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Weltweite Welten

Internet-Figurationen aus wissenssoziologischer Perspektive

VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl382 Seiten
ISBN9783531910338
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis40,00 EUR
Auf allen Ebenen (kulturell, ökonomisch, politisch u.s.w.) verbindet sich mit der Entwicklung des Internets ein bedeutsamer Wandel von Handlungs- und Erfahrungsbedingungen. Im Zuge der 'Online-Vergesellschaftung' (Jäckel/Mai) ändern sich Voraussetzungen, Potentiale, Zwänge und Probleme der Wirklichkeitskonstruktion grundlegend und systematisch.
Der Band versammelt Untersuchungen, die diesem Wandel mit wissenssoziologischen Mitteln nachgehen. Privilegiert wird eine Perspektive, die alle relevanten sozialen Ordnungsebenen einschließt (Interaktion, Feld/Subsystem, Gesellschaft), ein Netzwerkkonzept beinhaltet, den Akteur fokussiert und historisch-differenzierungstheoretisch ausgerichtet ist.


Dr. Herbert Willems ist Professor für Soziologie an der Universität Gießen.

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Leseprobe
Professionalisierungs- und Inszenierungs- strategien in der beruflichen Netzkommunikation (S. 223-224)

Michaela Goll

1. Einleitung

Anhand empirischer Daten wird im folgenden gezeigt, wie die Praxis eines durch neue Kommunikationsmedien geprägten Arbeitsalltags aussieht. Grundlage der vorliegenden Untersuchung ist eine Fallstudie zu einem vernetzten Unternehmen. Es handelt sich dabei um eine Beratungsgesellschaft mit 2 Mitarbeitern, die Großunternehmen im Bereich IT-Strategien und Technologien berät.2 Die zu verrichtenden Aufgaben – vorwiegend individuelle Arbeiten am Computer und Beratungstätigkeiten für Kunden – ermöglichen und erfordern Arbeit an verschiedenen Orten und zu flexiblen Arbeitszeiten. Die Gelegenheit zur Erhebung der Daten bot sich durch eine 5monatige Arbeitstätigkeit im untersuchten Unternehmen.

Da sich der größte Teil der Arbeit in dem vernetzten Unternehmen am Computerbildschirm abspielt, besteht das Datenmaterial primär aus schriftsprachlich konstituierten Texten (E-Mails, HTMLSeiten und Bildschirmmitschnitte). Ergänzt wird dieses durch Video-Aufzeichnungen der Arbeit von Firmenmitgliedern am Computerbildschirm sowie durch Feldnotizen, in denen vor allem über die Face-to-face-Interaktionen berichtet wird. Die Studie verbindet damit den ethnographischen mit dem registrierenden Zugang und kann so den erforderlichen Kontext mit einbeziehen.

Wie das soziale Feld der Arbeit mit seinen spezifischen Konditionen den Gebrauch der elektronischen Medien bestimmt, zeigt sich an der Professionalisierung der betrieblichen Netzkommunikation durch (a) den gezielten Umgang mit den durch die Kommunikation erzeugten (Wissens-)Inhalten, (b) die funktionale Integration der verschiedenen Medien, (c) die verschiedenen Formen der Inszenierung der virtuellen Tätigkeiten bzw. der virtuell erzeugten Arbeitswelt und (d) die an die Bedingungen der Netzwelt angepassten Pflege der Arbeitsbeziehungen bzw. der ritualisierten Beziehungsarbeiten. Diverse individuelle wie auch zentrale Lösungsmuster kommen dabei zum Tragen, so dass nicht nur ein gesicherter, sondern auch schneller Zugang zu den Daten möglich ist. Deutlich wird dabei, dass es nicht nur Medien und Praktiken für die Bewältigung der Wissensverteilung, sondern auch für die Vermeidung eines „information overflow" bedarf.

