1 Glücksempfinden
Warum positives Denken oft scheitert, und inwiefern der wahre Weg zum Glück von einem Bleistift abhängt, vom Führen des perfekten Tagebuchs, von kleinen Akten der Freundlichkeit und der Entwicklung der Dankbarkeitshaltung.
Warum ist es wichtig, glücklich zu sein? Nun, um nur einen Grund zu nennen, Sie fühlen sich definitionsgemäß besser. Es geht jedoch um mehr als nur das. Glücklich zu sein führt nicht nur dazu, dass Sie das Leben mehr genießen, sondern hat tatsächlich auch einen Einfluss darauf, wie erfolgreich Sie sowohl in Ihrem privaten als auch in Ihrem Berufsleben sind.
Vor einigen Jahren nahmen Sonja Lyubomirsky von der University of California und ihre Kollegen die Mammutaufgabe in Angriff, Hunderte von Studien zu überprüfen, in denen die Versuchsleiter ausgewählte Personen aufheiterten und dann die Auswirkungen ihrer neu entdeckten Freude beobachteten.[3] Es wurden alle möglichen Arten von Verfahren eingesetzt, um den Teilnehmern das Gefühl des Glücklichseins zu verschaffen. Man ließ sie unter anderem frisch geschnittene Blumen riechen, positive Behauptungen vorlesen (»Ich bin wirklich ein guter Mensch«), Schokoladentorte essen, tanzen oder einen lustigen Film ansehen. Manchmal griffen die Versuchsleiter auch zur Schwindelei, wenn sie den Teilnehmern sagten, dass sie in einem Intelligenztest besonders gut abgeschnitten hätten, oder indem sie dafür sorgten, dass sie »zufällig« etwas Geld auf der Straße fanden. Unabhängig von der verwendeten Methode war das Gesamtergebnis eindeutig – das Glücksempfinden ergibt sich nicht nur aus dem Erfolg, sondern ist in Wirklichkeit eine seiner Ursachen.
Nachdem sie die Daten aus Hunderten von Studien mit über einer Viertelmillion Teilnehmern durchgesehen hatte, entdeckte Lyubomirsky erstaunliche Vorteile des Glücksempfindens. Glücksempfinden macht Menschen kontaktfreudiger und altruistischer, es führt dazu, dass sie sich selbst und andere mehr mögen, es verbessert ihre Fähigkeit, Konflikte zu beheben und stärkt ihr Immunsystem. Insgesamt hat das zur Folge, dass Menschen zufriedenstellendere und erfolgreichere Beziehungen haben, erfüllendere Berufe finden und länger und gesünder leben.
Wenn man die emotionalen und greifbaren Vorteile des Glücksempfindens betrachtet, ist es nicht verwunderlich, dass jedermann ein Stück von diesem Kuchen abhaben will. Worin besteht jedoch der wirksamste Weg, um ein ständiges Lächeln auf die eigenen Lippen zu zaubern? Die meisten Leute werden auf diese Frage wahrscheinlich mit zwei Worten antworten – mehr Geld. Eine Umfrage nach der anderen nennt das Bedürfnis nach einer pralleren Brieftasche durchweg an oberster Stelle einer Liste von Dingen, die man zum Glücklichsein unbedingt braucht.[4] Aber ist es wirklich möglich, Glück zu kaufen, oder gelangt man durch finanzielle Sehnsüchte nicht etwa auf den Weg der Verzweiflung?
Eine Teilantwort ergibt sich aus einer bemerkenswerten Untersuchung, die in den 1970er Jahren von Philip Brickman von der Northwestern University durchgeführt wurde.[5] Brickman wollte herausfinden, was mit dem Glücksempfinden von Menschen geschieht, wenn ihre finanziellen Träume Wirklichkeit werden. Erzeugt ein großer unerwarteter Gewinn wirklich ein langfristiges Lächeln, oder lässt der anfängliche Nervenkitzel rasch nach, wenn das neu erworbene Vermögen zu etwas Alltäglichem wird? Brickman nahm Kontakt mit einer Gruppe von Personen auf, die einen Hauptpreis in der Staatslotterie von Illinois gewonnen hatten, darunter einige, die den Jackpot von einer Million Dollar knackten. Als Kontrollgruppe wählte er zufällig Leute aus dem Telefonbuch von Illinois aus. Alle wurden gefragt, wie glücklich sie in jenem Augenblick waren und wie glücklich sie in der Zukunft zu sein glaubten. Zusätzlich sollten sie sagen, wie groß die Freude war, die sie aus alltäglichen Vergnügungen des Lebens bezogen, wie z.B. mit Freunden zu plaudern, einen lustigen Witz zu hören oder ein Kompliment zu erhalten. Die Ergebnisse ermöglichen einen frappierenden Einblick in die Beziehungen zwischen Glücksempfinden und Geld.
Im Gegensatz zur verbreiteten Überzeugung waren diejenigen, die die Lotterie gewonnen hatten, weder glücklicher noch unglücklicher als die Personen aus der Kontrollgruppe. Auch gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen bei der Frage, wie glücklich sie in der Zukunft zu sein glaubten. Tatsächlich gab es nur einen einzigen Unterschied – im Vergleich zu denen, die die Lotterie gewonnen hatten, bezogen die Personen aus der Kontrollgruppe signifikant mehr Vergnügen aus den einfachen Dingen des Lebens.
