2. Die lieben Kollegen – Konflikte im Team
Die meisten Unternehmen und Einrichtungen finden Teamarbeit sehr gut. Wenn komplexe Probleme anstehen – so die Auffassung –, kann ein Team diese viel besser bewältigen als ein einzelner Mitarbeiter. Denn es sind ergänzende Kompetenzen notwendig, um rasch zu einer Lösung zu kommen. Diese Annahme trifft sicher auch zu, bis auf das kleine Wörtchen „rasch“. Denn immer, wenn Menschen zusammenkommen, funktioniert viel, aber fast nichts mehr schnell. Die Abstimmungsprozesse nehmen dann fast genauso viel Zeit in Anspruch wie die eigentliche Arbeit.
Kosten und Konfliktpotenzial
Viele kreative Köpfe, so meint man, müssten doch zu einem wenn auch nicht schnellen, aber dennoch sehr guten Ergebnis gelangen. Das mag auch sein. Nicht umsonst steht heutzutage hinter jedem Nobelpreisträger ein ganzes Team. Alleine kann in einer komplexen Welt niemand mehr viel ausrichten. Dennoch verursacht die Teamarbeit Kosten und ein Konfliktpotenzial, das häufig unterschätzt wird.
Ein wichtiges Thema ist in diesem Zusammenhang auch der Faktor „Zeit“. Viele Führungskräfte erwarten bei einem minimalen Einsatz von Zeit einen maximalen Output. Teammitglieder brauchen Zeit, um sich aneinander zu gewöhnen, um sich in der Arbeit kennen zu lernen und um dann erfolgreich Projekte stemmen zu können. Ein perfektes Zusammenspiel entsteht nur dann, wenn man sich gegenseitig gut kennt. Aber auch in einem wunderbar eingespielten Team gibt es einen Knackpunkt: Ist das Team zu gut eingespielt, dann kann es sich nicht mehr so flexibel wie zuvor verhalten. Es arbeitet in bestimmten bewährten Mustern, die aber möglicherweise der aktuellen Situation gar nicht entsprechen. Die Teammitglieder selbst bemerken das meist nicht.
Verschiedene Vorstellungen
Selbstüberschätzung
Die meisten Menschen halten das, was sie im Kopf haben, für selbstverständlich und richtig. Und auch ihre Gefühlswelt erleben sie als objektiv. Und nicht nur das, eine neuere Untersuchung der Harvard-Universität wies sogar nach, dass sich die meisten Menschen besser als andere fühlen. Sie glauben, sie könnten besser und konzentrierter arbeiten und würden, wenn sie die Aufgaben der anderen zu erledigen hätten, diese deutlich besser abschließen. So bewerten sie ihren Anteil, den sie an einer Teamarbeit geleistet haben, deutlich höher als den Anteil der anderen Personen. So viel Selbstüberzeugung führt dazu, dass man auch die Vorgehensweisen und die Abläufe, die man sich selbst ausdenkt, um zu einem Ziel zu kommen, für deutlich besser hält als die der Kollegen. Und das wiederum erklärt, warum oft um Abläufe so sehr gerungen wird.
Vor- und Nachteile von festen Vorgehensweisen
Dieses eigene Wissen um die beste Vorgehensweise sammeln wir nicht bewusst an. Es entsteht im Laufe der Zeit aufgrund von Erfahrungen. Das heißt, je mehr Erfahrungen wir gesammelt haben, umso sicherer sind wir uns in unserer Argumentation und in unserem Tun. Oft haben wir ganz klare Abläufe und Pläne vor Augen, bis ins Detail ausgefuchst. Dass diese festen Vorstellungen über Abläufe sehr hilfreich sein können, ist unbestritten. Sie helfen, sich in einem komplexen Leben zurechtzufinden und unterstützen dabei, sich eine Meinung zu bilden – auch wenn nicht genügend Informationen da sind.
Feste Vorstellungen darüber, wie die Dinge am effektivsten zu tun sind, können aber auch die Wahrnehmungsfähigkeit einschränken und Konflikte produzieren. Denn sie führen dazu, dass man wertvolle Informationen übersieht, weil die Vorstellungen das geistige Auge lenken. Und dabei bemerkt man überhaupt nicht, was man alles übersieht.
Damit lässt sich auch erklären, warum viele Menschen ihre eigene Arbeitsleistung im Verhältnis zu anderen überschätzen: Sie bemerken gar nicht wirklich, was die anderen tun, weil sie so sehr mit sich selbst beschäftigt sind.
