1DU WIRST NICHT BLEIBEN, WIE DU BIST. Früher war ich überzeugt davon, dass ich irgendwann nichts mehr dazulernen würde. Mittlerweile weiß ich, dass ich die wichtigsten Erkenntnisse meines irdischen Daseins womöglich noch vor mir habe. Auch in der Persönlichkeitspsychologie herrschte bis vor wenigen Jahren die Auffassung, dass der Charakter mit etwa dreißig Lebensjahren ausgebildet sei und dann auch so bliebe. In den vergangenen Jahren haben Forschungsergebnisse von Neurowissenschaftlern jedoch gezeigt, dass sich unsere Persönlichkeit während des gesamten Lebens verändern kann. Die moderne Hirnforschung beschenkt uns hier mit einer bahnbrechenden Erkenntnis: Kein Hirn ist jemals „fertig“ konstruiert. Es kann sich bis zum Tod verändern. Die Verästelungen wachsen zwar mit der Zeit langsamer, doch selbst im Alter vernetzen sie sich neu.
Das berichten auch Forscher der Harvard Medical School in Boston. Ihre Studien zeigen, dass die Umstrukturierung unseres Gehirns in persönlichen Wachstums- und Veränderungsphasen überdies innerhalb weniger Wochen erfolgt. So ist es unserem Denkorgan tatsächlich möglich, innerhalb kurzer Zeiträume auf neue Ideen und Herausforderungen zu reagieren und sogar dort neue Gedanken-Autobahnen zu legen, wo bisher keine vorhanden waren.
Wenn dir also demnächst mal wieder jemand sagt: „Bleib, wie du bist!“, dann frage dich: Kann ich in einem Monat oder einem Jahr überhaupt noch derselbe Mensch sein wie heute?
Persönlichkeitsentwicklung ist ein Prozess, der niemals abgeschlossen ist. Persönlichkeitsentwicklung bedeutet, dass wir reflektierter und damit am Ende auch stärker werden. Jeder kleine Schritt in diese Richtung ist für sich genommen schon ein Erfolg.
Fazit
Lebe und liebe die Bewegung, die Veränderung, das Weitergehen. Jeden Tag verändert sich unser Umfeld. Jeden Tag verändert sich unser Körper. Mit jedem Gedanken und jeder Handlung verändern wir uns. Wäre ein Leben ohne Veränderung nicht schrecklich grau und langweilig, starr und vorhersehbar?
2Die Routinen der Unauffälligen. Als Kinder haben wir schwärmerische Vorstellungen von unserer Zukunft. Wir wollen Eroberer oder Astronautin werden, Schauspielerin oder Profi-Fußballspieler, Model, manchmal auch Lokführer oder Erfinderin. Wir sind mutig, frech, zuversichtlich, wild und voller Ideen. Dann kommt die Schule. Plötzlich ist alles anders. Talente und besondere Begabungen spielen keine große Rolle mehr, das Wilde und Forschende wird gezähmt und verbannt. Später kommt das Berufsleben. Zu Beginn erleben wir eine gewisse Euphorie, doch nach einer Weile verblasst die Farbe. In der Welt der Erwachsenen sollen wir logisch denken, unsere Intuition ablegen, uns die Flausen aus dem Kopf schlagen, Verantwortung übernehmen. Alles dreht sich um Pünktlichkeit, Systeme und Prozesse.
„Du bist vernünftig geworden“, sagen die einen. Andere meinen: „Er ist nun ein schrecklicher Spießer und tut Dinge, die er nie wollte.“ Vielleicht haben beide recht. Die Aufgaben und Rollen unseres Lebens verändern uns. Und so wachen wir irgendwann morgens auf – und haben kaum noch etwas mit der Person zu tun, die wir mal sein wollten. Wir verbringen Jahre unseres Lebens in einer vermeintlichen Komfortzone, ohne zu wissen, wer wir sind und was wir wollen. Wir treiben durch das Meer der Möglichkeiten wie ein Schiff ohne Steuermann – hoffend, dass keine allzu großen Stürme aufziehen. Wir übernehmen die Routinen der Unauffälligen. Wir versuchen zu überleben, machen es anderen recht, damit wir von ihnen gemocht oder geliebt werden. Wir wollen schließlich keinen Widerstand auslösen. Wir leben vor uns hin, obwohl wir doch instinktiv wissen, dass es da etwas gibt, das besser zu uns passt. Und letztlich ist uns sogar klar, dass diese Verdrängung in einem Gefühl der Sinnlosigkeit und Erschöpfung enden kann.
Mit einem schweren Herzen verhält es sich wie mit einem Stein. Das absolute Gewicht spielt keine Rolle. Es hängt davon ab, wie lange man ihn halten muss. Für eine Minute ist es überhaupt kein Problem. Wenn ich das Gewicht allerdings für eine Stunde halten muss, verspüre ich vermutlich bald einen stechenden Schmerz im Arm. Muss ich den Stein für einen ganzen Tag halten, wird der Arm irgendwann taub und verkrampft sich. Stress und Sorgen im Leben sind wie solche Steine. Eine kurzfristige Belastung ist kein Problem. Doch nach einer Weile sollte man den Stress und die Sorgen beiseite schieben.
