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Wasserkonflikte sind Machtkonflikte

Ursachen und Lösungsansätze in Marokko

AutorAnnabelle Houdret
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl293 Seiten
ISBN9783531923185
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis35,96 EUR


Dr. Annabelle Houdret promovierte bei PD. Dr. habil. Jochen Hippler am Institut für Politikwissenschaft und Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen und bei Prof. Dr. Yves Sintomer, Département de Science Politique, Université Paris 8. Sie ist Senior Project Manager bei Adelphi Research in Berlin.

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Leseprobe
5 Marokkos Wasserpolitik vor neuen Herausforderungen (S. 125-126)

„Allah, el Watan oua el Malik“ [„Gott, die Nation und der König“]
Inschrift über den marokkanischen Staudämmen

„Gott, die Nation und der König“ so lautet die weithin sichtbare Inschrift auf den Felsen über jedem Staudamm in Marokko. Diese „heilige Dreieinigkeit“ ist nicht nur die Bestätigung der in den vorangegangenen Kapiteln erläuterten Stellung des Königs. Die Formel ist darüber hinaus ein äußerst treffendes Symbol der strategischen Rolle der Staudämme für die Sicherung der königlichen Herrschaft, und des zeitweise starken politischen und sozialen Drucks, der auch durch die Wasserverteilung bedingt ist.

Wasserressourcen ermöglichen einem Land die Erschließung und Entwicklung neuer Lebensräume, Produktions- und Einkommensquellen. Die technische Regulierung der Ressource impliziert jedoch immer auch eine Gestaltung der sozialen und politischen Beziehungen, denn: „ein Bewässerungssystem zu fördern bedeutet nicht nur, die Wasserverteilung zu rationalisieren, sondern auch, bezüglich der Nutzung und der Verteilung des Wassers Stellung zu beziehen“ (Pérennès 1993: 157).

Le Coz äußert sich ähnlich bezüglich der Bedeutung der Landwirtschaft: „Wenn man mit H. Lefèvre übereinstimmt, der ‚Raum als Produkt der Gesellschaft’ betrachtet, ist das landwirtschaftliche System eines der Instrumente, durch welche sich diese Handlung vollzieht. Und diesem Phänomen kommt eine umso größere Bedeutung zu, als dass die landwirtschaftliche Tätigkeit an sich viel Raum einnimmt“ (Le Coz 1990: 15).

Sowohl das Wassermanagement als auch die Gestaltung der Landwirtschaft werden hier deshalb explizit als das Ergebnis bestimmter Politiken und soziopolitischer Kräfteverhältnisse verstanden.

Dieses Kapitel geht der spezifischen Herrschaftssicherung durch die Wasser- und Landwirtschaftspolitik nach und analysiert die mit den aktuellen Veränderungen einhergehenden Konfliktpotentiale. Neben den in Kapitel 4 dargestellten soziopolitischen Strukturen sind vor allem die hier erläuterten Bedingungen des Wassermanagements und der ländlichen Entwicklung für die Analyse struktureller Ursachen von Wasserkonflikten relevant.

Die bestehenden sozialen und ökonomischen Ungleichheiten im ländlichen Raum werden, so die These dieses Kapitels, durch die wirtschaftliche Liberalisierung und die zunehmende Wasserknappheit in vielen Fällen verstärkt. Dies stellt, zusammen mit den reformierten Formen des Wasser- und Landmanagements, die Herrschaftslegitimierung durch die Verteilung der natürlichen Ressourcen in Frage. Gleichzeitig ermöglicht die politische Liberalisierung neue Handlungsspielräume, da die staatlichen Akteure in Teilen des Produktionsprozesses weniger präsent sind, neue Organisationsformen wie Nutzergruppen und NGOs toleriert werden und der Privatsektor sich zunehmend in ehemals staatlichen Monopolen etabliert.

