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E-Book

Wie muss die Wirtschaft umgebaut werden?

Perspektiven einer nachhaltigeren Entwicklung

AutorBernd Meyer
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783104000626
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Der internationale Wettbewerb um knapper werdende Ressourcen verschärft sich zusehends. Die Rohstoffentnahme aus der Natur wird beschleunigt, die Schadstoffemissionen, insbesondere die Klimagase, steigen unverändert an. Kurz: Die Natur nimmt immer größeren Schaden, worunter natürlich auch die menschliche Existenz leidet und leiden wird. Dieser Band zeigt wirtschaftspolitische Lösungsansätze auf und diskutiert Handlungsalternativen sowohl im internationalen Rahmen als auch bezogen auf Europa und Deutschland.

Bernd Meyer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Osnabrück und wissenschaftlicher Leiter der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS). Er war Vorsitzender des Ausschusses »Evolutorische Ökonomik« der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und des Wissenschaftlichen Beirats zur Umweltökonomischen Gesamtrechnung beim Bundesumweltministerium.

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Leseprobe

1. Einleitung


Ein Überblick


Die Vereinten Nationen erwarten bis zum Jahr 2050 in der mittleren Prognosevariante eine Weltbevölkerung von 9 Milliarden Menschen. Das Wachstum der Bevölkerung wird sich in den Entwicklungsländern und den sogenannten Schwellenländern vollziehen, deren Bevölkerungszahl bis zum Jahr 2050 um ca. 50 % steigen wird. Die Schwellenländer sind diejenigen Entwicklungsländer wie etwa China und Indien, deren wirtschaftliche Entwicklung mit jährlichen Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts zwischen 6 % und 10 % sehr dynamisch verläuft.

Bis zum Jahre 2030 wird das Bruttoinlandsprodukt der Welt um 130 % wachsen. Dies bedeutet, dass trotz der zu erwartenden Effizienzsteigerungen beim Einsatz der Rohstoffe die Entnahme von Ressourcen aus der Natur um fast 50 % zunehmen wird.

Die aus der Natur entnommenen Rohstoffe werden zu Gütern verarbeitet. Ein Teil von ihnen materialisiert sich mehr oder weniger dauerhaft in Gebäuden, Maschinenbeständen, Straßen und anderen Anlagen, ein anderer Teil wird in der Form von Rest- und Schadstoffen wieder an die Natur zurückgegeben. Sowohl die Entnahme von Rohstoffen, vor allem aber die Lagerung von Rest- und Schadstoffen in der Natur führt zu ihrer dauerhaften Schädigung. Die Bevölkerung hat dieses Faktum bislang trotz aller Warnungen der Wissenschaftler mit bemerkenswertem Gleichmut ertragen.

Nur im Hinblick auf die Emission von Treibhausgasen in die Luft und den dadurch ausgelösten Treibhauseffekt ist die Öffentlichkeit inzwischen hellhörig geworden. Die Anreicherung von CO2, Methan und anderen Gasen in der Luft wirkt wie das Dach eines Treibhauses: Die Temperatur der Erde steigt mit der Konzentration der sogenannten Treibhausgase in der Luft. Ein Temperaturanstieg um 2 Grad ist schon jetzt nicht mehr zu vermeiden. Die Auswirkungen sind schon erfahrbar und werden sich in nächster Zukunft noch weiter steigern: Milde Winter und heiße Sommer, häufigere und intensivere Stürme, Anstieg des Meeresspiegels, Artensterben mit weiteren unabsehbaren Konsequenzen. Das wichtigste Klimagas ist CO2, das bei der Verbrennung der kohlenstoffhaltigen Energieträger Kohle, Gas und Öl entsteht und sich in der Luft anreichert. Ohne eine dramatische Kehrtwende in unserem Verhalten bringt das für die Zukunft zu erwartende Wirtschaftswachstum bis zum Jahr 2030 eine Zunahme des Energieverbrauchs und einen weiteren Anstieg der CO2-Emissionen um 40 % mit sich. Der Anstieg der Durchschnittstemperatur wird auf der Erde in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts nicht 2 Grad, sondern zwischen 3 Grad und 5 Grad betragen. Die Auswirkungen sind kaum abschätzbar. Man bekommt ein Gefühl dafür, wenn man bedenkt, dass der Temperaturunterschied zwischen heute und der Eiszeit gerade 5 Grad beträgt.

Welche Handlungsoptionen haben wir zur Begegnung dieser wohl größten Herausforderung der Menschheit? Eines ist schon klar: Wir brauchen eine globale Perspektive. Es wird nicht genügen, über Lösungen für Deutschland oder Europa nachzudenken. Als Faktum der globalen Entwicklung müssen wir das Bevölkerungswachstum und das Wirtschaftswachstum in den Entwicklungs- und Schwellenländern hinnehmen. Das Bevölkerungswachstum in der Dritten Welt hat viele kulturelle und sozioökonomische Ursachen, die wir nicht in wenigen Jahren beeinflussen können. Im Übrigen unterstellt die zitierte mittlere Variante der Bevölkerungsprognose der Vereinten Nationen bereits eine Abschwächung des Wachstums der Bevölkerung. Das Wirtschaftswachstum in den Entwicklungs- und Schwellenländern ist angesichts der noch bestehenden dramatischen Armut in diesen Ländern höchst willkommen, bietet es doch die Hoffnung auf eine Besserung der katastrophalen sozialen Verhältnisse. Eine Wachstumsbegrenzung würde von diesen Ländern auch sicherlich nicht akzeptiert werden, schließlich waren es bis jetzt vor allem die Industrieländer, die den Unrat in die Natur gebracht haben.