Verschiedene Inszenierungsstrategien ermöglichen zudem die Herstellung einer virtuellen Präsenz sowohl für den einzelnen Mitarbeiter, der sich und seine Arbeit damit sichtbar machen kann, als auch für das Unternehmen, dessen „face" durch die mediale Bündelung im Internet und Intranet erst hergestellt wird. Auch in der informellen Netzkommunikation lassen sich Professionalisierungsstrategien finden, die auf den (neuen) Kontext des medial vermittelten Arbeitens bezug nehmen. So wird die Beziehungsarbeit in dem beobachteten Unternehmen gezielt organisiert. Die Verwendung von Ironie und Humor im Arbeitsalltag, mit denen nicht nur Rollendistanz markiert werden kann, werden hier als Kennzeichen der Zugehörigkeit zu professionalisierten Gruppen aufgefasst. 2. Der gezielte Umgang mit den netzbasierten Kommunikationsinhalten

Das im beobachteten Unternehmen praktizierte Wissensmanagement sieht vor, dass alle Mitarbeiter jederzeit und von jedem Ort auf ihren Arbeitsgegenstand zurückgreifen können. Da die räumliche Verteilung sowohl eine kontinuierliche Einsicht in zentral am Firmensitz gelagerte Akten als auch den Zugang zu Informationen, die bei den einzelnen Mitarbeitern liegen, erschwert, wurde die papierbasierte Aktenführung zugunsten der elektronischen Form aufgegeben.