Die Potentiale und Herausforderungen dieser Entwicklungen werden hier am Beispiel der sog. ‚Großen Bewässerungssektoren’ (grands périmètres irrigués) untersucht. Diese Sektoren werden überwiegend aus Großstaudämmen gespeist und staatlich verwaltet. Zusätzlich existieren kleine und mittlere Bewässerungssektoren (petite et moyenne hydraulique), die meist aus Brunnen, Quellen und Kleinstaudämmen gespeist werden.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort6
Inhalt8
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis13
Abkürzungsverzeichnis15
Einleitung17
1 Ursachen und Folgen der Süßwasser-Knappheit25
1.1 Die „Wasserkrise“ als ökologische und politische Frage25
1.1.1 Probleme der Einschätzung von „Wasserknappheit“27
1.1.2 Die bewässerte Landwirtschaft: Spiegel von Machtbeziehungen29
1.1.3 Mögliche Anpassung an Wasserknappheit33
1.1.4 Wasserprobleme in der MENA Region36
1.2 Wasserressourcen als Sicherheitsfaktor39
1.2.1 Veränderte Konzepte nationaler und internationaler Sicherheit40
1.2.2 Die politische Wahrnehmung ökologischer Sicherheitsaspekte43
1.2.3 Wasser als Sicherheitsfaktor innerhalb von Staaten46
1.2.4 Zwischenstaatliche Wasserkonflikte52
2 Die Forschung zu innerstaatlichen Wasserkonflikten54
2.1 Die Umweltsicherheitsforschung55
2.1.1 Entstehung und Schwerpunkte des Forschungszweiges55
2.1.2 Ergebnisse der empirischen Studien60
2.1.3 Defizite der bisherigen Forschung62
2.2 Die Common-Pool-Resource Forschung66
2.2.1 Grundannahmen zum Ressourcenmanagement66
2.2.2 Nutzen der Theorien für die Analyse von Wasserkonflikten69
2.3 Die Konfliktforschung73
2.3.1 Die konstruktive Funktion gesellschaftlicher Konflikte74
2.3.2 Das Konzept der Konflikttransformation75
2.3.3 Mögliche Akteure der Konflikttransformation81
3 Ein neuer Forschungsansatz87
3.1 Begriffsklärung: Wasserkonflikte und ihre Austragungsformen87
3.2 Die Forschungsfragen91
3.3 Methodische Herangehensweise und Hypothesen93
4 Konfliktpotentiale durch Wandel der soziopolitischen Strukturen in Marokko98
4.1 Das konventionelle Makhzen-System100
4.1.1 Die traditionelle Legitimität des Könighauses100
4.1.2 Die Rolle der ländlichen königstreuen Eliten106
4.2 Die Herausforderung der etablierten Strukturen und Akteure108
4.2.1 Die Legitimität der demokratischen Institutionen108
4.2.2 Alternative, nichtstaatliche Interessensvertreter112
4.2.3 Die Entstehung eines „neuen Makhzen“117
5 Marokkos Wasserpolitik vor neuen Herausforderungen121
5.1 Die strategische Bedeutung der ländlichen Entwicklung122
5.1.1 Wasser und Land als Entwicklungs- und Machtfaktoren122
5.1.2 Zunehmende Disparitäten127
5.2 Wasserpolitik im Wandel129
5.2.1 Vom Wasser Gottes zum Wasser des Staates129
5.2.2 Die Dezentralisierung des Wassermanagements131
5.3 Aktuelle politische Prioritäten und Konfliktpotentiale142
5.3.1 Zunehmende Konkurrenz durch steigende Wasserknappheit142
5.3.2 Folgen der wirtschaftlichen Liberalisierung und Privatisierung144
6 Die Region Souss und das Privatisierungsvorhaben152
6.1 Zunehmende Konkurrenz um Land und Wasser153
6.2 Institutionelle und machtpolitische Aspekte der Wasserkrise161