Schließ doch bitte für ein paar Sekunden die Augen und stelle dir einen Raum ganz ohne Erdanziehungskraft vor. So, wie du ihn sicher schon in Aufnahmen von Raumstationen gesehen hast. Ein Raum ohne Erdanziehungskraft ist der beste Platz für dein schweres Herz. Schau, was in dieser Umgebung mit ihm passiert.
Fazit
Nimm deinem Herzen die „Schwer-Kraft“. Akzeptiere das Unangenehme im Alltag als notwendig und nimm es an. Alles hat nur die Bedeutung, die du ihm gibst.
3Warum dir ein Umzug nicht hilft. Ärgernisse, Krisen und Rückschläge gehören zum Leben dazu. Wahre Lebenskunst ist, aus diesen Phasen gefestigt hervorzugehen. Tiefe Einsichten gewinnst du, wenn der Boden wackelt, wenn Konflikte entstehen, wenn etwas fürchterlich schiefgeht. Denn da wirst du vor eine Herausforderung gestellt. Erkennst du in diesen Momenten, wie du die Herausforderung für dich nutzen kannst, schaffst du neue Verbindungen und Lernmuster in deinem Hirn. Lauf nicht davon, zieh dich nicht schmollend zurück, duck dich nicht weg vor den Reibungen in deinem Umfeld.
Früher habe ich bei Problemen und Widerständen den Job gewechselt oder bin umgezogen. Ich glaubte tatsächlich, meine Ärgernisse, Sorgen und Macken damit hinter mir lassen zu können. Doch wie dumm: Die Wurzeln des Übels, die kleinen Monster aus der Vergangenheit, reisten in den Umzugskartons mit und meldeten sich früher oder später bei mir zurück.
Die aufregendsten Chancen liegen nicht im Wegducken oder Schmollen, in der Verdrängung, dem neuen Job oder in brachialen Veränderungen wie zum Beispiel Umzügen. Das größte Abenteuer im Leben ist, herauszufinden, warum dir etwas – womöglich immer wieder – Probleme bereitet. Lauf nicht weg, sondern bleib dran. Erkenne den Ärger als eine wundervolle Möglichkeit zu wachsen. Schau dir die Ursache genauer an. Möchtest du perfekt sein? Der oder die Beste von allen? Versuchst du um jeden Preis, etwas zu vermeiden? Liebst du womöglich deine Opferrolle und ziehst dich immer wieder schmollend in die Ecke zurück? Vermeidest du Konflikte um jeden Preis? Wertest du dich selber ab, weil dein Selbstwertgefühl dir keine andere Wahl lässt? Kämpfst du einen Kampf, der sich vor allem gegen dich selbst richtet? Warum musst du dieser Situation überhaupt eine Bedeutung geben?
Die meisten Probleme offenbaren dir plötzlich jene Gefühle, die du bisher erfolgreich verdrängt oder überbewertet hast. Wenn du dich ihnen auf Dauer entziehst oder Mitmenschen die Verantwortung dafür gibst, verstärkst du nur eines: dein eigenes Leiden.
Fazit
Wenn du über Jahre immer wieder auf die gleichen Reibungsflächen und Konflikte mit dir und anderen stößt, dann lauf nicht weg, sondern bleib dran, bis du das Thema irgendwann auflösen kannst. Nur wenn du die Dinge angehst, die dir Ärger und schlechte Gefühle bereiten, kommst du zu neuen Lösungen, die dir einen anderen Umgang mit dem Problem ermöglichen. Wie sagte Albert Einstein so schön: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“
4Nochmal versuchen, wieder scheitern, besser scheitern. Als Baby nehmen wir alle irgendwann unseren Mut zusammen, ziehen uns langsam hoch und plumps – schon landen wir auf unserem Hintern. Monatelang üben wir das ohne aufzugeben, bis es irgendwann doch noch klappt. Es gibt wohl kein Baby, das sich nach zwei Monaten denkt: Och, ich lass das jetzt besser mal, das ist mir zu anstrengend.
Nur mithilfe von Mut, Durchhaltevermögen und aus der scheinbaren Niederlage heraus kann sich ungeahnt etwas Neues, Besseres entwickeln. „Wieder versuchen/Wieder scheitern/Besser scheitern“, schrieb der irische Schriftsteller Samuel Beckett („Worstward Ho. Aufs Schlimmste zu“, Suhrkamp, 2002). Lernen ist das Ergebnis von Beobachten, Verstehen, Nachmachen, Ausprobieren und grandiosem Scheitern. Nur auf diese Weise können wir eigene Lösungen finden. Am Anfang all dessen steht jedoch der Mut, es wirklich zu versuchen.
Nur in den wenigsten Veränderungsprozessen gelingt es uns, die inneren Konflikte zeitnah zu klären. Meistens streifen wir mit der Machete durch das Dickicht und erkennen dabei wenig bis gar nichts von unserem Ziel. Dabei geschehen mitunter seltsame Dinge, die uns zutiefst verwirren. Ist das der richtige Weg – oder doch der falsche? Das Einzige, was wir gegen unsere Zweifel tun können, ist lächeln. Wenn ich dir eine ganz wichtige Botschaft gleich zu Beginn mitgeben darf, dann diese: Lerne, solche Situationen auszuhalten.
Fazit
Fokussiere dein Ziel – auch, wenn du es nur unscharf erkennen kannst.
5Das Leben ist wie eine Sinuskurve. Mal gewinnst...