Da der Gewinn in einer Lotterie eine ziemlich ungewöhnliche Methode darstellt, finanzielle Sicherheit zu erlangen, haben Psychologen die Beziehung zwischen Einkommen und Glücksempfinden auch bei denen untersucht, die für ihren Reichtum gearbeitet hatten.
In einigen dieser Studien ging es darum, großangelegte, internationale Umfragen durchzuführen, indem man die Leute einschätzen ließ, wie glücklich sie sind (gewöhnlich unter Verwendung einer Standardskala von 10 Punkten, die von »sehr unglücklich« bis zu »sehr glücklich« reicht), und dann die durchschnittlichen Einschätzungen des Glücksempfindens in den verschiedenen Ländern gegen ihr Bruttosozialprodukt (BSP) auftrug.[6] Die Ergebnisse deuten auf Folgendes hin: Obwohl Menschen in sehr armen Nationen nicht so glücklich sind wie jene in reicheren Ländern, verschwindet diese Beziehung, sobald ein Land ein verhältnismäßig bescheidenes BSP erreicht hat. Untersuchungen, die eine mögliche Verbindung zwischen Gehalt und Glücksempfinden überprüften, förderten dasselbe Muster zutage. Aus einer Studie, die von Ed Diener von der University of Illinois und seinen Kollegen durchgeführt wurde, ging hervor, dass selbst diejenigen, die auf der Forbes-Liste der 100 reichsten Menschen standen, nur geringfügig glücklicher als der Durchschnittsamerikaner sind. All dies läuft auf eine einfache Botschaft hinaus: Wenn sich Menschen die notwendigen Dinge des Lebens leisten können, führt eine Steigerung des Einkommens nicht zu einem deutlich glücklicheren Leben.
Aber warum sollte das so sein? Zum Teil deshalb, weil wir uns an unseren Besitz sehr schnell gewöhnen. Wenn man einen neuen Wagen oder ein größeres Haus kauft, erhält man dadurch zwar einen kurzfristigen Schub an Wohlgefühl, aber wir gewöhnen uns schnell daran und sinken dann auf das Niveau der Freude vor dem Kauf zurück. Wie der Psychologe David Myers es einmal ausdrückte: Dank unserer Fähigkeit, uns an immer größeren Ruhm und Reichtum anzupassen, können die Luxusgüter von gestern schon bald zu den Notwendigkeiten von heute und den Altlasten von morgen werden.[7] Wenn man mit Geld kein Glück kaufen kann, worin besteht dann der beste Weg, ein langfristiges Lächeln auf Ihre Lippen zu zaubern?
Die schlechte Nachricht ist, dass Forschungen zeigen, dass etwa 50% Ihres gesamten Glücksgefühls genetisch determiniert ist und sich daher nicht ändern lässt.[8] Die bessere Nachricht ist, dass weitere 10% von allgemeinen Umständen abhängen (Bildungsniveau, Einkommen und ob man verheiratet oder ledig ist etc.), die nur schwer zu ändern sind. Die beste Nachricht ist jedoch, dass die verbleibenden 40% sich von Ihrem Alltagsverhalten herleiten und von der Art und Weise, wie Sie über sich selbst und andere denken. Mit ein wenig Wissen können Sie in nur wenigen Sekunden wesentlich glücklicher werden.
Das Problem liegt darin, dass die Ratschläge, die in manchen Selbsthilfebüchern und -kursen angeboten werden, im Gegensatz zu den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung stehen. Nehmen wir beispielsweise die Macht des positiven Denkens. Hängt der Weg zum Glücklichsein wirklich davon ab, dass man in der Lage ist, negative Gedanken einfach aus seinem Geist zu verbannen? Tatsächlich deutet die Forschung darauf hin, dass eine solche Unterdrückung von Gedanken weit eher dazu führt, das Elend zu vergrößern, anstatt es zu verringern.
In der Mitte der 1980er Jahre stolperte der Harvard-Psychologe Daniel Wegner über ein dunkles, aber faszinierendes Zitat aus Dostojewskis Winterliche Aufzeichnungen über sommerliche Eindrücke: »Nehmen Sie sich einmal vor, nicht an einen weißen Bären zu denken, und Sie werden sehen, der Verflixte wird Ihnen immerfort einfallen.« Wegner beschloss, ein einfaches Experiment durchzuführen, um festzustellen, ob das wirklich so ist. Jede Person aus einer Gruppe von Freiwilligen wurde allein in einen Raum gesetzt und instruiert, über alles Mögliche nachzudenken, aber NICHT, sich Dostojewskis Eisbären vorzustellen. Alle wurden dann gebeten, jedes Mal eine Glocke zu läuten, wenn ihnen der verbotene Bär in den Sinn kam. Innerhalb von Sekunden zeigte eine Kakophonie von Glockenklängen an, dass Dostojewski recht hatte – der Versuch von Menschen, bestimmte Gedanken zu unterdrücken, führt zu einer obsessiven Beschäftigung mit genau dem Thema, das sie zu meiden versuchen.
Andere Arbeiten haben gezeigt, wie dieser Effekt sich im wirklichen Leben auswirkt, wobei eine Studie, die von Jennifer Borton und Elizabeth Casey vom Hamilton College im Staate New York durchgeführt wurde, auf dramatische Weise demonstriert, wie dadurch die Stimmung und das Selbstwertgefühl von Menschen beeinflusst wird.[9] Borton und Casey baten eine Gruppe von Leuten, ihren schlimmsten Gedanken über sich selbst zu beschreiben, und ließen dann...