Das bedeutet natürlich nicht, dass das „papierlose Büro" praktiziert werden würde: Viele Mitarbeiter machen sich während ihrer Arbeit Notizen, drucken Dokumente aus, um sie besser rezipieren zu können oder greifen bei Meetings zu Visualisierungen. Um Informationen untereinander austauschen zu können, werden diese jedoch irgendwann in eine elektronische Form gebracht. Zu den über die verschiedenen Medien und Kommunikationsformen hinweg distribuierten Inhalten gehört dabei nicht nur das Wissen über Kunden und Arbeitsgebiete. Auch Informationen darüber, wo sich jemand gerade aufhält – beispielsweise einsehbar über den elektronischen Kalender des gemeinsamen Gruppenprogramms – oder mit welchen Aufgaben jemand gerade beschäftigt ist – darüber gibt ein „Aufgabenfeld" Auskunft – sind wichtig für das Arbeiten in vernetzten Strukturen.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt5
Einleitung7
Virtuelle Netzwerke – neue Formen der Kommunikation und Vergesellschaftung?22
1. Netzwerkbildung als Kulturtechnik der Moderne23
2. Auf dem Weg zur Netzwerkgesellschaft26
3. Reale und virtuelle Interaktion und Kommunikation29
4. Die Interaktionsordnung im Netz33
5. Beziehungsformen im Netz38
6. Soziale Unterstützung und soziale Bewegungen im Netz – Perspektiven für soziales Kapital und demokratische Partizipation?42
7. Herausforderungen für eine Erforschung virtueller Kommunikation: Die Welt als Text und Hypertext47
8. Virtuelle Netzwerke – eine neue Form von Vergesellschaftung und50
Literatur50
„Interaktivität“ neuer Medien – Illusion und Wirklichkeit aus der Sicht einer soziologischen Kommunikationsanalyse55
1. Einleitung55
2. Anthropomorphisierung und Dezentrierung neuer Medien57
3. Nutzung von (neuen) Medien im sozialen Kontext59
4. Interaktivität: Das Neue neuer Medien61
5. Interaktivität: Neue Beziehungen zwischen Menschen und Technik67
6. Schluss68
Literatur69
Die Telematisierung kommunikativen Handelns.72
1. Die Telematisierung kommunikativen Handelns72
2. Die alltägliche Aneignung und Nutzung von Medien der interpersonalen Telekommunikation. Eine kommunikationssoziologische Lesart der Schützschen Sozialphänomenologie75
3. Die Lebenswelt des Alltags als eine räumlich, zeitlich und sozial gegliederte Kulturwelt79
4. Kommunikation und telekommunikatives Handeln in der alltäglichen Lebenswirklichkeit82
5. Zum alltäglichen Umgang mit Medien als vergesellschafteten Kommunikationswerkzeugen88
6. Wege zu einer integrativen Theorie telekommunikativen Handelns in der alltäglichen Lebenswirklichkeit93
Literatur95
Virtualität, Identität, Gemeinschaft.99
1. Virtualität als Möglichkeitsraum100
2. Zum Zusammenhang von Identität und Gemeinschaft in der Gegenwartsgesellschaft101
3. Identitäts- und gemeinschaftsbildende Strukturen des Cyberspace102
4. Pilger, Spaziergänger, Vagabunden und Touristen – neue mobile Lebensformen im Netz106
5. Zerfall des Sozialen oder Aufbruch in eine neue soziale Zukunft?110
Literatur112
Vom Brockhaus zum WorldwideWiki114
1. Die neue „asymmetrische Konkurrenz“ zwischen Open Source Netzwerken und kommerziellen Unternehmen114
2. Die „Wiki“-Technologie als Instrument kumulativer kooperativer Schriftproduktion116
3. Die Wikipedia als enzyklopädisches Projekt118
4. Über die innovativen Potentiale, Grenzen und Risiken wikibasierter Enzyklopädien119
5. Schlussbetrachtungen132
Literatur137
Verteilte Wissensproduktion aus netzwerkanalytischer Perspektive1138
1. Einführung138
2. Das Wikipedia-Mysterium140
3. Eine Lösung!142
4. Die Bedeutung der positionalen Ebene bei Wikipedia148
5. Wissensproduktion und positionale Struktur am Beispiel eines Artikels150
6. Folgerungen158
Literatur159
Wissenstypen im „Web 2.0“ – eine wissenssoziologische Deutung von Prodnutzung im Internet162
1. Einleitung162
2. Web 2.0 und Prodnutzung163
3. Wissen im Web 2.0168
4. Prodnutzung als alltägliche Praxis der Wissenserzeugung: Das Beispiel der Weblogs175
5. Fazit179
Literatur180
Formationen und Transformationen der Selbstthematisierung.183
Von der unmittelbaren Interaktion zum Internet183
2. Institutionen der Selbstthematisierung186
3. Selbstthematisierung im Kontext direkter Schriftkommunikation200
4. Zusammenfassung und Schluss211
Literatur213
Professionalisierungs- und Inszenierungs- strategien in der beruflichen Netzkommunikation217
1. Einleitung217
2. Der gezielte Umgang mit den netzbasierten Kommunikationsinhalten218
3. Inszenierungsstrategien in der innerbetrieblichen Netzkommunikation224
4. Die Organisation der Beziehungsarbeit235
Literatur239
Zur Veränderung der Experten-Laien- Beziehung im Gesundheitswesen und in der Rehabilitation241
1. Vorbemerkung241
2. Experten- und Laienwissen in der Wissens- und Informations- gesellschaft und seine Auswirkungen im Gesundheitswesen243
3. Zum Wandel der Patienten- und Klientenrolle246
4. Die Rolle des Internets in der Gesundheitskommunikation250
5. Krebserkrankung und Internetnutzung – Ergebnisse einer Online- Befragung252
6. Konsequenzen für die Arzt-Patient-Beziehung257
Literatur259
Zwischen den Welten.262
1. Einleitung262
2. Soziale Interaktion und Mensch-Computer-‚Interaktion‘265
3. Der virtuelle Agent Max als ‚Interaktionsteilnehmer‘271
4. Reparaturen und Problembehandlungen im hybriden Austausch273
5. Zusammenfassung und Diskussion283
Literatur284
Anhang – Transkriptionskonventionen287
Spiel-Räume.288
1. Theoretische Vorbemerkung288
2. Das Wissen vom Spiel290
3. Die Exklusionen der Gesellschaften291
4. Spiel-Räume als Exklusionsbereiche296
5. Schluss: Gesellschaftsspiele306
Literatur308
Die Präsentation des Raumes im Videospiel311
1. Raum-Präsentationen314
2. Spielräume318
3. Schlussbemerkungen328
Literatur330
Sehnsüchtige Semantik.332
1. Neuer Markt und Neue Medien als Nische der Literatur332
2. Literatur als Differenz von Medium und Form335
3. Vom Archiv zum Netz. Kopräsenz und Simultanität: Raum statt Zeit337
5. Die unendliche Bibliothek. Paradigmen der Sehnsucht der Neuen Medien341
6. Alte neue Medien. Ein historischer Rückblick344
7. Textkunst im World Wide Web?350
Literatur352
„Taxonomische Kollektive“ – Zur Vermessung des Internets354
I.357
II.361
III.365
IV.370
Literatur372
Zu den Autorinnen und Autoren374

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