Im diesem Kapitel wird der Begriff der Kultur definiert und seine Ausprägung in den ausgewählten Ländern anhand von Kulturdimensionen vorgestellt.
Der Begriff der Kultur bedarf einer eingehenden Betrachtung, denn der gesamte Verhaltensspielraum der Konsumenten wird weitgehend von der Kultur abgesteckt (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 543) und ist somit auch für die Werbegestaltung relevant.
Kroeber und Kluckhohm beschäftigten sich eingehend mit dem Begriff der Kultur und fanden Anfang der 50er Jahre 154 verschiedene inhaltliche Auslegungen des Begriffs. Diese Vielfalt ist darauf zurückzuführen, dass eine Vielzahl von Forschungsgebieten die Kultur mit in ihre Betrachtung einbezieht und somit die Auffassungen stark differieren.
Beschäftigt man sich wissenschaftlich-anthropologisch mit der Kultur, so umfasst der Begriff gesellschaftlich übereinstimmende Muster im Denken, Fühlen und Handeln (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 542). Eine detailliertere Definition gelang Kluckhohn, der Kultur als den umfassenden Zusammenhang des menschlichen Verhaltens versteht. Durch die Nennung folgender Eigenschaften versucht er seinen Ansatz zu präzisieren (Kluckhohn, 1951, S. 87, zitiert in: Rothlauf, 1999, S. 16):
„Culture is learned.
Culture is structered.
Culture derives from the biological, enviromental, psychological and
historical components of human existence.
Culture is divideded into aspects.
Culture is dynamic.
Culture is variable.
Culture exhibits regularities that permits its analysis by the methods of science.
Culture is the instrument, whereby the individual adjusts to his total setting, and gains the means for creative expression”.
Unternimmt man den Versuch, Kulturen gegeneinander abzugrenzen, so ist zu beachten, dass Kultur keine Rücksicht auf Landes- oder Sprachgrenzen nimmt, sondern sich dort etabliert, wo Geschichte und Charakteristika gemeinsame Verhaltensmuster erkennen lassen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Bayern und Österreicher oder Friesen und Dänen mehr Gemeinsamkeiten haben als Bayern und Friesen.
Möchte man nun unterschiedliche Kulturen beschreiben, so bedarf es bestimmter Kriterien, die die Andersartigkeit einer Kultur erkennen lassen. Die folgende Abbildung (siehe nächste Seite) zeigt die Ergebnisse einer Umfrage unter Managern von Swift, die auf die Frage antworteten, welche Teilbereiche einer Kultur ihnen am wichtigsten sind (vgl. Müller/Gelbrich, 2004, S. 72). Diese Teilbereiche können als grobe Richtung bei der Charakterisierung von Kulturen dienen. Die meisten der unten aufgeführten Aspekte werden in den folgenden Kapiteln angesprochen.
Tab. 2: Kulturbereiche
(Quelle: Müller/Gelbrich, 2004, S. 72)
Der Niederländer Geert Hofstede baute in den 60er Jahren die Personalforschung von IBM Europe auf und entdeckte dabei, dass Mitarbeiter in unterschiedlichen Ländern differierende Arbeitsweisen haben. Er nahm Kultur als Grund hierfür an und belegte seine Annnahme mit einer empirischen Befragung von 116.000 IBM Mitarbeitern in 70 Ländern von 1967 bis 1973. Dabei kristallisierten sich vier Dimensionen heraus, anhand derer sich eine
Kultur charakterisieren lässt. Die fünfte Dimension der Langzeitorientierung fügte er später für 23 Länder hinzu (vgl. Hofstede [b], o.J., o.S).
Da Hofstede arabisch-sprachige Länder in seiner Untersuchung zusammengefasst hat, lässt sich nur mit einem Durchschnittswert arbeiten. Hofstede befragte sowohl im Jahr 1969 als auch im Jahr 1972 Mitarbeiter in Arabien, insgesamt baute seine Analyse lediglich auf 141 Antworten auf (vgl. Hofstede [a], 2001, S. 52), was auch an der Zahl der kleinen IBM-Niederlassungen in dieser Zeit in dieser Region liegen mag. Generell ist anzunehmen, dass der Libanon und Saudi-Arabien jeweils einen der beiden Pole darstellen und sich die anderen arabischen Länder in der Mitte befinden und der Hofstedsche Wert somit einen Mittelwert darstellt.
