Wahlen in demokratischen Staaten nehmen eine herausragende Stellung im politischen Prozess ein, sie sind in der Regel das wichtigste Instrument, über das die Bürger ihren politischen Willen artikulieren. Im Grundgesetz, Artikel 20, Absatz 2 ist geregelt, dass die Staatsgewalt durch das Volk in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt wird. Das demokratische Ideal besteht darin, dass alle freien Bürger an der politischen Willensbildung und am Prozess der Machtzuteilung teilnehmen. Und nur demokratische Wahlen können die allgemeine, gleichwertige und zudem auch mit vergleichsweise geringen sozialen Kosten verbundene Teilnahme aller am politischen Geschehen ermöglichen.[49] Allgemeine, gleiche und freie Wahlen auf der Basis des offenen, über Argumente ausgetragenen pluralistischen Wettbewerbs sind konstitutive Merkmale der repräsentativen Demokratie.
Wahlkämpfe sind generell ein zwischen den konkurrierenden Parteien ausgetragener Wettbewerb um die Zuweisung der politischen Herrschaft für einen bestimmten Zeitraum. Damit Wähler Eindrücke von den politischen Akteuren, von ihren Aktivitäten und Plänen sowie ihren Leistungen erfahren, um Entscheidungen treffen zu können, benötigen sie Informationen. Deshalb ist der Prozess der politischen Informationsvermittlung eine Voraussetzung für jede Wahl. Politische Informationen ermöglichen es dem Wähler, sich in der politischen Welt zu orientieren, sie sind der Rohstoff für politische Entscheidungen.[50]
Der Wahlkampf dient „als Werbung der Parteien zur Überzeugung der Wähler sowie der gegenseitigen Information von Wählern und Gewählten, aber auch zur Motivation und Mobilisierung der eigenen Mitglieder.“[51] Regelungen, die den Wahlkampf unmittelbar betreffen, gibt es in Deutschland nur wenige, z.B. ist die Dauer nicht genau festgelegt. Da bundesdeutsche Wahlkämpfe in den permanenten politischen Prozess eingebettet sind, ist es schwierig, den Beginn eines Wahlkampfes zu bestimmen. Doch die Autoren Anita Steinseifer-Pabst und Werner Wolf haben versucht, ihn in drei Phasen zu unterteilen, die Vorbereitungszeit, die Vorwahlkampfzeit und die Schlussphase. In der Vorbereitungszeit wird die allgemeine politische organisatorische Planung erstellt. Sie endet nach 2/3 bis 3/4 der Legislaturperiode. Dann beginnt die Vorwahlkampfzeit, in der die genaue Kalenderplanung erfolgt sowie die politischen, organisatorischen und werblichen Termine, Aktionen und Arbeiten bis zum Wahltermin vereint werden. Die Schlussphase, in etwa die letzten vierzig Tage vor Wahltermin, ist der Höhepunkt der politischen und werblichen Wahlkampfaktionen.[52]
Die Wahlbeteiligung bei Wahlen geht tendenziell seit Jahren zurück. Das Fernbleiben kann sowohl ein bewusst politisches Signal sein als auch einfach nur Ausdruck der Enttäuschung bzw. Lustlosigkeit. Traditionelle Wahlkampfveranstaltungen der Parteien haben nur noch Zulauf, wenn Führungspersönlichkeiten mit hohem Bekanntheitsgrad aus dem Fernsehen als Redner aufgeboten werden. Die abgeschotteten innerparteilichen Kommunikationswege und die klassische One-Way-Kommunikation im Wahlkampf, sprich Plakate, Verteilung von Prospekten etc., haben das Engagement von Bürgern in Parteien zunehmend unattraktiv werden lassen.[53]
In der heutigen Zeit bedeutet es für die Wähler, in einer Multioptionsgesellschaft zu leben und politisch aktiv zu werden. Eine Multioptionsgesellschaft im politischen Sinne bedeutet kein größeres Spektrum an Parteien und Kandidaten, sondern immer wieder neue Angebote und Inszenierungen, die aufgeboten werden, um Wähler zu fangen. Wähler erwarten für ihre Stimmen eine Gegenleistung und das nicht nur in interessenkonformen Sachpolitiken, sondern auch in symbolischer Politik, d.h. in einer attraktiven Präsentation dieser Sachpolitik durch professionell inszenierte Darstellungs- und Vermittlungskommunikation. Jede Maßnahme muss effektvoll verkauft werden, da sonst Stimmungstiefs drohen, die zu Stimmenverlusten führen können.[54]
Die Profilierung von politischen Kandidaten und Kandidatinnen sowie den Programmen vollzieht sich in immer stärkerem Maße über die Medien. Die Chance zum direkten Dialog besteht auf der Ebene des Bundestagswahlkampfes nicht. Wahlen sind in modernen Massendemokratien ohne die Vermittlungsleistung der Massenmedien kaum mehr denkbar, denn die Berichterstattung ihrerseits bildet eine Brücke zur Politik.