Beispiel
Folgendes Gespräch in der Weiterbildungsabteilung macht das deutlich. Die Kollegen wollen das etablierte Führungstraining verändern, weil es viele negative Rückmeldungen gab. Die Kritik betraf die Trainer als Personen, aber auch die Inhalte:
Jörg: | „Also, ich bin wirklich überrascht über so viele schlechte Rückmeldungen. Wir sollten nun noch einmal die Teilnehmer genauer befragen, was sie eigentlich erwarten.“ |
Daniel: | „Das ist doch völliger Blödsinn. Da bekommen wir nur sehr unterschiedliche Auffassungen, was ein gutes Training ausmacht. Die Teilnehmer wissen doch nur, dass ihnen das heutige Angebot nicht gefällt. Aber sie haben keine Idee davon, wie es anders aussehen und was man machen könnte. Ich denke, wir alle sollten auf Fortbildungen fahren und uns neue Ideen holen.“ |
Heike: | „Das heißt aber noch lange nicht, dass wir dann Trainings machen können, die für die Führungskräfte richtig sind. Ich finde, unsere Führungskräfte müssen auf so etwas wie eine Führungskultur eingeschworen werden, und diese ergibt sich aus der Unternehmensphilosophie mit den Werten und Haltungen.“ |
Sylvia: | „Die Kultur ist es für mich nicht. Mir geht es nur um Ziele. Was ist unser Unternehmensziel? Wenn das klar formuliert ist, dann wissen wir auch, was die Führungskräfte können müssen, um dem Ziel gerecht zu werden. Schließlich werden sie an nichts anderem als an den für sie relevanten Zielen gemessen. Da brauchen wir weder eine Kultur – die nebenbei gesprochen sowieso sehr veränderungsresistent ist – noch Qualifizierungen und neue Ideen. Lasst uns doch endlich mal von dem Soft-Quatsch weggehen und uns um die relevanten Dinge kümmern.“ |
Jeder hält seine Idee für die beste
Alles gute Ideen. Mit jedem Ansatz wird man Ergebnisse bekommen und das Thema sinnvoll weiterentwickeln. Wahrscheinlich ist es am besten, man geht von allen Seiten an das Thema heran. Auffällig bei diesem Gespräch ist nur, dass jeder seine Idee für die beste hält und die anderen Ideen abwertet. Nachdem jeder seinen Standpunkt geäußert hat, erwarten wir keine sinnvolle Diskussion, sondern es wird eher um ein „Recht haben“ gehen. Wer wird sich mit seiner Idee durchsetzen? Wahrscheinlich diskutieren die vier einige Stunden und kommen zu keinem Ergebnis. Schade, denn es sind wirklich alles gute und wichtige Ansätze.
Dieser Fehler passiert vielen Teams. Sie führen eine Diskussion, in der es immer wieder um ein „Entweder-oder“ geht. Sie verlieren alle Möglichkeiten, die ein „Sowohl-als-auch“ implizieren, aus den Augen und konzentrieren sich nur auf die jeweilige eigene Idee. Solche Diskussionen sind zum Scheitern verurteilt und werden häufig durch einen Schiedsspruch des Vorgesetzten beigelegt. Die Chance, mit größtmöglichem Fachwissen die beste Entscheidung zu finden und ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen, wird vertan.
Möglichkeiten der Konfliktbeilegung
In solchen Situationen gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Konflikt beizulegen. Zum einen kann die Führungskraft, die als „Schiedsrichter“ hinzugebeten wird, als Konfliktmediator fungieren. Das gelingt nur, wenn sie selbst ihre Meinung zu dem Thema heraushalten kann. Hier wäre der Ansatzpunkt zu schauen, welche Kriterien das Ergebnis erfüllen soll, um dann auf das Vorgehen rückschließen zu können. Zum anderen könnte man vereinbaren, dass jeder der vier seine Idee einmal ausarbeitet und einen Konzeptvorschlag macht. Dann wird versucht, die Konzepte miteinander in Verbindung zu bringen und das Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten.
Unterschiedliche Vorstellungen von Abläufen beschäftigen nicht nur Teams. Auch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter können sie zu einem zentralen Thema werden. So mancher Mitarbeiter ist schon deswegen in der Probezeit entlassen worden. Die Vorstellungen, wie miteinander gearbeitet wird, passten einfach nicht zusammen. Besonders in Großunternehmen wird erwartet, dass neu hinzukommende Mitarbeiter und Führungskräfte sich möglichst schnell den bestehenden Gepflogenheiten anpassen. Diese Neulinge kommen aber aus anderen Kontexten und bringen ganz andere Vorstellungen davon mit, wie miteinander umgegangen wird. Sie ecken daher schnell an, wenn sie nicht einem wohlwollenden Chef oder Mentor zugeordnet sind, der sie auf die wichtigsten Stolperfallen aufmerksam machen kann.
Beispiel
Einer jungen Frau wurde beispielsweise, nachdem sie nach Rücksprache und Zustimmung ihres neuen Chefs eine Fremdfirma beauftragt hatte, die Kündigung mit den lapidaren Worten auf den Tisch gelegt:
„Ich musste davon ausgehen, dass Sie wissen, dass hier keine Beauftragung ohne schriftliche Genehmigung erfolgen darf. Sie kommen schließlich auch aus einer großen Firma.“
Die junge Frau war ein ganz anderes Arbeiten gewöhnt. Zwischen ihr und ihrem früheren Chef lief alles auf Zuruf. Die starren Strukturen des Konzerns waren ihr fremd. Sie hat wie gewohnt gehandelt und darüber ihren Job...