Auch muss auf die Kritik hingewiesen werden, die an Hofstedes Untersuchung oft geübt wird. Als erstes handelt es sich um Daten, die von einer spezifischen Bevölkerungsgruppe stammen, nämlich Angestellten eines international tätigen Konzerns, mehrheitlich dürfte es sich um Männer handeln.
Zweitens sind die Daten teilweise veraltet, denn auch Kultur unterliegt einem Wandel, durch die Globalisierung und die Medien wird eine Annäherung möglich, so dass sich die festgestellten Werte in die eine oder andere Richtung verändern können.
Darüber hinaus gibt es bezüglich der Lebensweise und somit der Kultur Unterschiede zwischen der Stadt- und der Landbevölkerung. Die IBM-Mitarbeiter sind, da sie in einem internationalen Konzern arbeiten, auch durch die Unternehmenskultur geprägt, welche es wahrscheinlich macht, dass ihre Einstellungen und Meinungen von denen der restlichen Bevölkerung abweichen.
Machtdistanz lässt sich in Anlehnung an Molzbichler (2004, S. 38) wie folgt definieren: „Machtdistanz ist das Ausmaß, in dem Mitglieder einer Gesellschaft eine Ungleichverteilung der Macht in Institutionen und Organisationen akzeptieren. Eine gesellschaftsspezifische Machtdistanznorm ist repräsentiert in den Werten sowohl von Führern wie von Geführten und schlägt sich in den Strukturen und Funktionen sozialer Institutionen nieder.“
Folgende Grafik soll einführend die Unterschiede in der Machtdistanz der ausgewählten Länder gegenüberstellen und sie ins Verhältnis zum Weltdurchschnitt setzen.
Abb. 1: Machtdistanzwerte für Deutschland, Arabien und den Weltdurchschnitt
(Quelle: vgl. Hofstede [b], o.J., o.S., eigene Darstellung)
Die Bedeutung von Machtdistanz schlägt sich in unterschiedlichen Lebensbereichen nieder, die es zu untersuchen gilt: das Verhältnis von Eltern
zu Kindern, das Verhältnis von Vorgesetzten zu Untergebenen, das Verhältnis von Armen zu Reichen und das Verhältnis des Einzelnen zur gesellschaftsordnenden Macht wie z.B. dem Staat.
In Deutschland ist die Machtdistanz relativ gering. Die deutsche Gesellschaft wird vor allem durch die Demokratie geprägt, in der Religionsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit gelten und auch (überwiegend) praktiziert werden. Darüber hinaus ist es das föderalistische Aufbauprinzip des deutschen Staates, welches ein weiterer Beleg für die geringe Machtdistanz Deutschlands ist. Jeder Einzelne, egal welcher sozialen Schicht oder welchem Geschlecht er angehört, kann kritisieren und durch Wahl seine Meinung kundtun, was zur Folge hat, dass die momentane politische Machtverteilung dynamisch und veränderbar ist.
Bezieht man Machtdistanz auf das Geschäftsleben, so fallen die flachen Hierarchien auf, die eher als funktionale Rollenverteilung gesehen werden. Der Gehaltsunterschied von einem Abteilungsleiter zu seinen Mitarbeitern ist im Vergleich zu anderen Ländern eher gering. In Deutschland wird immer mehr ein kooperativer Führungsstil gepflegt, der es den Mitarbeitern erlaubt, ihre Ideen und Verbesserungsvorschläge einzubringen, ohne dass dies als Kritik gewertet wird. Der Vorgesetzte wird meistens als Partner empfunden, dem auch ohne die Demonstration von Statussymbolen Respekt gezollt wird (vgl. Zell, 2006, o.S.).
Das Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern ist vielfach nicht mehr so autoritär wie es noch vor 50 Jahren war. Kinder entscheiden ab einem gewissen Alter sehr viel alleine: Partnerwahl, Beruf und Freizeit sind Bereiche, in denen Kinder oft das letzte Wort haben. Viele Kinder beschreiben das Verhältnis zu ihren Eltern als freundschaftlich. Auch in der Schule ist die Erziehung nicht mehr autoritär, Bestrafungen wie „in die Ecke stellen“, Sonderaufgaben oder sogar Schläge auf die Hände, wie es noch in den 50er Jahren vorkam, sind in der Gesellschaft verpönt und verboten.
Auch die Machtdistanz zwischen Arm und Reich ist gering, was sich beispielsweise in der breiten Mittelschicht widerspiegelt. „Reich und mächtig sein“ gilt nicht als naturgegeben, sondern als erreichbar für jeden....