Wenn die oben beschriebene Entwicklung verhindert werden soll, muss in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts die Konzentration der Klimagase stabilisiert werden. Für die CO2-Emissionen bedeutet dies, dass sie bis dahin weltweit auf 20 % des Niveaus des Jahres 1990 reduziert werden müssen, weil dies der Rate der jährlichen Assimilation von CO2 durch die Fotosynthese der Pflanzen und andere Einflüsse entspricht.

Die einzige realistische Option, die wir haben, ist die einer dramatischen Steigerung der Rohstoffproduktivität. Das heißt, dass wir pro Einheit eines eingesetzten Rohstoffs die erzeugten Gütermengen kräftig steigern müssen. Oder andersherum: Die pro erzeugter Gütereinheit eingesetzten Rohstoffmengen müssen drastisch vermindert werden, um so das Wirtschaftswachstum und den Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Dies kann einerseits durch technischen Fortschritt und andererseits durch Änderungen des Konsumentenverhaltens erreicht werden. Wir müssen also nicht weniger Güter nachfragen, sondern andere als bisher, die direkt und indirekt weniger Ressourcen enthalten, und wir müssen die Güter anders, nämlich durch ressourcenschonende Technologien, erzeugen. Nur durch Innovationen, die neue Konsumgüter und Produktionsverfahren hervorbringen, sowie die erforderlichen Investitionen in Maschinen und Gebäude werden wir das Problem lösen können. Es ist aber auch der Ritt auf einem Tiger, denn Innovationen und Investitionen erzeugen wirtschaftliches Wachstum und gedeihen andererseits auch nur in einem dynamischen wirtschaftlichen Umfeld.

Aber liegt da nicht ein Widerspruch? Bedeutet nicht Wachstum auch mehr Konsum und mehr Ressourcenverbrauch? So wie wir argumentiert haben, muss gesamtwirtschaftliches Wachstum nicht zwangsläufig auch mehr Ressourcenverbrauch auslösen, denn wir wollen einerseits ressourcensparende Technologien anwenden und andererseits die Nachfrage nach denjenigen Konsumgütern drastisch reduzieren, die einen hohen Ressourcenverbrauch verursachen und dafür andere ressourcenschonende Güter vermehrt nachfragen. Das ist gemeint, wenn von einer Änderung der Konsumstruktur die Rede ist. Die Haushalte verhalten sich suffizient im Hinblick auf den Ressourcenverbrauch, was bedeutet, dass sie Enthaltsamkeit im Hinblick auf den Ressourcenverbrauch üben. So wie wir es sehen, bedeutet dies aber nicht Suffizienz schlechthin. Gelegentlich wird der Begriff der Suffizienz verengt auf den Konsum insgesamt angewendet, was m. E. problematisch ist, weil damit – wie noch zu zeigen sein wird – Handlungsoptionen eingeengt werden. Unsere zentrale These ist, dass die Politik eine Innovationsstrategie ergreifen muss, die zwei Komponenten hat. Auf der einen Seite muss sie die Unternehmen veranlassen neue, die Ressourcen schonende Produktionsverfahren einzusetzen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Effizienzstrategie. Zum anderen muss sie die Konsumenten veranlassen, den Konsum von ressourcenintensiven Gütern durch andere Güter zu ersetzen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von der Suffizienzstrategie. Beide Komponenten der Innovationsstrategie steigern die Ressourcenproduktivität und entkoppeln Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch.

Europa kann aufgrund seiner Wirtschaftstruktur für eine solche Strategie der Motor sein. Die unter der deutschen Ratspräsidentschaft vorgegebenen Ziele bezüglich der CO2-Emissionen sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Europa muss den technologischen Umbau schaffen, um im internationalen Handel der Welt die Technologien zur Steigerung der Ressourcenproduktivität zur Verfügung stellen zu können. Ferner ist zu hoffen, dass das Vorbild Europas schließlich auch zu weltweiten Zielvereinbarungen und entsprechenden Verhaltensänderungen führen kann. Auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm im Jahre 2007 haben die Regierungsspitzen der acht wirtschaftlich bedeutendsten Industrieländer das Ziel beschlossen, die globalen CO2-Emissionen bis 2050 um mindestens die Hälfte zu reduzieren. Die Staats- und Regierungschefs haben in Heiligendamm vereinbart, dieses Ziel gemeinsam in einem UN-Prozess umzusetzen. Dabei sollen auch die großen Schwellenländer eingebunden werden. Wenn diesen Worten auch Taten folgen, ist damit eine Entwicklung angestoßen worden, die hoffen lässt, dass es doch noch gelingt, das Ruder herumzulegen. Ein großer Fortschritt gegenüber der bisherigen Diskussion ist in jedem Fall erreicht worden, denn nun sind auch die Vereinigten Staaten beteiligt, und man ist gemeinsam der Auffassung, dass unter dem Dach der Vereinten Nationen auch eine Beteiligung der Schwellenländer anzustreben ist. Man muss bedenken, dass noch im Jahre 2006 die Reduktion der Emission von Treibhausgasen um 50 % bis zum Jahre 2050 nur in optimistischen Szenarien der Wissenschaftler diskutiert wurde. Für Deutschland ist ein solcher Weg auch wirtschaftlich vorteilhaft, denn unser Land ist der führende Hersteller von Investitionsgütern in der Welt und hat mit seinen Produkten in dem Segment der ressourcenschonenden Technologien eine sehr gute Marktposition.

Das Buch stellt die Innovationsstrategie zur Steigerung der Ressourcenproduktivität ausführlich dar, zeigt ihre Potenziale, aber auch ihre Risiken. Es wird deutlich, dass durch eine geschickte Kombination ökonomischer, aber auch ordnungspolitischer...

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