6.2.1 Staatliche Politik: Liberalisierung versus Ressourcenschutz162
6.2.2 Zivilgesellschaftliches Engagement in der Wasserversorgung167
6.3 Das Pilotprojekt El Guerdane zur Bewässerungsversorgung171
6.3.1 Die Rolle des privaten Unternehmens172
6.3.2 Die Partnerschaft: Privatisierung als „Royalisierung“?176
6.3.3 Konzeptionelle Schwächen des Projektes182
7 Wasserkonflikte und Kooperation in El Guerdane187
7.1 Die Konfliktparteien der Auseinandersetzungen um Wasser188
7.2 Wachsende ökologische Disparitäten zwischen Landwirten191
7.2.1 Höhere Verluste an bewässerter Ackerfläche bei Kleinbauern191
7.2.2 Tiefenbohrungen bei Großbauern stärker verbreitet194
7.2.3 Wasser- und Landzugang bedingen Anbau lukrativer Produkte195
7.3 Ökologische und sozioökonomische Unterschiede verstärken sich198
7.3.1 Ungleiche Verteilung alternativer Einkommensquellen199
7.3.2 Geringe Bedeutung des Bildungsstandes201
7.3.3 Schlechterer Marktzugang für Kleinbauern202
7.4 Anbaufläche und Wasserzugang beeinflussen Konflikthäufigkeit204
7.4.1 Großbauern seltener von Konflikten um Bewässerung betroffen205
7.4.2 Schlechte Wasserversorgung erhöht Konfliktwahrscheinlichkeit208
7.5 Der Erfolg von Vermittlern in Wasserkonflikten210
7.5.1 Die Legitimität der Vermittler211
7.5.2 Vermittlungserfolge abhängig von Schlichter und Konflikttyp212
7.6 Zwischenfazit: Wasserkonflikte und Machtpolitik in El Guerdane218
7.6.1 Die Verschärfung von Armut und Wasserkonflikten219
7.6.2 Die öffentlich-private Partnerschaft als Machtpolitik222
8 Lokale Wasserkonflikte als Spiegel nationaler Machtverhältnisse226
8.1 Machtverhältnisse im Wandel: Königshaus, Bevölkerung, Eliten226
8.1.1 Die neuen Strategien des Makhzen227
8.1.2 Perspektiven der politischen Liberalisierung230
8.1.3 Der neue Regel- und Institutionenpluralismus233
8.1.4 Die Gefährdung der Legitimität von Regierung und König237
8.2 Perspektiven für die Transformation von Wasserkonflikten240
8.2.1 Wasserkonflikte als soziales und politisches Phänomen241
8.2.2 Die Möglichkeiten der Interessensverhandlung242
8.2.3 Die Schlüsselrolle von Vermittlern auf der intermediären Ebene243
8.2.4 Günstige Zeitpunkte für neue Strategien244
8.3 Weiterer Forschungsbedarf245
9 Handlungsoptionen zum Umgang mit Wasserkonflikten248
9.1 Prävention von Wasserkonflikten verstärken248
9.2 Wasserpolitik als gesellschaftliche (De-) Stabilisierung verstehen251
9.2.1 Nationale und internationale Veränderungen begleiten252
9.2.2 Nationale Wasserpolitik konfliktsensibel gestalten254
9.3 Konfliktpotentiale erkennen, Transformation unterstützen255
9.3.1 Strukturelle Konfliktpotentiale erkennen255
9.3.2 Konflikte durch Wasserprojekte vermeiden257
9.3.3 Konfliktsensible Gestaltung öffentlich-privater Partnerschaften259
9.3.4 Konfliktsensible Projektkonzeption und -evaluation261
9.4 Konstruktiv mit Wasserkonflikten umgehen262
9.4.1 Bewusstsein um Konflikte und Austragungsformen schärfen262
9.4.2 Konstruktive Transformation von Konflikten verbessern263
Fazit267
Literaturverzeichnis273

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