Die naheliegendeste Form der Darstellung von Wahlkampf ist der Politiker selbst, er ist sozusagen der Kopf abstrakter Themen. Es heißt nicht umsonst, dass Menschen eher Personen wählen anstatt Wahlprogramme. Und außerdem liefern Köpfe das, was Fernsehmacher lieben und am dringendsten brauchen, nämlich Bilder und Emotionen.
Doch leider sieht der Zuschauer meist nicht den wahren Menschen, sondern das auf Hochglanz polierte und von PR-Berater konzipierte Produkt, bei dem selbst die Kleidung und die Brille optimiert sind. Solche Wahlkampfauftritte werden fernsehgerecht inszeniert.[55]
„Wahlkämpfe sind ein Ritual, aber beileibe kein überflüssiges oder inhaltsleeres, sondern eines, ohne das die parlamentarische Demokratie gar nicht überlebensfähig wäre.“[56]
Bei früheren Wahlkämpfen fanden Tests zur Öffentlichkeitstauglichkeit der Kanzlerkandidaten bzw. Spitzenkandidaten auf Straßen und Plätzen, in Bierzelten und beim Bad in der Menge statt.
Der Wahlkampf der 1950er Jahre zeichnete sich durch starke Parolen, tiefe Symbolik und den Einsatz erster Agenturen für Wahlwerbung aus. Die CDU mit Konrad Adenauer professionalisierte die Wahlkämpfe 1953 und 1957, indem sie auf Meinungsforschung setzte und erste Agenturen für ihre Wahlkampfwerbung schaltete. Den Mittelpunkt der Wahlkampagne bildete die Person des Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Sowohl die direkte als auch die redaktionelle Wahlwerbung wurde über das Bundespresseamt verbreitet und ebenso erfolgreich für diese Zwecke erwies sich die geschickte Interviewpolitik Adenauers. Des Weiteren wurden für die Wahlkampfwerbung Sonderzüge, spektakuläre Auslandsreisen und geschickt inszenierte Parteitage eingesetzt. Der Wahlkampf dieser Zeit zeichnete sich vor allem durch Plakat- und Printwahlwerbung aus.
In den Wahlkämpfen der 1960er Jahren war das erste Mal ein amerikanischer Einfluss auszumachen. Die Erfolge der CDU führten dazu, dass alle Parteien sich die Techniken moderner Wahlkampfführung zu Nutze machten und somit ebenfalls Mittel der Meinungsforschung und unterhaltender Werbespots einsetzten. Im Wahljahr 1961 setzte auch die SPD erstmals darauf, ihre Wahlkampagne an eine Person auszurichten und nahm sich für ihren Spitzenkandidaten Willy Brandt den amerikanischen Kennedy-
Wahlkampf von 1960 zum Vorbild, der sich u. a. durch privatisierende Wahlwerbeelemente wie z.B. J. F. Kennedy und seine Familie auszeichnete. Da die Leitung der Wahlkämpfe im Allgemeinen inzwischen von Werbemanagern übernommen wurde, kam es zu weniger programmatischen Aussagen, stattdessen standen die Spitzenkandidaten im Vordergrund, die eine politische Botschaft vermitteln sollten. Zu den traditionellen Wahlwerbemitteln wie Plakat, Inserat, Flugblatt, Straßenwahlkampf und Wahlkundgebung trat als neues und immer wichtiger werdendes Medium das Fernsehen hinzu. Mit dem Wahljahr 1969 gab es erstmals einen Fernsehwahlkampf.
In den 1970er Jahren gewinnt das TV massiv an Bedeutung, es gab u. a. übertragene Fernsehdebatten zwischen den Spitzenkandidaten der Parteien und im öffentlich-rechtlichen Fernsehen platzierte Wahlwerbespots. Diese nahmen ab diesem Zeitpunkt eine zentrale Rolle in den Medienkampagnen ein. Die Zuschauerzahl bei der Bundestagswahl 1972 betrug 84%.
Klare Tendenzen zur Personalisierung des Wahlkampfes gab es bei den Wahlkämpfen in den 1980er Jahren. Bei der Bundestagswahl 1980 standen sich zwei starke Persönlichkeiten gegenüber, auf der einen Seite der SPD-Spitzenkandidat Helmut Schmidt, auf der anderen Seite der CDU/CSU-Spitzenkandidat Franz Josef Strauß. Sie hatten stark entgegengesetzte Positionen und Politikauffassungen. Zu einer Vielzahl von Gesprächsrunden oder Sondersendungen mit wechselnden Parteivertretern kam es aufgrund des beginnenden dualen Systems des Rundfunks mit einer Vielzahl von öffentlich-rechtlichen und privaten Fernseh- und Hörfunksendern. Dadurch begünstigt verstärkten sich die Selbstinszenierungen der politischen Akteure. Auch die Verwendung der Meinungsumfragen veränderte sich. Inzwischen wurden die Meinungsumfragen von den Medien selbst in Auftrag gegeben, womit sie eigenständige Themen setzten.
Zum ersten gesamtdeutschen Wahlkampf kam es 1990. Für die Wahlwerbung war diesmal kein Medium besonders wichtig oder wahlbestimmend, weder im Bereich der direkten Wahlwerbung noch in der redaktionellen Berichterstattung. Die bezahlte Werbung der Parteien, u. a. Werbespots und...