kontrolle und Effizienz setzt, sollte schleunigst in sich gehen. Es ist eine stille Revolution, die sich gerade in unserer Arbeitswelt vollzieht: Chefinnen und Chefs müssen fähig sein, sich in ihre Leute einzufühlen, müssen jeden Einzelnen besser machen und alle zusammen begeistern für das gemeinsame Ziel. Was im Fußball die Trainer Pep Guardiola und Joachim Löw vorleben, findet auch in unseren Unternehmen immer mehr Anhänger: Nur wenn alle mit Leidenschaft an einem Strang ziehen, können wir in einer sich rasant wandelnden Welt Siege feiern.

Wolfgang Jenewein ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen. Seine Forschungsschwerpunkte sind »Transaktionale und Transformationale Führung«, »Positive Leadership« sowie die »Führung von Change«. Seine Erkenntnisse verknüpft er mit Einsichten aus Hochleistungsteams im Sport. Auf dieser einzigartigen Grundlage coacht und trainiert er viele Großkonzerne auf Vorstandsebene sowie Spitzenteams im Sport. Unter anderem hat er mit der Deutschen Fußballnationalmannschaft oder dem Alinghi-Segelteam zusammengearbeitet. Im Frühjahr 2016 wurde er vom Focus-Magazin zu einem der fünf einflussreichsten Leadership-Trainer in Deutschland gekürt.

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Leseprobe

2. Warum wir menschlicher wirtschaften müssen


Kann der Kapitalismus gut sein? Kann die Globalisierung gut sein? Kann die Marktwirtschaft gut sein? Können Unternehmen in einer kapitalistischen, globalisierten Marktwirtschaft gut sein im moralischen Sinn? Gut für die Mitarbeiter, gut für die Kunden, gut für die ganze Gesellschaft?

In der großen Finanzkrise 2007 und der folgenden Weltwirtschaftskrise haben sich alle Vorurteile bestätigt, die es insbesondere in Deutschland gegen die Wirtschaft gibt: Die Konzerne, vor allem die Banken, wollen Profit, Profit, Profit, auf Teufel komm raus. Und wenn sie sich verspekulieren, muss der Bürger dafür bluten: als Arbeitnehmer, indem er seinen Job verliert, und als Bürger, indem der Staat mit seinem Steuergeld den Konzernen aus der Patsche hilft.

Die Wirtschaft gilt vielen Bürgerinnen und Bürgern mehr denn je als ein der Gesellschaft feindlich gegenüberstehendes Imperium, das vom Staat deshalb möglichst streng reglementiert werden muss.

Hatte Karl Marx doch recht? Selbst Meinungsmacher, die früher sehr wirtschaftsfreundliche, manchmal neoliberale Leitartikel schrieben, stimmen heute das Lied vom nahenden Untergang des Kapitalismus an.

Der Kapitalismus geht aber nicht unter. In den westlichen Ländern hat er angefangen, sich der Gesellschaft anzupassen. Ja, es gibt die Hoffnung auf eine Wirtschaft, die gut ist zu ihren Kunden und zu ihren Mitarbeitern. Die sich um die Menschen und ihre Werte kümmert. Und zwar nicht aus reiner Nächstenliebe, sondern aus schierer Notwendigkeit. Denn andernfalls wird die Wirtschaft, werden wir alle in den westlichen Ländern in ernste Schwierigkeiten geraten.

Die VUKA-Welt: Raus aus dem Hamsterrad!


Jeder kennt aus seinem Berufsleben das Gefühl, dass die moderne Welt ihn überfordert. Es gibt keine leichten Lösungen mehr, alles hängt mit allem zusammen, und die Anforderungen ändern sich schneller als je zuvor.

Ja, Sie haben damit recht. Veränderungen gab es schon immer, und auch die Erfindung der Dampfmaschine oder der Elektrizität haben große Verwerfungen und neue Möglichkeiten für die Menschen bedeutet. Wirtschaftsexperten bestätigen aber, dass es solch fundamentale und weitreichende Veränderungen noch nie in so kurzer Zeit wie heute gegeben hat. Während es noch 75 Jahre dauerte, bis 50 Millionen Menschen das Telefon nutzten, dauerte es für das Radio nur noch 38 Jahre. Das Internet erreichte innerhalb von vier Jahren 50 Millionen Nutzer, Twitter schaffte das in acht Monaten und Pokémon GO in 19 Tagen. Diese Beispiele von Kommunikationsmedien zeigen: Die Geschwindigkeit nimmt zu, das Schicksal von Pokémon GO verdeutlicht: Vieles verschwindet genauso schnell, wie es gekommen ist. In diesem Zusammenhang spricht man von der sogenannten VUKA–Welt.

VUKA ist ein Kunstwort und steht für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz. Diese Begriffe umschreiben am besten das Umfeld, in welchem wir heute leben und wirtschaften.

Volatilität. Denken Sie an die Währungs- und Preisschwankungen der letzten Monate und Jahre. Der Dollar verlor gegenüber dem Euro nach dem Amtsantritt Donald Trumps 2017 erheblich an Wert, das britische Pfund ging nach der Ankündigung des Brexit auf Sturzflug, der Schweizer Franken wurde über Nacht um rund 20 Prozent aufgewertet, als die Schweizer Notenbank überraschend die Anbindung an den Euro aufgab, der russische Rubel fiel um 50 Prozent innerhalb weniger Monate und auch andere Rohstoffpreise sind so fragil wie nie zuvor. Das sind große Schwankungen, die für Unternehmen täglich enorme Herausforderungen darstellen.

