II.
Bestimme deine Reiseländer und Reisedauer
Theoretisch hast du die Freiheit, alle deine Wunsch-Reiseländer in beliebiger Reihenfolge zu besuchen. Du musst dich nicht an vorgefertigte Weltreise-Pläne halten. Aber in der Praxis macht nur eine überschaubare Anzahl von Routen Sinn.
Es gibt viele Gründe für bestimmte Länderkombinationen. Du willst schlechte Reisezeiten meiden, genauso wie gefährliche oder teure Länder. Der wichtigste Faktor sind aber die Flüge. Wenn du quer durch die Weltgeschichte fliegst, verbrätst du viel Geld und die Zeit »vergeht im Flug«.
Ein stark limitierender Faktor bei der Routenwahl ist die Reisedauer. Ein halbes Jahr oder gar ein Jahr zu reisen klingt nach einer Ewigkeit. Die Zeit wird aber schnell vergehen. Um wirklich etwas von der Welt zu sehen, sind selbst zwei oder drei Jahre nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Du musst also Prioritäten setzen.
Wie du das machst und welche Routen Sinn ergeben, erfährst du in diesem Kapitel. Bevor es losgeht, muss ich dich aber auf Reisegeschwindigkeit abbremsen. Eine Weltreise ist ein Marathon und kein Sprint. Mit drei Wochen Kurzurlaub kannst du von Ort zu Ort hetzen. Auf einer langen Reise hältst du so ein Tempo nicht durch.
Selbst wenn du länger Tourist spielen könntest, hättest du dich schnell sattgesehen an touristischen Highlights. Nach spätestens ein bis zwei Monaten fragst du nach dem Sinn jenseits von Attraktionen. Die Ziele auf einer langen Reise sind anders gelagert. Das Reisen an sich wird zum Alltag und tritt oft in den Hintergrund. Im Vordergrund steht deine innere Reise. Es geht um neue Eindrücke und Erfahrungen, die in dir nachwirken können.
Stell dir vor, du wachst eines Morgens auf und kannst völlig frei entscheiden, was du heute machen willst. Und am nächsten Tag passiert das Gleiche wieder und danach wieder. Das ist am Anfang ungewohnt, und du versuchst Struktur in den Tag zu bringen. Du machst Listen mit Sehenswürdigkeiten und verplanst den ganzen Tag.
Aber nach einigen Wochen macht es klick. Dann bist du auch mit dem Kopf in der Freiheit angekommen. Ab diesem Moment lässt du die Listen sein und hörst auf dein Bauchgefühl. Du hast deinen Flow gefunden. In einem normalen Jahresurlaub sitzt du, bevor das passiert, schon wieder im Büro.
Und in erster Linie geht es beim Reisen um Begegnungen mit Menschen. Du triffst fast jeden Tag neue Einheimische und Reisende. Manche Begegnungen berühren dich oder bringen dich zum Nachdenken. Wenn die Erinnerungen an mystische Ruinen mitten im Dschungel schon verblasst sind, leben die Menschen in deiner Erinnerung weiter.
1. Wie lange dauert eine Weltreise?
Ein Jahr ist die typische Dauer für eine Weltreise. In zwölf Monaten lohnt es sich, mehr als einen Kontinent zu besuchen. Kann man auch in drei oder sechs Monaten eine Weltreise machen? Möglich ist alles. Aber je weniger Zeit du für die gleiche Route hast, desto weniger hast du davon und desto höher liegen die Kosten pro Tag.
Wenn du eine Jahresroute in sechs Monaten abreisen willst, zahlst du quasi trotzdem für ein Jahr. Auch hast du den gleichen Aufwand für die Vorbereitung und die Planung. Wenn du erst mal Wohnung und Job gekündigt hast, ist es egal, ob du sechs, zwölf oder achtzehn Monate unterwegs bist. Wenn du dir wirklich nur ein halbes Jahr Zeit nehmen kannst, beschränke dich lieber auf einen Kontinent oder eine Region. Das kann Südostasien, Südamerika, Südasien, Mittelamerika, Ostasien oder Süd-/Ostafrika sein.
Nimm dir also für eine Weltreise mindestens ein Jahr frei. Noch besser: Reise eineinhalb Jahre. Dann tauscht du zwei deutsche Winter gegen sagenhafte fünf Sommer in Folge. Dann hast du eine richtige Auszeit und kannst dich einmal im Leben absolut ungebunden fühlen.
Zeit brauchst du nicht nur, damit du mehr Reiseziele sehen kannst. Zeit ist der ultimative Reisetipp. Zeit ist der einzige Unterschied zwischen einer Katastrophe und einer lustigen Reisegeschichte. Das geht sogar noch weiter: Zeit ist der größte Luxus auf Reisen und im Leben.
Langweilig wird dir mit mehr Reisezeit sicher nicht. Wenn du auf Reisen bist, werden deine Reiseträume nicht etwa kleiner, sondern größer. Es gibt mehr faszinierende Reiseziele, als du in einem Menschenleben kennenlernen kannst. Auch Langzeitreisende mit drei Jahren Zeit bekommen nur eine Kostprobe von dem, was die Welt zu bieten hat.
Diese Reise wird sicher nicht deine letzte sein. Nach der Weltreise wirst du viele neue Länder und Orte auf dem Schirm haben. Hebe dir daher ruhig ein paar Regionen und Kontinente für weitere Reisen auf. Es macht von den Kosten, dem Stressfaktor und der »kulturellen Tauchtiefe« mehr Sinn, eine Region gründlich zu entdecken, als fünf Regionen zwischen Tür und Angel zu besuchen.
