VORWORT:
ZU ANFANG EINE KLEINE
GESCHICHTE
Lassen Sie mich kurz erzählen, wie es mit meinem Zugang zum umfassenden Thema Forderungsmanagement begann und warum ich bereits vor vielen Jahren, als die Zahlungsmoral in Österreich noch weit besser war als heute, erkannte, welche Konsequenzen bei Vernachlässigung desselben auftreten bzw. welche Potenziale damit verbunden sind.
Ich arbeitete damals in einem mittelgroßen Unternehmen mit ca. 20 Mitarbeitern im Bereich Dienstleistung – noch nicht im Forderungsmanagement und auch nicht mit dem Mahnwesen. Vielmehr war ich im Management mit den Schwerpunkten Organisation, Strukturierung, Leitung und Personalwesen beschäftigt und auch mehr als ausgelastet.
UND SO BEGANN ES
Mein Chef plante, eine Woche auf Schiurlaub zu fahren. Wir besprachen alle Eventualitäten für die kommende Woche. So ganz nebenbei übergab er mir einen EDV-Ausdruck unserer Offene-Posten-Liste und meinte, ich möge diesen während seiner Abwesenheit „in einer stillen Stunde“ durchsehen und mir eventuell dazu etwas überlegen.
Es war ein geflügelter Ausdruck meines Chefs, „in einer stillen Stunde“ anstehende Arbeiten zu erledigen. Nur, wir waren ein aufstrebendes und expandierendes Unternehmen und es gab nie „eine stille Stunde“. Doch ich nahm mir die Offene-Posten-Liste gleich zu Beginn der Woche zur Hand.
Damals waren die EDV-Ausdrucke im Format noch viel größer, umso bedrohlicher wirkte diese Liste auf mich, zumal die Außenstände, sprich die offenen, also nicht bezahlten, Rechnungen unserer Kunden ein erhebliches Ausmaß angenommen hatten.
Zu Beginn der Neunzigerjahre war die Zahlungsmoral bei Weitem nicht so schlecht wie heute. Dennoch bezahlte immer nur ein bestimmter Prozentsatz unserer Kunden die Rechnungen innerhalb der Zahlungsfrist bzw. unaufgefordert. Doch der Bereich „Mahnwesen“ war in diesem und in den meisten anderen Unternehmen weder strukturiert noch gewartet. In der Praxis sah das so aus, dass alle paar Monate, das heißt, wenn gerade irgendwie und irgendwann Zeit blieb, von einer Mitarbeiterin einzelne Positionen der Offene-Posten-Liste kopiert und an die jeweiligen Kunden „zur Info“ übermittelt wurden. Richtig zu mahnen getraute man sich nicht. Man hatte zu viele Bedenken, die Kunden würden darüber verärgert sein, und man wollte ja keinesfalls die positive Geschäftsbeziehung gefährden.
DIE ERSTE AKTION
In Ausübung meiner Aktivitäten in Unternehmen, in denen ich häufig strukturelle Veränderungen in Form von Verbesserungen, Prozessoptimierungen usw. vornehmen musste, war ich gewohnt, immer wieder auf Widerstände zu stoßen. Doch waren Widerstände für mich noch nie ein Problem gewesen. Mit der notwendigen Mischung aus Fingerspitzengefühl, Diplomatie und Konsequenz, verbunden mit entsprechender Durchsetzungsfähigkeit, ist es mir immer gelungen, Widerstände aufzulösen und dabei positive Ergebnisse zu erzielen.
Also sah ich diese Offene-Posten-Liste als Herausforderung für mich an. Herausforderung deshalb, da ich diese erst einmal „sanieren“ wollte, ohne die Geschäftsbeziehung mit den Kunden zu gefährden. Und für die Zukunft wollte ich die Kunden zu schnelleren Zahlungen bewegen bzw. „erziehen“. Und natürlich musste ich davon ausgehen, bei der Bearbeitung der Liste – sprich Hereinbringung der Forderungen – auf Widerstände im Hinblick auf die beabsichtigte Veränderung der mittlerweile zum Teil sehr schlechten Zahlungsmoral der Kunden zu stoßen.
Dem Unternehmen ging es grundsätzlich wirtschaftlich sehr gut. Da wir auf expandierendem Wege waren, wurde entsprechendes Kapital für laufende betriebliche Veränderungen benötigt.
Und gerade dieses Kapital lag in den immensen Außenständen!
Ich ging also die einzelnen Positionen der Offene-Posten-Liste durch und suchte mir zu Anfang jene Kunden heraus, zu denen ich persönlich den besten Kontakt hatte, bzw. jene, bei denen die meisten Rechnungen offen waren. Und genau diese Kunden rief ich einfach an, begann ein Gespräch und lenkte dieses mit entsprechendem Fingerspitzengefühl auf das Eigentliche, nämlich konkret auf die offenen und überfälligen Rechnungen.
Als erste Maßnahme traf ich mit diesen Kunden Lösungen zur Reduzierung der Außenstände, indem kurzfristige Zahlungstermine vereinbart wurden, nahm Wechsel an – diese waren damals noch eine durchaus übliche Zahlungsform – und schmiedete weitere Zahlungspläne im besten Einvernehmen mit den Kunden.