Unsicherheit. Hier könnte man eine endlose Liste an Beispielen aufführen, aber denken Sie nur einmal an den Brexit, die Wahlen in Amerika, die Terrorattacken oder die Flüchtlingsproblematik. Das sind enorme Unsicherheiten, welche nicht nur unsere Wirtschaft, sondern unsere gesamte Gesellschaft beeinflussen.

Komplexität. Darauf werden wir noch ausführlich zu sprechen kommen, erst einmal zur Begriffsklärung: Eine Uhr ist kompliziert, denn sie hat verschiedene Teile, die auf verschiedenen Ebenen miteinander verbunden sind. Komplex wäre sie, wenn sich die einzelnen Teile im Zeitablauf auch immer wieder neu zusammensetzen. So wie sich heute die Verbindungen und gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen Staaten und Unternehmen mehr als je zuvor immer wieder neu konstituieren.

Ambivalenz. Das Wort bezeichnet einen Zustand der Zweideutigkeit und Zerrissenheit. Ein schönes Beispiel hierzu hat mir einmal ein BMW-Händler erzählt. »Früher«, so sagte er, »konnte ich mit einer 80-prozentigen Wahrscheinlichkeit nach einem ersten Beratungsgespräch vorhersagen, ob und welches Modell der Kunde am Ende bei uns kaufen wird.« »Heute«, so sagte er mir, »ist das kaum mehr möglich.« Die Kunden haben eine fast unendliche Vielzahl an Optionen und werden darüber hinaus von widersprüchlichen Strömungen in ihrem Kaufverhalten beeinflusst. Sie wollen ökologisch handeln, erwägen also Carsharing oder E-Mobilität, hängen aber immer noch an klassischen Modellen – und auch die Sehnsucht nach möglichst vielen Pferdestärken unter der Haube ist noch lange nicht tot. Kundenbedürfnisse werden für Unternehmen immer schwieriger einzuschätzen, und der Kunde von heute ist möglicherweise schon morgen der Kunde der Konkurrenz.

Ein weiteres Beispiel für Ambivalenz ist sicherlich auch das Phänomen der »Fake News«. Wenn einem Politiker, einer Person der Öffentlichkeit oder auch Privatpersonen gewisse Nachrichten oder Darstellungen nicht gefallen, bezeichnen sie diese heutzutage kurzerhand als Fake News, Falschnachrichten, und produzieren über Tweets, Blogs oder Internetpublikationen ihre eigene Wirklichkeit. So wird es immer schwieriger zu erkennen, was Wirklichkeit und was Konstruktion ist.

VUKA: Das ist die Folge von Globalisierung und Internet. Gemäß einer Studie der Unternehmensberatung KPMG sind 70 Prozent der Managerinnen und Manager der Meinung, dass die steigende Komplexität der Businesswelt eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ist. Sogar 94 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die erfolgreiche Handhabung der Komplexität entscheidend für die künftige Entwicklung des Unternehmens sein wird.

Aber wie reagieren die Manager auf VUKA? Viele lassen ihre Leute einfach noch schneller und noch härter arbeiten, schrauben die Anforderungen immer weiter nach oben.

Werfen wir einen Blick auf die Bankenwelt, die offenbar keinen Weg findet aus dem zwanghaften Vergleichen und Erstellen von Rankings: Der Mitarbeiter muss immer mehr Assets, Bonds, Aktien verkaufen. Und jede Abteilung wird geführt, indem man ihr feste Ziele vorschreibt und ein festes Budget zur Verfügung stellt.

Feste Ziele, festes Budget. Und wenn das Unternehmen in die Krise gerät, reagiert man mit höheren Zielen und einem geringeren Budget.

Sie meinen, solches Vorgehen sei vernünftig und gebe jedem Einzelnen Sicherheit? Oft ist im Endeffekt genau das Gegenteil der Fall. Die Unternehmen betrügen sich selbst.

Zur Erklärung können zwei englische Begriffe dienen: High Balling und Low Balling.

High Balling: Der Abteilungsleiter bittet die Lieferanten kurz vor Jahresschluss noch um Rechnungen, um die Ausgaben im laufenden Jahr nach oben zu treiben. Schließlich will er ja bei den anstehenden Verhandlungen mit dem Chef gut begründen können, warum man im folgenden Jahr ein höheres Budget braucht.

Low Balling: Dies geht genau in die andere Richtung, wenn es nämlich um die Vereinbarung der Jahresziele geht. Mitarbeiter kennen diesen Aushandlungsprozess seit vielen Jahren und versuchen, die Erwartungen des Managements möglichst tief zu halten. Man weiß, man könnte beispielsweise 1 Million Euro Umsatz liefern, versucht aber mit einem Jahresziel von 800 000 Euro aus den Verhandlungen zu gehen. Jeder weiß nämlich, befördert wird nämlich nicht der- oder diejenige, der oder die 1 Million verspricht und dann 950 000 Euro liefert, sondern der Mitarbeiter, der 800 000 verspricht und 950 000 Euro am Ende meldet. Das ist das Problem von strikten Ziel- und Budgetprozessen. Die Mitarbeiter rufen nicht mehr ihre wahren Potenziale ab. Vielmehr entstehen politische Diskussionen und Taktieren; die im Unternehmen schlummernden Möglichkeiten werden aber nicht gehoben.

Es ist leicht zu erkennen, was passiert, wenn ein Unternehmen in der VUKA-Welt von heute eine Krise durch geringere Budgets und höhere Zielvorgaben zu bewältigen versucht: Es wird vielleicht kurzfristig bessere Zahlen erreichen, aber die strukturellen Probleme löst man damit mit Sicherheit nicht.

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