Schnell heißt nicht günstig
Willst du möglichst viel in kurzer Zeit sehen, gibst du automatisch mehr Geld aus. Denn Schnelligkeit bedeutet:
- fehlende Flexibilität für günstige Flüge;
- weniger Nutzen von Fixkosten wie Visa, Flüge etc.;
- Flüge statt Überlandstrecken;
- Taxis statt öffentlicher Nahverkehr;
- geführte Touren statt Erkundungen auf eigene Faust;
- keine Zeit für die Suche günstiger Unterkünfte;
- keine Zeit zum Couchsurfen;
- keine Zeit, um ein Gefühl für die Preise vor Ort zu bekommen.
2. Wie lange willst du an einem Ort bleiben?
Du willst möglichst viele Länder besuchen. Andererseits willst du auch Land und Leute kennenlernen und nicht nur an der Oberfläche kratzen. Die Reisegeschwindigkeit ist ein Kompromiss zwischen der Zahl der Stempel im Pass und der Zahl der bleibenden Erinnerungen.
Eine gute Faustregel ist, etwa einen Monat pro Land zu planen. Für große Länder wie Indien und China ist ein Monat zu wenig Zeit. In kleinen Ländern wie Belize oder Uruguay reicht ein kurzer Besuch. Deine Lieblingsreiseziele wirst du außerdem länger besuchen wollen als andere. Das mittelt sich ungefähr aus.
Die Reisegeschwindigkeit ist ebenfalls individuell. Ohne Erfahrungen aus einer mehrmonatigen Reise kannst du dein persönliches Reisetempo schwer abschätzen. Mit einem neuen Reisepartner weißt du erst recht nicht, wie schnell ihr zusammen seid. Das Tempo ändert sich sogar im Lauf der Weltreise und ist nicht zuletzt von Tagesform und Wetter abhängig.
Im ersten Monat verhalten sich viele Weltreisende wie Urlauber. Sie klappern Attraktionen im Akkord ab. Das Touristenprogramm ist jedoch auf Dauer zu stressig und wird überraschend schnell langweilig. Du wirst bald Alternativen zum Tourismus suchen und auch Urlaub vom Reisen machen.
Es gibt sogar Burn-out beim Reisen. Wenn du zu lange jeden Tag das Gleiche machst, verlierst du die Lust am Reisen. Verändere dann deinen Reisestil. Verweile zum Beispiel in einer interessanten Stadt oder lege die Beine hoch auf einer Insel. Vielleicht gibst du deiner Reise auch einen tieferen Sinn und besuchst einen Kochkurs, beschäftigst dich mit Yoga oder lernst eine Sprache.
Auch die Besuchsdauer pro Ort unterscheidet sich stark. Es gibt Eintagsfliegen, genauso wie Orte, in denen du mehr als eine Woche verweilen willst. Lege dich vorher nicht zu stark fest, sonst beraubst du dich deiner Freiheit, zu verlängern oder zu verkürzen. Es wird immer wieder Reiseziele geben, die dich überraschen, positiv wie negativ.
»Nichts Überraschendes oder Wundervolles wird passieren, wenn du in Paris bist, um Louvre und Eiffelturm anzusehen.«
Anthony Bourdain
Bleibe deshalb bei der Planung vor Ort möglichst spontan. Du bist erst dann frei, wenn du reagieren kannst, egal ob auf eine Magenverstimmung oder eine interessante Begegnung. Unterkünfte und Fernbusse kannst du auch noch einen Tag vor der Abreise oder sogar zeitnah buchen. Kurzstreckenflüge und längere Zugstrecken buchst du ein paar Tage voraus. Nur Langstreckenflüge haben ein Buchungsfenster von mehreren Wochen.
Je weniger Flugzeuge du von innen siehst, desto besser. Überlandreisen sind nicht nur günstiger, sondern auch flexibler. Buche Flüge in das Land und aus dem Land. Dazwischen suchst du deinen eigenen Weg mit Bus, Bahn oder Boot. Auch mehrere Länder kannst du so auf dem Landweg verbinden.
Top-10-Listen hindern dich daran, in die Atmosphäre eines Ortes einzutauchen. Den ersten Tag in einer interessanten Stadt plane ich deswegen nicht, sondern versuche zu Fuß in den Gassen verloren zu gehen. Die Must-sees lassen sich immer noch am zweiten oder dritten Tag nachholen – wenn du das dann noch willst.
Lasse die Besuchsdauer pro Ort offen
Versuche dir deine Spontaneität so gut wie möglich zu bewahren. Es gibt viele Gründe, warum du nicht voraussagen kannst, wie lange du an einem Ort bleiben willst:
- Die Geschwindigkeit ändert sich im Lauf der Reise.
- Du weißt vorher nicht, wie gut dir ein Ort gefällt.
- Du triffst interessante Menschen mit eigenen Plänen.
- Eine Magenverstimmung reicht, um Pläne zu durchkreuzen.
- Tagesform und Wetter beeinflussen eine Weiterreise.
3. Welche Überlandstrecken lohnen sich?
Mit dem Finger auf der Karte reist es sich schneller als vor Ort. Ja, Überlandreisen können einfach und schnell sein, aber meist sind sie langwierig und beschwerlich. Es gibt sogar Flaschenhälse, durch die du über Land schwer oder gar nicht kommst. Es ist zum Beispiel sehr...