Denn erstaunlicherweise hatten bereits damals jene Kunden die schlechteste Zahlungsmoral, zu denen mein Chef die beste Kundenbeziehung zu haben glaubte.
Ich weiß es noch sehr genau: Am Ende der Urlaubswoche meines Chefs hatte ich auf Grund meiner ersten Maßnahmen bereits knapp 500.000 Schilling – heute rund 36.300 Euro – an zusätzlichen Zahlungseingängen auf unserem Firmenkonto. Und da waren noch eine Menge Potenziale offen.
Auch während der Urlaube meines Chefs telefonierten wir täglich, um zum einen aktuelle Infos auszutauschen und zum anderen die täglichen Zahlungseingänge zu besprechen. Erst am Ende dieser Woche erzählte ich ihm von meinen ersten Aktivitäten im Hinblick auf die Einbringung von Außenständen und nannte ihm die dadurch zusätzlich von mir erwirkten Zahlungseingänge. Seine Stimmung schwankte daraufhin zwischen Freude, Erstaunen und Verwunderung und gipfelte in der Aussage: „Wie haben Sie das gemacht? Darüber müssen wir uns gleich am Montag nach meiner Rückkehr unterhalten!“
DER AUFBAU EINES FUNKTIONIERENDEN FORDERUNGSMANAGEMENTS
An besagtem Montag unterhielten wir uns sehr ausführlich und von da ab laufend bei regelmäßig angesetzten Terminen ausschließlich über die Potenziale im Forderungsmanagement, wie
- Reduzierung der Außenstände,
- Kontinuität in den Zahlungseingängen,
- positiver Umgang mit den Kunden ohne Gefährdung der Geschäftsbeziehung und
- nachhaltige Reduzierung der Außenstandsdauer von Forderungen.
Mein Chef übertrug zu diesem Zeitpunkt ausschließlich mir diesen Bereich im Unternehmen zusätzlich zu meiner bisherigen Arbeit. Ich begann sofort mit der praktischen und weitreichenden Umsetzung von Prozessoptimierungen in den organisatorischen und EDV-mäßigen Abläufen und baute ein funktionierendes Mahnwesen auf. Wobei die Erlangung einer Kontinuität in den Zahlungseingängen unter Beibehaltung der positiven Geschäftsbeziehung im Vordergrund stand.
DIE ENTWICKLUNG
Im Laufe der Jahre wuchs das Unternehmen auf 45 Mitarbeiter und entsprechende Umsatzgröße an. Und natürlich wuchsen auch die Maßnahmen und der dafür aufzuwendende Zeitrahmen im Forderungsmanagement mit, welches von mir jahrelang weiter auf- und ausgebaut wurde und das ich unter Hinzuziehung von Mitarbeitern des Unternehmens sehr erfolgreich führte.
Genügte es zu Beginn der Neunzigerjahre, monatlich zu mahnen – natürlich immer mit dem entsprechenden Fingerspitzengefühl –, veränderten sich auf Grund der zunehmend schlechter und schwieriger werdenden Zahlungsmoral die anzuwendenden Methoden zur Erlangung bzw. Beibehaltung der Kontinuität in den Zahlungseingängen. Auch der hiefür erforderliche Zeitaufwand explodierte förmlich. Im Laufe der Jahre steigerte sich der Zeitaufwand umgelegt auf die Unternehmensgröße dermaßen, dass die Bearbeitung und erfolgreiche Umsetzung bereits ein kontinuierlich wachsender Bestandteil meines Tagesgeschäfts war.
Mit dem Mehr an Arbeit wuchs auch die Unterstützung der Mitarbeiter.
Der ständig wachsende Aufwand für den Bereich Forderungsmanagement bzw. die damit im Zusammenhang stehenden betrieblichen Aktivitäten im Unternehmen resultierten aus verschiedenen Faktoren:
- Die allgemeine Zahlungsmoral verschlechterte sich.
- Daraus resultierender Kreislauf: die Kunden hatten selbst hohe Außenstände.
- Die Kunden strebten daher verstärkt neue Preisverhandlungen an.
- Die Kunden wurden kritischer, der Konkurrenzdruck stieg.
- Die Kunden wendeten Mängel ein, um Zahlungsfristen zu verlängern bzw. Zahlungen zurückzuhalten.
- Die Kunden verlangten detailliertere Leistungsnachweise.
- Die Kunden reizten Zahlungsfristen verstärkt aus.
Usw.
FORDERUNGSMANAGEMENT UND KUNDENBINDUNG
Aus all diesen Gründen und durch die allgemeine Entwicklung und Verschlechterung der Zahlungsmoral gewann das Forderungsmanagement immer mehr an Bedeutung. Allein damit, offene Rechnungen auf herkömmliche Weise zu betreiben bzw. einzutreiben, ist für den wirtschaftlichen Erfolg im Unternehmen allerdings zu wenig getan. Um die Liquidität im Unternehmen zu steigern, ist ein vorausschauendes und effektives Forderungsmanagement unter Ausschöpfung aller Potenziale unerlässlich.
Untrennbar...